Kapitel 2
Cayden
Die süße dunkelhaarige Frau zieht ihren Ausschnitt nach unten und drückt mir einen Kuss auf den Hals. Ich hasse es, wenn sie anhänglich werden. Deshalb schiebe ich sie sanft, aber bestimmt von mir. Allein der gierige Blick, den sie mir zuwirft und mich so praktisch um eine zweite Runde anbettelt, sorgt dafür, dass sich auch der letzte Rest meiner Lust in Luft auflöst.
Die zweite Schönheit, die an meinem anderen Arm hängt, kichert. Wow. Hätte ich nicht eigentlich ahnen müssen, dass die Chance darauf, dass diese Weibchen an mir kleben, als wäre ich ihr neues Lieblingsspielzeug, groß ist? Aber was habe ich erwartet, wenn ich so dumm bin, gleich zwei Frauen flachzulegen? Tja, für diese simple Rechnung hatte ich wohl eindeutig zu viel Whiskey.
Aber hey, ich arbeite hart und ständig. Da brauche ich ab und zu einen kleinen Ausgleich. Und wenn Sport hilft normalerweise. Wenn das nicht reicht, dann lasse ich mich ab und an auch mal dazu hinreißen, ein paar Damen zu beglücken. Besonders, wenn ich einen Deal über mehrere Millionen Dollar vergeige.
Wow. Super. Von wegen ablenken. Hat ja klasse geklappt. Schnell mache ich mich von den Frauen los, springe vom Bett, werfe mir im Eiltempo mein Sakko wieder über und schließe den Gürtel. Das Hemd lasse ich offen. Interessiert mich nicht. Die Ladys starren mir auf die Bauchmuskeln, als hätten sie nicht schon genug Gelegenheit dazu gehabt. Die hatten sie eindeutig, immerhin hatte ich gerade Sex mit den beiden. Manchmal ist es wirklich praktisch, dass die Wohnung meines Cousins direkt unter dem Nachtclub liegt, in dem er arbeitet.
Mir erschließt sich nicht mal mehr vollständig, wie ich eigentlich hier gelandet bin. Oder was ich mir dabei gedacht habe. Habe ich wirklich geglaubt, mich so ablenken zu können?
Klasse Idee, Cayden!
Dabei wollte ich in den Club, um bei Joey an der Bar abzuhängen. Stattdessen habe ich zwei aufdringliche Weibchen mit in sein Apartment geschleppt. Ups.
Das war sicher nicht der Grund dafür, dass Joey mir für Notfälle seinen Schlüssel gegeben hat. Aber immerhin habe ich die Bude für ihn gekauft, von daher wird er sich schon nicht zu sehr darüber aufregen. Vielleicht sollte ich trotzdem so freundlich sein, ihn vorzuwarnen? Keine Ahnung!
So oder so, geklappt hat mein Ablenkungsmanöver ja eh nicht. Also wird es höchste Zeit, wieder zu meinem ursprünglichen Plan zurückzukehren und mir aus der Nähe anzusehen, wie es so ist, das schwarze Schaf der Familie zu sein. Wenn ich noch ein, zwei so große Deals in den Sand setze, kann ich vermutlich mit Joey gemeinsam Bier zapfen und mit mittelmäßig attraktiven Frauen für Trinkgeld flirten.
Ein eisiger Schauer jagt mir über den Rücken. Nein. So weit wird es nicht kommen. Immerhin bin ich gut in meinem Job, verdammt gut. Dafür habe ich genug investiert und alles gelernt, was ich lernen musste.
Jeden Tag habe ich ein weiteres Stück von mir aufgegeben, bin stattdessen in die Rolle des souveränen Bosses hineingewachsen, bloß um doch »nur« Mums Investmentfirma zu bekommen, während der tolle, vorbildliche Nixon Dads Imperium übernehmen durfte. Es ist nicht so, dass ich Mums Firma nicht lieben würde, echt nicht, Finanzen waren schon immer mein Ding, und Crane Investment vertritt Werte, die mir persönlich näher liegen als die von Franklin Finance.
Ja, wir haben nicht nur jeweils eins der konkurrierenden Unternehmen übernommen, sondern jeder auch den Nachnamen des entsprechenden Elternteils bekommen, und damit war quasi von Anfang an klar, wer meines Vaters Lieblingssohn ist. Dass sein Liebling aktuell im Silicon Valley rumhängt und Start-ups kauft wie eine ausgehungerte neunköpfige Familie Snacks im Supermarkt, interessiert mich überhaupt nicht. Auch nicht, dass er dabei mein vielversprechendstes Investment aufgekauft hat, obwohl er wusste, dass ich bereits in Verhandlungen mit den Eigentümern bin. Ist mir egal. Echt.
Klar, deshalb bist du zu Joey geflüchtet, wie früher, wenn Nix gemein zu dir war. Total logisch, Cayden.
Schnell schüttele ich den Kopf, um den Gedanken loszuwerden, und spüre parallel, dass die Wirkung des Whiskeys einsetzt. Ja, das ist besser als der Versuch, mich mit diesen beiden Frauen abzulenken. Also: Mein nächstes Ziel ist klar. Mehr Whiskey. Trifft sich gut, dass ich sowieso zurück zu Joey in den Club wollte.
»Zieht einfach die Tür zu, wenn ihr geht, Ladys.« Dass die beiden vermutlich protestieren, nehme ich gar nicht mehr wahr. Es wird echt Zeit, dass ich meinen ursprünglichen Plan umsetze, denn immerhin hat diese kleine Abweichung nicht dafür gesorgt, dass ich mich besser fühle.
Du wirst dich erst recht nicht besser fühlen, wenn du dich mit Joey sinnlos zuschüttest, du Idiot!
