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Gewinnerin des Independent Publishers Award 2019!
Evangelines Leben war perfekt: Sie war glücklich verheiratet und erwartete ihr erstes Kind. Aber dann stirbt ihr Ehemann Eamon kurz vor der Geburt ihres Sohnes. In dieser schweren Zeit ist Eamons bester Freund Dalton ihr rettender Engel. Doch je besser Evangeline mit der Zeit die Trauer verarbeitet, umso weniger kann sie die Gefühle unterdrücken, die sie inzwischen für Dalton entwickelt. Aber können Evangeline und Dalton glücklich werden, ohne Eamon zu verraten?
Während ich schlief, wurde mein Ehemann Eamon im Dienst erschossen. Ich war im neunten Monat schwanger mit unserem Sohn Noah. Wie eine Cashewnuss lag ich mit dickem Bauch bei offenem Fenster in unserem Schlafzimmer, in unserem Sommerbett. Eamon hörte den Notruf über den Polizeifunk - häuslicher Streit. Er war auf dem Heimweg, zurück zu mir, doch dann entschied er sich, kurz am Ort des Geschehens vorbeizuschauen, da er sich zufällig in der Nähe befand. Ich stelle mir vor, wie er dorthin fährt, wie das sanfte, pfirsichfarbene Julimorgenlicht seine letzten Momente erhellt, seinen letzten Herzschlag, seinen letzten Atemzug. Wie das göttliche Strahlen und der unsichtbare Schatten des Todes ihn umgeben. Der sechzehn Jahre alte Junge, der ihn erschoss, war mit seinem Stiefvater in Streit geraten. Der Junge sprang aus dem Fenster seines Schlafzimmers und erschoss Eamon. Eamons Kollege Brian hatte gerade erst den Dienstwagen auf dem Rasen abgestellt. Er überwältigte den Jungen schließlich.
Brian und ein anderer Cop kamen zu unserem Haus und weckten mich. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich in die Küche gegangen bin, wo Dalton mich schließlich fand, zitternd, auf den Boden pissend wie ein Tier. Er kam sofort nach meinem Anruf. Ich kann mich nicht erinnern, ihn angerufen zu haben, doch er erzählte mir, dass ich es getan hatte. Dalton war schon vor Langem von Eamons Eltern adoptiert worden, sie waren Brüder. Brian und der Cop gingen wieder. Dalton wollte mich nicht allein lassen.
Am Sonntag nach der Beerdigung schnitten wir uns beide gemeinsam das Haar.
Finale.
Da Capo. Zurück zum Anfang.
Das ist jetzt sechs Monate her. Noah ist sechs Monate alt. Ein lebender, tickender Zeitmesser dafür, wie lange Eamon fort ist.
Wo kommst du her?, frage ich Noah manchmal. Wo ist dein Daddy?
Doch letzte Nacht.
Da Capo.
*
Dalton und ich haben uns geküsst.
Ich küsste ihn. Ich küsste Dalton.
Er spielte Klavier, und ich saß auf seinem Schoß, das Gesicht ihm zugewandt. Wein, so dunkel wie ein Drachenherz, war im Spiel und strahlend goldener Whiskey. Noch ein wenig mehr, und wir wären betrunken gewesen. Wir warteten an der richtigen Haltestelle, und der Rauschexpress würde uns in fünf Minuten abholen.
Dalton ist ein ausgezeichneter Pianist. Seine Mutter war Konzertpianistin und arbeitete als Klavierlehrerin. Er kann alles spielen. Er spielte mehrere Songs, bevor er sich entschied, das Geklimper am Anfang von »Piano Man« mit herrlich übertriebener Hingabe zu interpretieren, weil er weiß, dass ich das mag, und weil Dalton der geborene Unterhalter ist. Er spielt auf dem Klavier, als versuchte er, auf der Straße Almosen zu sammeln und säße nicht in unserem Wohnzimmer. Nur wir beide, allein. Ich sage unser Wohnzimmer, weil er jetzt mit Noah und mir hier lebt.
