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WASHINGTON, D.C. AUGUST 1914
Als Woodrow Wilson den prachtvollen Speisesaal an Bord der Präsidentenjacht Mayflower betrat, erhoben sich alle Männer am Konferenztisch und wandten sich ihm in respektvollem Schweigen zu. Der schlanke Präsident trug einen modischen mokkafarbenen Straßenanzug, der seine Größe noch zu unterstreichen schien. Er hatte ein langes Gesicht, manche sagten sogar Pferdegesicht dazu, und seine Haltung sowie sein Ausdruck erinnerten an einen strengen Schulmeister. Doch wenn er den Mund öffnete, erklang eine samtige Stimme, die von Bescheidenheit und Intelligenz kündete und jeden entzückte, der sich in Hörweite befand.
»Gentlemen, bitte nehmen Sie Platz, bevor eine plötzliche Querströmung des Potomac Rivers Sie möglicherweise dazu zwingt.«
Gelächter hallte durch den Raum, während sich die Männer sichtlich entspannten und gemeinsam mit dem Präsidenten ihre Plätze am Tisch wieder einnahmen. Ein Steward mit weißen Handschuhen schloss hinter dem Regierungschef die Türen, während zwei Agenten des Secret Service direkt daneben Stellung bezogen.
»Ich danke Ihnen allen, dass Sie heute hier sind«, begann Wilson, der sich an das Kopfende des Tisches gesetzt hatte. »Der Kapitän hat mich darüber informiert, dass wir in Kürze ablegen werden. Wir segeln flussabwärts zu unserem geplanten Mittagessen in Mount Vernon, obwohl ich mir sicher bin, dass es nicht wenige in dieser Stadt vorziehen würden, einfach weiter zu segeln, und zwar bis nach Südamerika«, fügte er hinzu und erntete ein breites Grinsen der Anwesenden. »Das hier wäre zwar eine gute Gelegenheit für ein paar Runden Poker und eine gute Zigarre unter neuen Freunden, aber wir haben Geschäftliches zu erledigen.« Kurz legte er den Kopf schief und wandte sich dann an den Steward. »Wenn ich es mir recht überlege, gibt es allerdings keinen Grund, warum wir dabei nicht eine Zigarre rauchen und einen Schluck trinken sollten.«
Wilson war noch ein Neuling in der Politik, denn er hatte das Weiße Haus nur zwei Jahre nach seiner Wahl zum Gouverneur von New Jersey erobert. Zuvor jedoch war er viele Jahre lang Dekan eines Colleges gewesen und wusste, wie man Menschen führt. Und da er in einem Rennen mit drei Kandidaten fast fünfzig Prozent aller Stimmen der Bevölkerung auf sich vereint hatte, verfügte er auch über ein starkes Mandat dafür.
Dem achtundzwanzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten wurde eine Zigarrenkiste aus Rosenholz gereicht, die er an den Mann zu seiner Linken weitergab. Während die Zigarren im Raum herumgereicht wurden, kam der Steward mit einem Tablett zurück, auf dem Schnapsgläser und eine Flasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit standen. Das Etikett darauf war so alt, dass es bereits abblätterte.
»Dies ist unser erstes gemeinsames Treffen, also müssen wir es entsprechend feiern. Diese Flasche Scotch war ein Glückwunsch-Geschenk zu meinem Amtsantritt, und zwar von H. H. Asquith, dem Premierminister von Großbritannien. Mir wurde gesagt, dieser Whiskey sei vierzig Jahre in einem Fass gereift und habe danach weitere fünfzig Jahre in dieser Flasche geruht.«
Die Gläser wurden gefüllt, und schon bald war der Raum in aromatischen Zigarrenrauch gehüllt. Unter den Anwesenden war man sich einig, dass dies der beste Whiskey war, den sie je getrunken hatten. »Ich könnte mich gezwungen fühlen, für eine Wiederwahl zu kandidieren, wenn Asquith mir eine weitere Flasche davon für eine zweite Amtszeit zusagt«, erklärte Wilson und erntete erneut Gelächter.
Dieses Treffen auf der Jacht war der Höhepunkt einer jahrelangen Arbeit und sorgfältiger Verhandlungen über die Parteigrenzen hinweg und unter Beteiligung aller drei Regierungsebenen. Der Präsident wusste, dass er sein Publikum gewonnen hatte und begann damit, seine Rede zu halten.
»Würde ich behaupten, dass heute der absolute Brain Trust des amerikanischen Bankwesens vor mir versammelt ist, würde sich in der gesamten Nation wohl keine einzige Gegenstimme erheben. Jeder von Ihnen verfügt über Dutzende von Jahren Erfahrung in der Leitung einiger unserer erfolgreichsten Banken, und jeder von Ihnen hat sich bereit erklärt, eine der zwölf neu geschaffenen Federal-Reserve-Banken zu leiten. Damit geben wir dem Land endlich das zentralisierte Geldsystem, das nötig ist, wenn wir vorankommen wollen. Ich muss dieser erlauchten Gruppe nicht erst sagen, dass die Vereinigten Staaten wachsen werden - und dass das beginnende zwanzigste Jahrhundert unsere Epoche sein wird. Unter den Nationen der Welt werden wir glänzen. Doch um das ganze Potenzial voll ausschöpfen zu können, müssen wir uns stärker zentralisieren.«
Seine Worte wurden mit zustimmendem Gemurmel aufgenommen.
