Schweitzer Fachinformationen
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Wenige Minuten später hatte sich die Szenerie auf dem Stadtfest merklich verändert.
Wenn die Gäste an ihren Tischen eben noch ihre Köpfe gesenkt hatten, dann um sich einen leckeren Happen von ihrem Gericht auf dem Teller oder einen guten Schluck aus ihrem Glas zu gönnen.
Jetzt taten sie es mit starrem Blick auf ihre Smartphones.
Doch ihre Gesichter blieben ratlos, offenbar gab es noch keine eindeutigen Informationen.
Die Beobachtung ersparte Rapp oder auch Sylvie, die nach dem Sirenenalarm ebenfalls neugierig geworden war, die Mühe, ihre eigenen Handys hervorzuholen, um schnell mal die Nachrichtenlage zu checken.
Rapp sah sich stattdessen um. Die Daumen und Zeigefinger der Leute huschten flink über ihre Geräte, doch spätestens nach einer halben Minute sah es bei den meisten so aus, als hätten sie vergessen, wie sie damit aufhören sollten, immer weiter ihre Displays zu scrollen.
»Schon merkwürdig, was diese kleinen Telecommander aus uns machen«, bemerkte er zu Sylvie. »Techniksklaven. Die Dinger machen Techniksklaven aus uns.«
Sie parierte den Satz mit einem leichten Seufzen, das mehr zu sehen als zu hören war. Überlagert von den lautstarken Unterhaltungen ringsum und untermalt von der Kindermusik, die vom Karussell herüberwehte.
Plötzlich spürte Rapp ein Rucken der Leine, deren Griff unter seinem rechten Oberschenkel klemmte. Als er den Kopf neigte und unter den Tisch blickte, sah er Honoré sich ächzend erheben und auf seine zittrigen Beine kommen.
Und im nächsten Moment erkannte Rapp auch den Grund dafür. Hinter der Sitzbank war eine winzige Rehpinscherdame aufgetaucht. Sie schob vorwitzig ihre Schnauze - wenn man denn bei dieser Hunderasse überhaupt von einer Schnauze sprechen konnte - dem alten, müde gewordenen Charmeur entgegen, um ihn zu begrüßen. Doch als nacheinander mehrere Fußpaare an der langen Sitzbank vorbeistrebten, umfasste mit einem Mal eine große Männerhand den Bauch der kleinen Hündin und hievte sie hoch wie ein Fischer einen Fang im Netz.
Rapp richtete sich auf, blickte hoch und schaute in das genervte Gesicht eines großen, kräftig gebauten Manns in einem sportlichen Sakko. In das Gesicht von Claude Kehres, der sein Hündchen jetzt sorgsam an seine breite Männerbrust klemmte.
»Ah, