Schweitzer Fachinformationen
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7. Dezember 1962, Devon
SIEBEN GRÜNDE, NICHT ZU STERBEN:
1. Haut. Nie mehr die Haut seines geliebten Kindes spüren. Nicholas, wenn er im Bett herumkaspert und ich die Nasenspitze an seinem Po reibe. Frieda, die gekitzelt werden muss, um sich lebendig zu fühlen und nach einem reinigenden Lachen zur Ruhe kommt. Meine Haut, wenn sie sich gegen die der beiden stemmt und weiß, dass wir vom selben Fleisch sind for ever and ever in all eternity amen. Oh, niemals wieder ihren pochenden kräftigen Puls spüren zu dürfen, den ich hervorgebracht habe. Niemals kann ich aufhören für sie zu leben, sosehr sie auch gleichzeitig Teds Haut in sich haben, Teds Schlangenhaut, er, der das Maul öffnet und die Beute ganz in seinen Schlund presst, bis man erstickt.
2. Zeit. Ich will meine Kinder aufwachsen und Schrammen an den Knien bekommen sehen, wenn sie Rad fahren lernen, ich will die Schlinge von meinem Hals ziehen und ihm ins Gesicht lachen wenn er bereits (und sehr einsam, Schlangen sind pathologisch selbstbezogen) auf dem Weg zu seiner nächsten Beute ist und ich damit beschäftigt bin zu leben. Ich will an einem Lolli lecken und spüren, wie sich Zucker und Zeit in mir auflösen, ich will an einem Sommertag mit einem Kaffee in der Hand aufwachen und dem Drang, mir die Seele aus dem Leib zu schreiben bis die Zeit ebenfalls stehenbleibt und konserviert wird und wie Meerwasser abrinnt und mir vergibt. Zeit, ich will, dass du mir vergibst. Ich will außerdem erleben, wie die Zeit alles so verdammt vergebungsvoll werden lässt, wie sie Erdbeeren dazu bringt ein weiteres Mal herauszuploppen (obwohl der Tod so gegenwärtig ist, Verwesung das Nächste), den Menschen dazu bringt auf seinem Kopfkissen aufzuwachen und sich ein weiteres Mal einzubilden, alles sei gut.
Gott, ich fühle mich so gut, jetzt da ich sterben werde. Ich sehe alles klarer denn je zuvor. Ich sollte immer leben, um zu sterben es ist wie Heroin, wie der Kick, seinem einstigen Geliebten dabei zuzusehen, wie ihm der Sauerstoff ausgeht, weil er sämtliche ihn in seiner Rüstung umgebende Luft verbraucht hat. Schlangenhaut wirft man ab, die Haut verbleicht wie ein vergessener Fetzen an einem englischen Strand. Lieber verbrenne ich stattdessen, ich bin überzeugt von der Vortrefflichkeit des Feuers als Vergleich für mein eigenes Leben. Oh, Feuer, das nicht mit offenen Armen empfangen werden konnte. Oh, Schrecken, als das Feuer das Geschreibsel eines lebenden Mannes erfasste, welches er fälschlicherweise für Nobelpreismaterial hält. Ich sage euch, man wird meiner in Zukunft gedenken. Also brauche ich weder Haut zu sein noch Zeit noch junge Sechziger, weil die Zeit in Ich umgewandelt werden wird, aber ohne mein Zutun. Makellos, wie ein vollkommenes Wort auf der leuchtenden Seite eines Poesiebands. Ted wird meine Buchseiten waschen, wie ich sein hässliches Hemd gewaschen habe. Er selbst wird verschrumpeln wie ein Fallapfel im Herbstlaub. Einer der Japanischen Wildäpfel, die wir hier haben.
3. Nie mehr ficken, den heißen Pfahl spüren, wenn er in mein Fleisch stößt und mich in Tier und Auslöschung verwandelt. Hätte jemand Lust mich täglich zu vögeln, bräuchte ich nicht zu sterben, haha. Zitiert mich nicht damit, aber zeigt es gern meiner Mutter, dem ungevögeltsten Menschen aller Zeiten (und daher so bitter, so trocken, so banal zu durchschauen, wie ein Glas Wasser, meine Mutter ist ein Glas Wasser, lebensnotwendig, aber so sterbenslangweilig und geschmacklos vorhersehbar und die mich so todesverachtend gemacht hat, so hasserfüllt gegenüber anderen Frauen, wo doch Frauen diejenigen sind, die mir eventuell helfen könnten, sie hat mir ein Gefühl eingegeben, als bräuchte ich kein Wasser, als sei ich jenseits von Wasser, ich bin kein wasserbedürftiges Wesen kein Säugetier, ich stehe über euch ganz gewöhnlichen tödlichen Wasserdurstigen, ich hasse Wasser, verschont mich mit meinem täglichen Glas Wasser!).
4. Es ihm GÖNNEN. Ihm gönnen, dass ich sterbe und all seine Prophezeiungen in Erfüllung gehen. »Es wäre leichter, wenn du tot wärst«, wie er mir im Sommer ins Gesicht spie, um den nötigen Mut aufzubringen mich zu verlassen. »Du und dein Todesstrahl, du hast einen ganz besonderen Biss für den Tod« - sein ständiges Gejammer, ich würde alles töten. Will es ihm nicht gönnen. Will in der Mitte des Rings stehen und leuchten und lebendig sein. Wenn nicht ich in meinem Leben, wer dann? Will ihm die Geschichte meines Lebens nicht gönnen. Damit er deklamieren kann: Ja, Kinder, eure Mutter war ein besonderer Mensch, es ging ihr nicht immer gut, sie hat das Leben geliebt, wenn es wie Gold auf sie zugeströmt ist, aber zum Leben gehören auch harte Kanten und Kälte und Bazillen im März und Ebbe im Portemonnaie. Wir müssen ihr Andenken ehren, Kinder, wir müssen ihre Geschichten erzählen und jedes Frühjahr, wenn die Osterglocken aus der Erde sprießen, müssen wir ihr zu Ehren einen Strauß pflücken. Die Stimme eurer Mutter Sylvia war dumpf und stark, hat es aber nie aus ihrem Körper hinaus und auf eine Buchseite geschafft, deshalb wollte eure Mutter ihren Körper abschalten und nur den Geist weiterleben lassen. Was sie für die Nachwelt geschrieben hat, war ihr mehr wert als das Leben mit uns. Bla, bla. Ekelhaft! Ich will ihm die besten Kuchenstücke meines Lebens nicht gönnen. Dass Olwyn seine große Schwester sich mit ihren Eisenbeinen und verschränkten Armen hinstellt und behauptet: Ja ja, hab ich's doch gleich gesagt, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, mit dieser Frau kommst du nicht weit Ted, ihre fragile Stärke, ihr Trauerschleier vor dem Gesicht, der sich so verlockend leicht mit einem Sarkasmus wegziehen lässt, durch den ihr gesamtes Selbstbild zum Bröckeln gebracht wird, das breite Lächeln sich in ein Grinsen verwandelt. Ein kleines Fan-Girl, Ted, ein Püppchen, eine schwache Amerikanerin mit Zellophan ums Herz, die behältst du eine Weile, dann zerfällt sie wie Zucker im Regen. Glaub mir!
Und er wird auf seine Schwester hören und erstarken und denken Ja ich war ein Schwachkopf, dass ich versucht habe sie zu lieben, denn sie war unmöglich zu lieben.
Wo doch in Wahrheit sein Zuhause dasjenige ist, in dem es keinen Platz für die Liebe gibt. In seinem Zuhause, da wo er herkommt, da arbeitet man und beißt die Zähne zusammen, da spielen Geist und Ästhetik und die Art wie man miteinander umgeht KEINE ROLLE, in seinem Zuhause gibt es keine Kultur, keine Verfeinerung, keine Veredlung, dort ist man grob und derb und schlecht erzogen und was kann ich dafür, dass ich jemand war, der lieben konnte und schön sein konnte und in sein Haus kam, sein Zuhause, sein England, sein ungehobeltes Kohle-Erbe mit Dreck auf der Kleidung.
Ich wollte teilen, was ich hatte, meinen Wit meine Fähigkeiten mein Talent für Worte und für Dinge, die man sieht. Beobachtungen. Aber wisst ihr, die Welt will keine hübschen fleißigen Mädchen, die aus Gold gemacht sind. Die Welt erträgt sie nicht. Die Welt will harte boshafte Olwynmädchen, solche, die nicht von Männern geliebt werden, die geboren wurden, um allein zurechtzukommen, europäische Nachkriegsfrauen, die wissen, was es heißt ranzuklotzen, aber nicht, was es heißt, intellektuell verfeinert zu sein und Mädchen auf dem Smith zu unterrichten und in der Freizeit erstaunlich hübsche Gedichte zu verfassen. Sie sind neidisch auf mich, oh, so neidisch auf solche wie mich, und trotzdem gewinnen am Ende sie - gewinnen sie das Leben, obwohl sie selbst niemals einem Mann Kinder gebären und die königliche Linie weiterführen, niemals ihre Beine auf der Pritsche aufreißen und glühendes Magma in die Welt pressen werden. Sie wird einen Dreck opfern, Olwyn, denn sie wird niemals brennen. Sie wird dastehen und die Zähne zusammenbeißen und immer weiter zusammenbeißen und das Leben durch sich hindurchfegen lassen, bis sie stirbt. Sie wird niemals selbst ins Leben treten und es umformen, es diktieren, in schöne Formen gießen, ihm neue Kinder schenken. Auf diese Weise braucht sie auch nicht zu spüren, wie die Welt ihre Kraft ihre vernichtende Schönheit ihr Genie nicht erträgt. Sie wird lachen über meinen Tod, sie wird seufzen über meinen Tod, sie wird mich auch beneiden um meinen Tod, denn ha, so mutig wird sie niemals sein!
5. Das Meer, und die Steine. Im zarten Nachmittagslicht in Winthrop Steine für meinen Vater sammeln, sieben Jahre alt sein und erleben, wie die Natur, die ich für ihn finde, uns stärker verbindet als alles andere auf der Welt. Uns allein ist es überlassen, die Mysterien, die ich ihm schenke, zu entdecken und zu hegen, wie die eigenen Geheimnisse des Herzens. Das Meer leckt an meinen braunen Beinen und es riecht nach wütendem Salz und...
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