Schweitzer Fachinformationen
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New York City, Chinatown. Die frisch verlobte Lola ist mit ihren Kollegen unterwegs und wollte eigentlich nur schnell Zigaretten holen gehen, als sie von einer »zufälligen« Begegnung mit einem Ex-Freund in ihre Vergangenheit katapultiert wird. Am nächsten Abend trifft sie an der gleichen Stelle wieder auf einen Ex-Freund. Und dann auf noch einen. Plötzlich scheint die Stadt überflutet mit den Geistern von vergangenem Herzschmerz. Ist das alles noch Zufall? Eigentlich kümmert Lola das alles nicht mehr, denn sie hat den perfekten Mann gefunden. Oder vielleicht doch nicht? Denn die Begegnungen rühren vergangene Verletzungen auf und lassen sie nicht los, genau wie das Gefühl, dass ihr ehemaliger Chef, nun bester Freund und mittlerweile mystischer Guru, ein zu großes Interesse an dem Ergebnis ihrer Reise in die Vergangenheit haben könnte ...
Gegenüber von unserem Apartment befand sich ein 24-Stunden-Diner namens North Star Canteen. Wobei »Star« nicht ausgeschrieben, sondern durch einen Neonstern ersetzt war, einen Asterisk, der einen nach einer nicht vorhandenen Fußnote suchen ließ. Selbst in tiefster Nacht herrschte in unserer Wohnung ein dämmriger Schimmer. Keinem von uns beiden wäre in den Sinn gekommen, die Wohnungsbesichtigung auf Mitternacht zu legen. Wenn eine Wohnung allerdings mit Hunderten von gläsernen Objekten zugestellt ist, hat es auch seine Vorteile, wenn man sieht, wohin man tappt.
Zwischen gewaltigen Rollen mit Luftpolsterfolie, die wie lässige Schlägertypen an der Wand lehnten, verlief ein schmaler Flur, der vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer führte und von Regalbrettern mit Glaswaren flankiert war. Sie klebten an der Wand wie Pilze an einem Baumstamm. Wir redeten uns ein, das alles sei nur so hoch angebracht und darum schwer abzustauben, damit die Katze nichts umstieß. In Wahrheit befürchteten wir ein Missgeschick von uns selbst. Dort standen von Hand gedrehte Kerzenständer, mundgeblasene Schalen, Sake-Tassen, Tortenständer. Auf dem längsten Regal waren Boots' individuelle Kreationen aufgereiht, die wegen vermeintlicher Mängel nicht auf seiner Webseite zu finden waren.
Es handelte sich um kleine Skulpturen, in sich verschlungen wie Medusenhaar oder zerschmolzen wie tropfendes Kerzenwachs, durchzogen von Blasen und Sprüngen. Sie hatten Beulen, wo sie vom Stab abgeschnitten worden waren, wie hervorstehende Nabelbrüche oder seltsame Verfärbungen durch unvorhergesehene Abkühlungsvorgänge. Es gab einen Satz russischer Matrjoschkas, raffiniert koloriert, die mittlere Puppe am dunkelsten. Aber anscheinend waren die Farbabstufungen nicht ganz wie gewünscht. Beim Glasblasen entschied sich vieles auf der Zielgeraden, wenn das Material sich abkühlte und verfestigte.
Ich mochte es, wie differenziert seine Wahrnehmung in diesem Bereich war.
Ich küsste die Katze auf den Kopf, mein kleines, boshaftes Kätzchen, das unterdessen eine ganz Große war. Ich hatte sie Rocket getauft. Das passte nicht zu ihr, nicht einmal als sie noch ein Katzenbaby war. Sie aalte sich den ganzen Tag in der Sonne wie eine selbstmörderische Nacktschnecke. Sie war unfassbar faul, und ihre größte körperliche Leistung bestand darin, ihre Hinterpfoten in den Himmel zu recken, um leichter an ihren eigenen Anus zu gelangen.