Letzte Nacht schneite und schneite und schneite und schneite es, doch davor kam der Frost. Ich hatte Noah zuvor bei meinen Eltern abgeliefert und so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie konnten einige Stunden mit ihrem einzigen Enkel verbringen, und ich konnte ein wenig Freizeit vom Mamasein genießen. Auf dem Heimweg hatte ich einen Platten. Zum Glück fuhr Dalton gerade vorbei, sah mich und wechselte den Reifen. Doch bevor er das tat, brachten wir ein Mädchen namens Cassidy nach Hause, das manchmal ins B's, seinen Fahrradladen, kommt.
Dalton wechselte den Reifen, und wir fuhren nach Hause und machten uns heiße Schokolade. Meine Mutter rief an, um mir zu sagen, dass der Sturm schlimmer werde und ich zu Hause bleiben solle, weil es sicherer für Noah sei, die Nacht bei ihnen zu verbringen. Deal.
Ich fühlte Dalton wegen Cassidy ordentlich auf den Zahn und versuchte herauszufinden, ob er etwas für sie übrighatte. Er verneinte. Ich stellte ihm Fragen, wie es nur eine beste Freundin oder Schwägerin kann, und ich hörte gut zu, sogar wenn ich mir sicher war, dass er mich anlog. Er sagte Nein, aber vielleicht meinte er Ja.
Trauer strahlt ab. Seit Eamons Tod schmerzen meine Knochen vor Traurigkeit. Da ist ein hartnäckiger Fleck schwarzen Tees auf meinem Herzen, auf jedem meiner Organe.
Doch manchmal.
Manchmal, wenn ich mit Dalton zusammen bin, manchmal, wenn Noah mich anstrahlt - mit Eamons Lächeln -, manchmal verschwindet der Teefleck. Obwohl er keine Zeit verliert und nur noch dunkler zurückkehrt, sehne ich mich stets danach, dass er erneut von mir genommen wird. Wie kann ich mich nicht danach sehnen?
Cassidy oder irgendeine andere Frau könnte mir da einen Strich durch die Rechnung machen. Wenn Dalton uns verlässt, wenn Dalton sie liebt. Wenn Dalton sie mehr liebt als mich, mehr als uns. Ja, ich habe ihm auf den Zahn gefühlt. Und später habe ich ihn geküsst. Es war ein besitzergreifender Kuss. Es war ein heißes, tropfendes Wachssiegel. Der Kuss war ein Schloss und ein Schlüssel. Der Kuss war ein quietschendes Tor im Wind.
Anfangs küsste Dalton mich nicht zurück. Er hörte auf, Klavier zu spielen, und sah mich an.
»Evangeline«, sagte er.
Manchmal war ich Evangeline. Evi. Manchmal Leeny oder Evangeleeny. Ich war nie nur E. Eamon war E.
Dalton sagte meinen Namen. Ich sagte nichts.
Ich küsste ihn noch einmal.
Er stellte sich als großartiger Küsser heraus, als er mich schließlich zurückküsste. Sein Kuss war ein Lied. Das Klavier begann, sich mit meinem Rücken selbst zu spielen, mit der Apfelwölbung meines Pos, als Dalton unsere Position veränderte. Adagio, disharmonisch. Ich hatte eine gute klassische Ballettausbildung genossen, unterrichtete winzige Mädchen und Jungen, die nach Babypuder und Haferflocken rochen, doch nein - das hier hatte mit Grazie nichts zu tun.