»Noch vor weniger als fünfundzwanzig Jahren haben wir erlebt, wie die einzelnen Bundesstaaten und sogar einzelne Landkreise ihre eigenen Zeitstandards festgelegt haben. Das hat eine effiziente Planung im Eisenbahnverkehr nahezu unmöglich gemacht, und so ist es regelmäßig zu tödlichen Unfällen gekommen. Darum bedurfte es des Zusammenschlusses aller Eisenbahnbesitzer, um das heutige System der regulierten Zeitzonen zu kodifizieren.« Er sah sich in der Runde um.
»Das ist aber nur ein Beispiel dafür, wie die Bedürfnisse unserer Nation unsere Fähigkeit, sie auf staatlicher oder lokaler Ebene zu erfüllen, übersteigen. Die verheerenden Banküberfälle, unter denen wir regelmäßig leiden, sind ein weiteres Beispiel dafür, wie Amerika dem Rest der zivilisierten Welt hinterherhinkt. Die Banken-Panik von 1907 hätte viele von uns beinahe ruiniert und hat zahllose Unternehmen und Einzelpersonen in ihrem Kielwasser tatsächlich zerstört. Ich stelle mir vor, dass jeder von Ihnen mindestens einen Bekannten oder einen engen Freund hatte, der seinem Leben ein Ende gesetzt hat - und zwar wegen seines Ruins.«
Die Männer am Tisch nickten.
»Die einzelnen Staaten werden zwar auch weiterhin alle in unserer Verfassung verankerten Rechte behalten, die Regierung des Bundes muss dennoch eine stärkere Führungsrolle übernehmen. Das beginnt mit einem privaten, zentralisierten Bankensystem, das von dem von mir eingesetzten Gremium überwacht werden wird.«
Die Männer im Raum hingen an Wilsons Lippen und lauschten auf jedes Wort. Alle bis auf einen Mann. Isaac Bell, der Chefermittler der Van Dorn Agency, blickte gelangweilt aus einem Bullauge an der Seite. Für ihn gab es kaum ein weniger interessantes Thema als das Bankwesen.
»Und dies, meine Herren, soll unser neues Banner sein.« Wilson öffnete eine dünne Ledertasche, die ihm der Mann, der neben ihm saß, gerade gegeben hatte, und zog einen säuberlichen Stapel mit grünem Papier heraus. Es war zu einer rechteckigen Form geschnitten und hatte ungefähr die Größe eines Einladungsschreibens. Etwas theatralisch schob er die Zettel über den Tisch, sodass die Männer sich selbst bedienen konnten. »Dies ist der frisch geprägte Hundert-Dollar-Schein der Federal Reserve.«
Zusammen mit einigen Adjutanten hatte Bell an der Wand der Kabine gestanden. Sein Desinteresse verflog nun schlagartig, und er griff einem ihm unbekannten Bankier über die Schulter, um sich einen der Scheine zu nehmen. Er spürte, wie sich die Motorjacht vom Dock der Washingtoner Marinewerft entfernte und in die träge Strömung des Anacostia Rivers eintauchte, kurz vor dessen Mündung in den Potomac. Außerhalb der Reihe abgeschrägter Glasfenster und an der Reling der Motorjacht vorbei zogen in stiller Majestät die massiven Backsteingebäude einer der bedeutendsten Militärwerften der Nation vorüber.
Bell wandte seine Aufmerksamkeit dem Hundert-Dollar-Schein zu, der mehr oder weniger den Monatslohn eines durchschnittlichen Arbeiters darstellte. Der Schein war mit dunkelgrüner Tinte gedruckt und kunstvoll gestaltet. Es dauerte einen Augenblick, bis er erkannte, dass das Profil der Gestalt in der Mitte des Scheins niemand anderen als Benjamin Franklin zeigte, den vielleicht klügsten und am meisten vorausschauenden der Gründerväter. Rechts davon befand sich ein roter Schriftzug, der von einem lateinischen Satz umgeben war, den Bells Schuljungenlatein grob als »Siegel des Finanzministeriums von Nordamerika« übersetzte. Die Rückseite des Scheins war in einem helleren Grün gedruckt und zeigte Figuren, die in Gewänder der griechischen oder römischen Mythologie gekleidet waren. Das Papier und die Tinte hatten eine eigentümliche Beschaffenheit, die Bell noch nie zuvor gespürt hatte. Fasst sich sehr gut an, dachte er.
Einige der Bankiers fragten ihre Nachbarn, ob sie das Tableau auf der Rückseite des Geldscheins verstanden, und Wilson registrierte die Atmosphäre in dem ganzen Raum sehr genau. »Mir wurde gesagt, dass diese Figuren für Arbeit, Handel, Reichtum und Frieden stehen. Die Figur in der Mitte dagegen soll die USA repräsentieren. Für meinen Geschmack etwas zu ausgefallen, aber was gilt schon die Meinung eines Präsidenten?«
Das brachte Wilson erneut einige Lacher ein. Der Mann unmittelbar rechts neben ihm war William McAdoo, Finanzminister und seit Anfang des Jahres auch der Schwiegersohn des Präsidenten. Er war ein großer, hagerer Mann mit einem Gesicht, das an einen bartlosen Abraham Lincoln erinnerte. Die Eheschließung hatte einiges Aufsehen verursacht, da er doppelt so alt wie Eleanor Wilson und zudem ein hochrangiges Mitglied der Regierung war. Aber die Wogen hatten sich schon wieder geglättet. »Ich muss darum bitten, dass alle Scheine an mich zurückgegeben werden«, sagte McAdoo jetzt. »Einige davon sind zwar bereits verschickt worden, aber wir versuchen, das Aussehen noch so lange geheim zu halten, bis sie endgültig in...
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