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Das Telefon und die Türklingel läuteten gleichzeitig in der Wohnung der Amhearsts und lösten so Aktionen aus, die Reed vergnügt an Theaterstücke wie You Can't Take It With You denken ließen.
»Das waren noch Zeiten im Theater«, sagte er und erhob sich von der Couch, auf der Kate und er sich einen Cocktail gegönnt hatten.
»Vielleicht«, antwortete Kate und stellte ihr Glas ab. »Ich habe aber das Gefühl, die Griechen haben große Dramen geschrieben, weil sie keine Klingeln brauchten, um ihre Darsteller auf die Bühne zu schicken oder wieder zurückzurufen.«
»Du nimmst die Tür«, sagte Reed, »ich das Telefon.« Er ging durch den Flur zu seinem Arbeitszimmer und nahm den Hörer ab. »Hallo«, sagte er und wünschte, er hätte seinen Martini mitgenommen.
»Hier spricht Miss Tyringham vom Theban«, begrüßte ihn eine kultivierte Frauenstimme. »Könnte ich bitte Mrs Reed Amhearst sprechen?«
»Und hier spricht Mr Amhearst von Kaufman und Hart«, hätte Reed am liebsten gespöttelt. Er hörte Kate an der Wohnungstür. »Großer Gott«, sagte sie mit einem erstaunten Unterton, der nichts Gutes ahnen ließ. »Also, komm erst einmal herein und lass uns darüber reden.«
»Bitte bleiben Sie einen Moment am Apparat«, sagte Reed. »Ich sehe nach, ob sie da ist.«
»Danke. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie um diese Zeit störe, aber es handelt sich um etwas recht Wichtiges. Mrs Amhearst hieß doch mit Mädchennamen Kate Fansler, nicht wahr? Früher, auf dem Theban.«
Hieß, heißt und wird immer heißen, dachte Reed zufrieden. »Ja«, antwortete er. »Warten Sie einen Augenblick.« Er ging so vorsichtig zum Wohnzimmer zurück, wie eine Katze an einen Ort zurückkehren würde, wo unbekannte, vielleicht sogar gefährliche Wesen eingedrungen waren.
Er sah, wie Kate sich einen neuen Martini mixte - was eindeutig ein schlechtes Zeichen war; schließlich behauptete sie stets, wenn Reed ihn mixte, schmecke er wie Nektar, bei ihr dagegen würde nur giftiges Haarwasser daraus. Auf der Couch saß zusammengesunken und den Kopf in den Händen vergraben ein langhaariges junges Wesen, dessen männliches Geschlecht an einem Bart zu erkennen war und an der Tatsache, dass er sich nach Kurzem erhob, als erinnerte er sich dunkel an eine Zeit, in der man ihm die Umgangsformen einer versunkenen Welt beigebracht hatte. Auf der Flucht, dachte Reed. Hoffentlich Kaufman und Hart und nicht Sophokles.
»Reed«, sagte Kate, »ich möchte dir John Megareus Fansler vorstellen; Jack nennen ihn seine Freunde.«
»Von denen er sicherlich eine Menge hat«, sagte Reed und gab ihm die Hand.
»Ein Neffe?«, fragte Reed. »Verwandt mit deinem anderen Neffen, dem Leo? Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennengelernt.«
»Nein, habt ihr nicht«, sagte Kate. »Er ist nicht aufgekreuzt bei diesem ungeheuren Empfang, den die Fanslers für die Frischvermählten gegeben haben. Kluger Junge.«
Jack lächelte. »Leo hat mir erzählt, dass es ein ziemlicher Mist war«, sagte er, »bis auf das Essen. Ted, der erst zwölf ist, nimmt nie etwas anderes zur Kenntnis außer dem Essen. Ja, ja, meine Brüder.«
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Reed und beugte sich zur Martinikaraffe. »Bier vielleicht, oder einen Sherry?«
Jack schüttelte den Kopf. »Ich trinke nicht«, sagte er. »Ich möchte nichts.«
»Ich vergesse immer wieder, dass deine Generation ja nicht trinkt«, sagte Reed. »Meine sollte es eigentlich auch nicht«, fügte er hinzu und schaute hoch. »Jetzt habe ich doch die beeindruckende Lady am Telefon vergessen, die nach der ehemaligen Kate Fansler gefragt hat. Sie ist wahrscheinlich zu dem Schluss gekommen, dass du es nicht mehr bist, und hat aufgelegt.«
Als Kate jedoch den Hörer nahm, war Miss Tyringham noch am Apparat. Kate entschuldigte sich.
»Bitte entschuldigen Sie, dass ich zu dieser Zeit störe«, sagte Miss Tyringham. »Ich rufe auf Empfehlung von Julia Stratemayer an. Hat Ihr Mann Ihnen schon gesagt, dass hier Miss Tyringham, die Direktorin des Theban, spricht?«
Bei dem Wort »Theban« schossen Kate plötzlich eine ganze Reihe von Erinnerungen durch den Kopf, so wie es angeblich Menschen geht, die gerade ertrinken: das Singen zu Beginn des Schuljahres, die Fahrstühle, in denen man nicht reden sollte, die tiefschürfenden Gespräche über Sex, die auf dem Klo stattfanden, das Schlangestehen in der Cafeteria, und wie sie ihre Eltern überredet hatte, sie nicht in ein Internat zu schicken. »Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet«, fuhr Miss Tyringham fort.
