Schweitzer Fachinformationen
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Eine Frau lädt einen berühmten Maler in ihr Haus in einer abgelegenen Küstenregion ein. Es ist ein erdrückend heißer Sommer, und sie hofft, sein künstlerischer Blick werde das Geheimnis ihres Lebens und ihrer Landschaft lüften. Nur kommt es ganz anders. Denn nicht nur weigert er sich, sie zu malen, er meidet sie geradezu, scheint sie regelrecht vorzuführen in ihrer Bedürftigkeit. Und verbündet sich unterdessen mit ihrem Mann, und nähert er sich nicht auch ihrer Tochter an? (Deren Schönheit und Jugend sie nicht gleichgültig lassen.) Was soll sie tun? Sich kampflos ergeben? Oder versuchen, auch gegen ihre zum Leben erwachten Dämonen anzukämpfen und ihren Willen durchzusetzen?
Der andere Ort ist ein atmosphärisch hoch entzündliches Kammerspiel. Rachel Cusk erzählt darin von weiblichem Schicksal und männlichem Privileg, von der dramatischen Geometrie menschlicher Beziehungen und von Kunst, die uns retten - oder zerstören kann.
Ich habe dir einmal erzählt, Jeffers, wie ich in einem Zug ab Paris den Teufel getroffen habe und wie nach dieser Begegnung das Böse, das für gewöhnlich ungestört unter der Oberfläche der Dinge schlummert, sich erhob und über jeden Bereich meines Lebens ergoss. Es war wie eine Verseuchung, Jeffers: Es hat alles erreicht und verdorben. Wie viele Bereiche das Leben hat, wurde mir wohl erst klar, als jeder einzelne davon seine Verderblichkeit offenbarte. Ja, du hast es immer gewusst, du hast darüber geschrieben, auch wenn die Leute nichts davon hören wollten und es ermüdend fanden, sich dem auszusetzen, was falsch und schlecht ist. Trotzdem hast du nicht aufgegeben und für jene, bei denen etwas schiefging, eine Zuflucht erschaffen. Und irgendwas geht immer schief!
Angst ist eine Gewohnheit wie jede andere, und Gewohnheiten töten ab, was für uns wesentlich ist. Aus meinen Jahren der Angst ist mir ein Gefühl von Leere geblieben. Ich lebte in der ständigen Erwartung, etwas könnte mich anspringen; ich fürchtete, den Teufel lachen zu hören wie damals an dem Tag, als er mich auf und ab durch den Zug verfolgte. Der Nachmittag war sehr heiß, und weil die Waggons so voll waren, glaubte ich, ich könnte ihm entkommen, indem ich einfach aufstand und mich woanders hinsetzte. Aber jedes Mal, wenn ich den Platz gewechselt hatte, saß er mir schon nach wenigen Minuten wieder hingefläzt gegenüber und lachte. Was wollte er von mir, Jeffers? Er sah entsetzlich fahl und aufgedunsen aus und hatte blutunterlaufene, gallegelbe Augen. Beim Lachen entblößte er seine dreckigen Zähne, einer genau in der Mitte war komplett schwarz. Er trug Ohrringe und seine lächerliche Kleidung war fleckig von dem Schweiß, der aus seinen Poren strömte. Je mehr er schwitzte, desto mehr lachte er! Und er redete pausenlos in einer Sprache, die ich nicht erkannte, aber es war laut und klang nach Fluchen. Man konnte es nicht einfach ignorieren, und doch taten die anderen Passagiere genau das. Er hatte ein Mädchen dabei, Jeffers, ein schockierend junges Ding, fast noch Kind, angemalt und kaum bekleidet. Sie saß mit geöffneten Lippen und dem weichen Blick eines stummen Tiers auf seinem Schoß, während er sie streichelte, und niemand sagte oder tat etwas dagegen. Stimmte es, war ich von allen Reisenden diejenige, die es am ehesten versuchen würde? Wollte er mich dazu bringen, war er mir deswegen durch die Waggons gefolgt? Aber ich war ja nicht einmal in meinem Land, sondern nur auf der Durchreise; ich war auf dem Rückweg in ein Zuhause, an das ich mit heimlichem Grauen dachte, deshalb war es wohl kaum an mir, ihn aufzuhalten. Es ist so leicht, sich ausgerechnet in dem Moment zu sagen, man zähle nicht, wenn die moralische Verpflichtung als Individuum sich offen zeigt. Hätte ich mich ihm widersetzt, wäre alles, was danach kam, vielleicht nie passiert. Doch ausnahmsweise dachte ich: Soll jemand anderes sich darum kümmern! Und so verlieren wir die Kontrolle über unser Schicksal.
Mein Mann Tony sagt manchmal, ich unterschätze meine Macht, und ich frage mich, ob zu leben für mich deswegen riskanter ist, so gefährlich wie für einen Menschen, der keinen Schmerz empfinden kann. Ich habe mir oft gedacht, dass gewisse Personen die Lehren des Lebens einfach nicht annehmen können oder wollen und dass sie für die anderen entweder ein Ärgernis sind oder ein Geschenk. Was sie auslösen, könnte man eine Störung nennen, oder auch eine Veränderung - entscheidend ist, dass sie etwas anstoßen, auch ohne es zu beabsichtigen oder zu wollen. Ständig stiften sie Unruhe, sie widersprechen, stören den Status quo und können es einfach nicht lassen. An sich sind sie, das darf man nicht vergessen, weder gut noch schlecht, aber wenn sie damit konfrontiert werden, können sie das Gute durchaus vom Schlechten unterscheiden. Ist das der Grund, warum in unserer Welt das Gute und das Schlechte Seite an Seite gedeihen können, Jeffers? Weil gewisse Menschen verhindern, dass das eine die Oberhand über das andere gewinnt? An dem Tag im Zug hatte ich beschlossen, so zu tun, als wäre ich keiner dieser Menschen, denn auf einmal erschien mir das Leben dort drüben hinter den Büchern und Zeitungen, die die Leute sich vors Gesicht hielten, um den Teufel nicht sehen zu müssen, so viel leichter!