Als ich durch Joeys Flur auf die Tür zueile, kann ich gerade noch einen Blick in den Spiegel daneben erhaschen. Verdammt, ich hätte mich wohl echt mal wieder rasieren sollen. Kein Wunder, dass ich den Deal nicht fixieren konnte. So hätte ich mir auch nicht über den Weg getraut. Das offen stehende Hemd macht den Anblick nicht besser. Hab ich da Lippenstift am Kragen? Ehe ich genauer hinsehen kann, bin ich schon durch die Tür. Ist sowieso egal. Heute habe ich keine Pläne mehr, bei denen mich meine Optik interessieren würde. Wenn ich bei Joey an der Bar rumhänge, ist es vollkommen unwichtig, wie ich aussehe.
Entschlossen steige ich die schmale Treppe hoch und höre die Beats des Nachtclubs bereits, bevor ich das entsprechende Stockwerk erreiche. Warum Hank seinen Club hier eröffnet hat? Keine Ahnung, aber da er Joey beschäftigt, mache ich mir auch möglichst wenig Gedanken darum. Vermutlich liegt es daran, dass dieses Viertel sowieso nicht den besten Ruf hat. Dazu trägt Hank allerdings wohl seinen Teil bei. Soll mir recht sein, solange mein Cousin endlich einen Job hat, den er auch behalten kann.
Schon als ich einen Schritt in den Club mache, bin ich praktisch taub. Höllisch laut hier. Wie halten die Angestellten das nur aus? Ach egal, Hauptsache Whiskey! Ich wende mich zur Bar, begegne aber dummerweise Hanks Blick. Verdammt. Vorhin habe ich ihn hier nicht gesehen, und dass er heute aktiv mitten in der Menge steht, hat Joey gar nicht erwähnt. Mist! Wenn ich Glück habe, hat er mich gar nicht bewusst wahrgenommen, dann kann ich einfach .
»Crane! Wie schön, dass du meine bescheidene Hütte besuchst!«
Fuck! Ich halte in der Bewegung inne, hole tief Luft und fahre mir mit einer Hand durch die Haare. Eine alte Angewohnheit, die ich üblicherweise mittlerweile unterdrücke, weil sie absolut nicht zu meiner seriösen Fassade passt.
Komm schon, Cayden! Reiß dich zusammen!
»Hey Hank, Buddy.« In einer großen, ausholenden Geste klopfe ich dem Betreiber des Nachtclubs auf die Schulter und setze mein bestes Business-Lächeln auf.
»Was verschafft mir die Ehre?« Hank lacht und entblößt dabei einen peinlichen Goldzahn, der mit der dicken Kette um seinen Hals um die Wette blitzt. Der Typ sieht schon aus wie ein klassischer Zuhälter, wahrscheinlich liege ich mit dem Gedanken gar nicht mal so falsch. Hank ist . geschäftstüchtig. Die Möglichkeit, dass er absolut jeden Umsatz mitnimmt, ist also nicht unbedingt abwegig.
»Bin auf der Suche nach Joey«, sage ich, was bescheuert ist, weil mein Cousin in diesem Club in der Regel an relativ wenigen Orten zu finden ist. Entweder steht er hinter der Bar, oder er hängt in der Nähe der Toiletten herum. Was genau er da treibt, frage ich ihn besser nicht.
»Bar«, bestätigt Hank und deutet in die entsprechende Richtung. Ich nicke und will gerade an dem Clubbesitzer vorbeigehen, um nicht doch noch in ein unangenehmes Gespräch verwickelt zu werden, da hält Hank mich auf.
»Du wirst wohl nicht beim Pöbel am Tresen abhängen wollen, Cayden?« Eigentlich habe ich genau das vor. Ganz besonders, wenn er das so ausspricht. Die Art, wie er über den Großteil seiner Gäste spricht, gefällt mir nicht. Und ich hasse diesen lahmen, abgeschotteten VIP-Bereich. Gut, da fliegen einem immerhin nicht die Ohren weg, aber ich bin ja eigentlich wegen Joey hier und nicht, um Hanks Kasse klingeln zu lassen. Außerdem hatte ich heute schon genug reiche Säcke um mich herum, die sich gegenseitig mit ihrem Prunk übertrumpfen, da brauche ich nicht auch noch die anderen Gestalten, die üblicherweise in Hanks VIP-Lounge abhängen.
»Hab heute eine echt niedliche Kellnerin da, wenn du willst .«
Wow. Okay. Habe ich gerade noch vermutet, dass Hank seine Mädchen verkauft, bietet er sie mir jetzt an wie ein Marktschreier. Schnell schüttele ich den Kopf.
»Danke, nein.« Wie kommt der überhaupt darauf, mir das anzubieten? Sehe ich aus, als müsste ich für Sex bezahlen?
»Bist für heute schon bedient, was?« Hank lacht und klopft mir auf die Schulter. Woher .? Ach verdammt, der blöde Lippenstift. Ob ich den schnell aus dem Kragen waschen kann? Vermutlich nicht. Gezwungen erwidere ich sein Lachen.
»Werden wir sehen. Ich würde mich natürlich nicht wehren, wenn sich noch was ergibt.« Bemüht lässig schiebe ich die Hände in die Hosentaschen und zucke mit den Schultern. »Aber erst mal besuche ich Joey. Also .« Ich bin gerade dabei, mich zur Bar zu wenden, doch Hank hat mich schon wieder am Ellbogen gepackt und schiebt mich energisch in Richtung VIP-Lounge.
»Joey hat in einer halben Stunde sowieso Pause, dann schicke ich ihn nach hinten«, erklärt Hank. Also gebe ich mich seufzend geschlagen. Da drinnen kann ich mich wenigstens mit...