Boots war allergisch gegen Katzen, weswegen ihn ein kaum je versiegender Tränenstrom plagte, aber er hatte sich daran gewöhnt und seinen Frieden damit gemacht. Ebenso wie mit der zahlenmäßigen Überlegenheit seiner pingeligen weiblichen Mitbewohnerinnen, die nach ihren eigenen Regeln lebten und rücksichtlos aus seinem Stoizismus Kapital schlugen. Immerhin hatte er schwere Verdunkelungsrollos im Schlafzimmer angebracht. Selbst er, für den Unbehaglichkeit ein Fremdwort war, hatte zugestimmt, dass etwas wegen der Lichtverhältnisse unternommen werden musste.
»Man muss nur richtig laut Death Metal aufdrehen, dann passt schon alles«, pflegte er zu sagen.
Boots war schon im Bett, als ich über die Dielen knarrte.
»Wie war das Dinner?«, fragte er verschlafen.
Er lag zusammengerollt mit dem Gesicht zur Wand. Dieser Mann gehörte in ein Bett mit California-King-Maßen, nicht in ein schlaffes Doppelbett, das an einem Heizungsrohr klebte. Er wirkte darin irgendwie albern, wie ein Bär auf einem Dreirad. Ich war plötzlich sehr betrunken und musste etwas Festes berühren. Ich zog die Bettdecke zurück, tastete im Dunkeln nach seinem Rücken, und meine Fingerspitzen verharrten auf seinen Muttermalen. Ich und seine Haut führten oft Zwiegespräche. So hatte ich eine ganz eigene Beziehung zu den Sommersprossen auf seinen Schultern, diesen stummen Zeugen einer Kindheit, von der ich kaum etwas wusste. Vadis lasse grüßen, brummte ich, obwohl das gar nicht stimmte.
»Dann Grüße an Vadis zurück. Wie spät ist es?«
»Es ist fast eins.«
»Ach, wirklich? Ich war richtig weggesackt. Kannst du bitte ewig so weitermachen?«
Ich strich mit den Fingern über seinen Arm, streichelte seine Schulter, liebkoste die eine oder andere Brandnarbe. Haarlose Streifen, die im Dämmerlicht rosa schimmerten.
»Ich muss für ein paar Wochen nach San Francisco«, verkündete er. »Ab Montag.«
»Was gibts in San Francisco?«
»Weed. Facebook.«
»Ha ha.«
»Massenhaft Obdachlose aufgrund eines kaputten Gesundheitssystems?«
»Weniger ha ha.«
»Es gibt dort eine Restaurantkette, für die ich vielleicht Weingläser entwerfen kann. Und Salatteller aus Glas, was aus hundert Gründen bescheuert ist, aber es wäre ein großer Auftrag. Ihnen gehören auch ein paar Läden in Vegas.«
»San Francisco«, seufzte ich, als ob ich die Existenz San Franciscos bestreiten würde.
Ich starrte auf seinen Kopf, der in das spärlich durch die Jalousien sickernde Licht getaucht war, fuhr mit den Fingern über seinen Schädel und spürte, wie sein Haar wieder zurück an seinen Platz fiel. Er gab ein lustvolles kleines Stöhnen von sich, war aber offenbar zu müde, dem weiter nachzugehen. Wofür ich ihm dankbar war. Einerseits war die Begegnung mit Amos ein Aphrodisiakum. Andererseits hatte ich begonnen, die Zeiten zu protokollieren, in denen Boots keinen Sex haben wollte, damit ich mich in den Zeiten, in denen ich keinen Sex haben wollte, besser fühlen konnte. Es hatte sich zwischen uns eine respektvolle Ordnung der Dinge herausgebildet, die eher an Kuchenbacken erinnerte (feuchte Zutaten zu den trockenen geben, erhitzen und zudecken) als an Sex. Die Zeiten, in denen wir alle Zutaten einfach wahllos in eine heiße Pfanne geworfen hatten, waren zu schnell passé. Wie war das mit dem Vögeln? Musste uns die Schamesröte ins Gesicht steigen, wenn wir den Fokus auf diesen Aspekt unseres gemeinsamen Lebens lenkten? Ja, musste sie, wenn »das fühlt sich gut an« bereits als Dirty Talk durchging. Wir verwendeten das Wort meistens nur dann, wenn wir es nicht taten. Neulich ertappte ich mich dabei, wie ich ihn in einem Tonfall »hart« nannte, der eher in ein Gespräch über Wasserqualität gepasst hätte.