Gewiss ist nur, dass sich danach viele Veränderungen ergaben. Um sie zu überstehen, brauchte ich all meine Kraft, meinen Glauben an das Richtige und meine Leidensfähigkeit, und trotzdem hätten sie mich fast umgebracht. Und dann wurde ich niemandem mehr lästig, sogar meine Mutter war eine Zeitlang der Meinung, sie könne mich gut leiden. Schließlich lernte ich Tony kennen und er half mir, mich zu erholen, und nachdem er mir ein friedliches, ruhiges Leben hier draußen auf der Marsch geschenkt hatte, fiel mir nichts Besseres ein, als an der Schönheit und der Ruhe herumzumäkeln und sie zu stören! Du kennst die Geschichte, Jeffers, denn ich habe sie woanders aufgeschrieben; ich erwähne sie nur, damit du siehst, wie sie mit dem zusammenhängt, was ich dir jetzt erzählen möchte. Ich hatte den Eindruck, ohne Immunität wäre die ganze Schönheit zu nichts gut, denn wenn ich sie zerstören konnte, konnte das jeder. Aber was für eine rätselhafte Macht ich auch besitze - sie ist nichts im Vergleich zur Macht der Dummheit. Das war und bleibt meine einzige Erklärung, denn ich hätte die Gelegenheit nutzen und hier draußen in idyllischer, ungestörter Ohnmacht leben können. In der Ilias erwähnt Homer die prächtigen Häuser und Berufe der Männer, die in der Schlacht dahingemetzelt werden, auch ihre extravaganten Rüstungen und ihre handgeschmiedeten Streitwagen und Schilde vergisst er nicht. Das schöne Kultivieren und Bauen, der ganze Besitz von Schwertern zerhackt und zertrampelt in den Sekunden, die es braucht, eine Ameise zu zertrampeln.
Ich möchte mit dir zu jenem Pariser Vormittag zurückkehren, bevor ich in den Zug mit dem aufgedunsenen, gelbäugigen Teufel stieg, Jeffers; ich möchte, dass du ihn vor Augen hast. Denn du bist ein Moralist, und nur ein Moralist wie du wird verstehen, warum der an jenem Tag gelegte Brand jahrelang weiterschwelen konnte, warum sein Glutkern unentdeckt blieb und sich im Verborgenen nährte, um sich, sobald meine Lebensbedingungen wiederhergestellt waren, an den neuen Umständen zu entzünden und abermals aufzulodern. Gelegt wurde dieser Brand an einem frühen Morgen in Paris, als eine verführerische Dämmerung die blasse Silhouette der Île de la Cité umhüllte und die Luft in jener absoluten Trägheit verharrte, die einem schönen Tag vorausgeht. Der Himmel wurde blau und blauer, grüne Wolken aus frischem Blattwerk standen reglos in der Wärme, Blöcke aus Licht und Schatten zerteilten die Straßen und erinnerten an die ewigen, urzeitlichen Formen, die auf Berghängen liegen und die das Gestein aus sich selbst hervorzubringen scheint. Die Stadt war still und fast menschenleer, als wäre sie selbst menschlich und dürfte sich nur in einem unbeobachteten Moment zeigen. Während der kurzen, heißen Sommernacht hatte ich in meinem Hotelbett wachgelegen, und als ich die Dämmerung zwischen den Vorhängen sah, stand ich auf und ging zum Fluss hinunter. Es erscheint vermessen, wenn nicht gar unsinnig, dir meine Erlebnisse schildern zu wollen, als wären sie von der geringsten Bedeutung, aber zweifellos steht dort unten am Fluss jemand, jetzt in dieser Minute, und begeht wie ich die Sünde zu glauben, alles geschähe aus gutem Grund und der Grund sei sie selbst! Aber ich muss dir meinen Geisteszustand an jenem Morgen vermitteln, meinen erhabenen Glauben an die Möglichkeiten, denn nur so wirst du verstehen, was sich daraus ergab.
Den Abend hatte ich in Begleitung eines berühmten Schriftstellers verbracht, der eigentlich gar nicht so bedeutend war, sondern einfach nur ein Mann mit viel Glück. Ich hatte ihn bei einer Vernissage kennengelernt, und dass er sich so sehr bemüht hatte, mich von dort loszueisen, schmeichelte meiner Eitelkeit. Obwohl ich zu der Zeit jung und wahrscheinlich auch ganz hübsch war, wurde mir nur selten sexuelle Aufmerksamkeit zuteil. Das Problem war meine stumme, hündische Loyalität. Der Schriftsteller war natürlich ein unerträglicher Egomane, ein Lügner noch dazu und nicht mal ein besonders guter; aber ich war für einen Abend allein in Paris, während in der Heimat mein kritischer Mann und mein Kind auf mich warteten, und so durstig nach Liebe, dass ich wohl aus jeder...
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