»Nein, aber ich höre von Julia Stratemayer, dass Sie in diesen schwierigen Zeiten hervorragende Arbeit leisten.«
»Wir tun unser Bestes, aber leicht ist es nicht. Man weiß nie, was als Nächstes kommt: Alle Mädchen in langen Hosen oder Sandalen oder barfuß, oder sie wollen wegen des Krieges die Schule schließen. Wir versuchen mit den Ereignissen Schritt zu halten, die aber nicht nacheinander, sondern in wahren Sturzfluten über uns hereinbrechen. Julia leistet hervorragende Arbeit bei der Lehrplanreform.«
»Ja, das habe ich gehört«, sagte Kate. Sie fragte sich, worauf dieses Gespräch wohl hinauslaufen mochte. Miss Tyringham war zwar schon zwanzig Jahre an der Schule, aber erst nach Kates Abschluss dorthin gekommen. Sie hatte den Ruf einer ausgezeichneten Schulleiterin, aber für Kate lag - abgesehen von einem flüchtigen Blick in die Zeitung der »Ehemaligen«, bereitwilligen Spenden, wenn sie dazu aufgefordert wurde, und genüsslichen Gesprächen über das Theban mit ihrer Freundin und Klassenkameradin Julia Stratemayer - ihre Schule in einer anderen Welt.
»Ist Julia etwa meinem Anruf zuvorgekommen und hat Ihnen schon alles erzählt?«
»Nein. Was alles?«
»Wir sind in Schwierigkeiten«, sagte Miss Tyringham. »Eine der Änderungen im Lehrplan, die bereits eingeführt worden sind, besagt, dass die Schülerinnen im Abschlusssemester Seminare über selbst gewählte Themen belegen können. Sie haben alle Pflichtfächer schon abgeschlossen, und wir versuchen zu vermeiden, dass das letzte Semester enttäuschend und langweilig wird, zumal die Arbeit dieses Semesters für die Zulassung zum College bedeutungslos ist. Sind Sie noch am Apparat?«
»Ja«, sagte Kate. »Ich erinnere mich an die Sache mit dem letzten Semester; obwohl man natürlich zu meiner Zeit so tat, als würde man arbeiten, und eigentlich faulenzte.«
»Ja. Heutzutage tut niemand mehr so als ob, was ich gut finde, wenn ich auch manchmal den Eindruck habe, dass das ständige Ausleben von Emotionen zum Selbstzweck wird. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Eines der Seminare des Abschlusssemesters beschäftigt sich mit der Antigone von Sophokles und möglichen Bezügen zur heutigen Zeit.«
»Nun, das klingt jedenfalls wunderbar akademisch und belanglos.«
»Nur auf den ersten Blick. Sehen Sie, Antigone steht für Liebe contra Tyrannei, für die Bewegungsfreiheit der Frau in einer männerbestimmten Welt, für die Auseinandersetzung der Jugend mit dem Alter. Ich kann verstehen, dass George Eliot von der Antigone besonders fasziniert war, und vielleicht ist Julia Stratemayer gerade deshalb auf Sie gekommen.«
»Es freut mich, dass jemand über George Eliot auf mich kommt«, sagte Kate, »aber ich fürchte, irgendwie verstehe ich nicht .«
»Natürlich nicht; ich bin schrecklich umständlich. Mrs Johnson, die dieses Seminar hätte halten sollen, hat einen Bandscheibenvorfall. Sie muss für Monate flach auf dem Rücken im Streckbett liegen. Und das neue Semester beginnt nächste Woche. Da Julia wusste, wie dringend wir eine besonders engagierte Persönlichkeit brauchen, die dieses Seminar halten kann, schlug sie vor .«
»Aber, Miss Tyringham«, unterbrach Kate, »ich habe mich dieses Jahr beurlauben lassen.«
»Genau, meine Liebe. Wir dachten - oder hofften vielmehr -, dass Sie deshalb Zeit haben. Den Mädchen liegt wirklich sehr viel daran, aber sie brauchen eine Lehrkraft, die nicht nur erfahren ist in der Leitung von Seminaren, sondern auch, wie sie es ausdrücken würden, >up to date<. Leider sind die meisten Altphilologen zwar ausgesprochen firm im Griechischen, schätzen jedoch moderne Interpretationen nicht in dem Maße, wie wir es gern hätten. Mrs Amhearst, wir brauchen ganz dringend Hilfe und appellieren an Ihr Verständnis und Ihr Entgegenkommen. Selbstverständlich gegen Honorar, aber mir ist klar, dass .«
»Geben Sie mir ein paar Tage Bedenkzeit?«, fragte Kate. »Sehen Sie, ich soll eigentlich an einem Buch arbeiten.«
»O ja, ich weiß, Sie sind schrecklich beschäftigt und müssten uns irgendwie einschieben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar wir Ihnen wären. Nein, sagen Sie jetzt noch nichts. Ich werde Mrs Johnson bitten, Ihnen ihre Literaturvorschlagsliste zu schicken. Vielleicht möchten Sie auch mit ihr sprechen? Ich lasse Ihnen ein oder zwei Tage Zeit, sich zu entscheiden. Darf ich Sie übermorgen wieder anrufen, Mrs Amhearst?«
»In Ordnung. Entschuldigen Sie bitte, Miss Tyringham, aber beruflich, und darum geht es hier ja wohl, benutze ich den Namen Kate Fansler. Miss Fansler, falls die Schüler ihre Lehrer überhaupt noch mit dem Nachnamen anreden.«
»Zum Glück ja. Selbstverständlich, meine Liebe. Man möchte gesellschaftlich korrekt sein, aber niemand weiß besser als die Leiterin einer Mädchenschule, wie verwirrend dieser ständige Namenswechsel sein kann in diesen Zeiten häufiger Scheidungen und Zweitehen. Ich möchte mich jetzt...
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