»Warum so spät?«, fragte er.
»Wir waren nach der Arbeit noch was trinken.«
»War es lustig?«
»Megalustig«, flüsterte ich. »Nichts auf der Welt wird je wieder so lustig sein.«
»Okay«, sagte er. »Nacht, Baby.«
Es war nie schlecht mit Boots, aber ich fragte mich, was für eine Messlatte das für eine Ehe war: eine niedrige oder eine hohe? Wenn ich über unser gemeinsames Leben nachdachte, fühlte es sich meistens bequem und unkompliziert an, wie eine Picknickdecke, die beim Ausbreiten auf Anhieb in die richtige Form fällt. Ein anderes Mal kam es mir vor, als wären wir Geschwister, die bei einem Familienausflug in dasselbe Bett gelegt worden waren. Hauptsache kein Schnarchen und kein Treten. Mehr war nicht verlangt. So konnte ich ihn in meiner Fantasie gelegentlich zu einer Kombination aus allen meinen Verflossenen ummodellieren. Eine Testosteron-Hydra. Wenn er von diesem Kraftakt wüsste, oder noch schlimmer, von den Momenten, in denen ich mir mich als Prostituierte ausmalen musste - und das nicht auf eine lustige Weise -, um mit ihm zu schlafen, wäre das vernichtend.
Gewiss hatte auch Boots seine Zweifel, aber er manövrierte erfolgreich um die Einsicht herum, ich könnte der Grund dafür sein. Vielmehr führte er unsere Momente der Entfremdung auf die gemeinsame Angst vor denselben Göttern zurück. So galten seine Bedenken vor allem logistischen Hürden oder unbequemen, aber notwendigen Kompromissen: Wie würden wir unsere beiden Familien zusammenführen? Würden sich potenzielle Babys auf unseren potenziellen Schlaf auswirken? Was, wenn einer von uns spielsüchtig würde, wir in einen Trailer ziehen und uns von frittierten Grillen und Dosenbier ernähren müssten?
Meine Zweifel waren abstrakter, aber auch bedrohlicher. Ich machte mir Sorgen über den Verrat durch oder an meinen Erinnerungen. Als wäre mein früheres Liebesleben eine Bombe, die nur darauf wartete, hochzugehen, oder, schlimmer noch, als würde sie nie mehr hochgehen. Ich befürchtete, eines Tages aufzuwachen und die Vergangenheit so gut verdrängt zu haben, dass ich mich selbst nicht mehr wiedererkannte. Ich würde in einer verhassten Provinzstadt leben, langsam den Kontakt zu meinen Freunden und dann zum kulturellen Geschehen verlieren, nur noch Bücher lesen, die in Zeitschriften empfohlen wurden, die in Nagelstudios auslagen, die einzige mir bekannte Kunst würde sich auf meinem Smartphone abspielen, und ich würde nur noch Theaterstücke anschauen, die fürs Kino adaptiert waren. Dabei würde ich so tun müssen, als wäre daran nichts verkehrt, denn natürlich war daran auch nichts verkehrt. Zumindest nicht für diese Version meiner selbst. Aber war das tatsächlich der Fluchtpunkt all meiner Liebesdramen und meiner Karriere, war das ihr natürlicher Abschluss? Ein Leben mit palliativem Fernsehen? Wenn ich mich jemals ruhelos und sehnsüchtig fühlen würde, dann müsste Boots ausreichen. Und wenn er das nicht konnte? Dann würde ich ihn mit heimlicher Verachtung bestrafen. Ich wollte mir gar nicht so viele Sorgen machen. Aber mir blieb keine Wahl: Schließlich musste ich mir Sorgen für zwei machen.
Ich schloss die Augen und ließ meine Gedanken an den Rändern verschwimmen. Bald befand ich mich in einem olympischen Schwimmbecken und drehte meine Runden. Männer füllten die Tribüne. Ich kannte sie alle, aber ihre Gesichter blieben schemenhaft. Einige jubelten mir zu, andere...
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