Ich küsste Dalton Berkeley-Royce in dem Haus, in dem ich mit meinem Ehemann Eamon gelebt hatte. Ich küsste Dalton, meinen Schwager, meinen Freund. Nicht mehr. Ich kannte ihn so lange, wie ich Eamon kannte, denn die beiden bekam man nur im Doppelpack, und jeder wusste das. Daltons Mutter starb, als er in der Mittelstufe war. Danach zogen ihn die Royces zusammen mit Eamon auf. Ich kannte ihre Geschichte, als wäre sie meine eigene. Er war mein Bruder von dem Moment an, in dem ich Eamon heiratete, und nun war Eamon fort. Verschwunden. Tot. Ich war eine Witwe - ein Wort, geisterhaft und leer, ein Wort, das ein Palindrom hätte sein sollen, es aber nicht war, mit diesen beiden Ws, die ihre Arme weit ausbreiteten, um Gnade flehend.
Ich wollte mir Flügel wachsen lassen und in Daltons Mund fliegen, wollte uns beide zerkratzen, wollte in ihm bluten. Tränen über ihn vergießen wie Honig. Noch immer fiel Schnee. Schnee fiel immer noch. Das Haus ruhte. Lavendel-Minz-Whiskey-Küsse. Herzschlagatmen. Klaviersaitenklimpern, langsamer. Langsamer. Nocturne.
Dalton zog sich zurück. Ich nicht. Er legte die Hände auf meine Schultern, rosige Hitze überflutete meine Wangen. Der Kamin knisterte.
»Lass uns erst hierüber reden«, sagte er.
Ich schüttelte den Kopf und küsste ihn noch einmal. Wenn ich die Augen schloss, hörte ich die Glut zischen und sah Funken sprühen.
Zäsur.
Das Telefon klingelte.
Meine Mom. Will sich versichern, dass wir nicht mit dem Auto draußen im Schneesturm unterwegs sind, will sich versichern, dass ich sicher zu Hause bin, wie ich erklärt habe. Ich hatte die paranoide Angst, etwas über das Küssen zu sagen. Dass mir irgendwo zwischendrin das Wort Mund herausrutschen oder ich Daltons Zunge erwähnen würde. Daltons Lippen. Sie waren nicht Eamons. Eamons Lippen waren voller. Er hatte eine Unterlippe, an der ich wochenlang hätte knabbern können. Ich konnte sie noch immer zwischen meinen Zähnen spüren. Eamon war für immer fort, doch er war überall. Wie konnte das passieren? Ich hörte sein Meeresgott-Timbre sogar im Nachklang von Noahs Schreien.
Ich ließ meine Mutter Noah das Telefon ans Ohr halten, damit ich ihm Gute Nacht sagen konnte. Als das Gespräch endete, schlug ich die Hände vors Gesicht und weinte.
»Hey hey hey«, sagte Dalton leise, wie er es immer tat. Als könnte er mich aufhalten, mich auffangen, bevor die Tränen tropften, alles auf Pause stellen, bevor der Regen einsetzte.
Doch das funktionierte nicht.
Es regnete und regnete und regnete, denn das ist es, was ich tue, ich bin gut darin geworden. Regenkönigin.
Ich versuchte, zu Atem zu kommen, doch es gelang mir nicht. Dalton ging in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen, und ich ließ mich an der Wohnzimmerwand zu Boden gleiten und regnete noch mehr.
Dalton ging in die Hocke, um mir näher zu sein, mit seinen langen Beinen, die Knie weit gespreizt.
»Evi, trink das. Ein Glas Wasser. Ich hab Zitrone reingetan. Trink ein wenig, für mich, bitte«, sagte er ruhig. Auch das war etwas, das er immer tat. Vor allem, als ich mich im Dazwischen befand.
Das Dazwischen: Sechzehn Tage lagen zwischen Eamons Tod und Noahs Geburt, als hätten ihre Seelen diese sechzehn Tage zusammen im Himmel verbracht, in einem ätherischen »Boys Club« irgendwo dort, wo ich nicht hinkommen konnte. Sie ruhten sechzehn Takte lang - sechzehn Takte, die zu sechzehn gewaltigen, dunklen Tagen wurden, die sich wie sechzehnhundert endlose Nächte anfühlten - au repos.
In meinem türkisfarbenen Umstandskleid und den tabakfarbenen Cowboystiefeln...
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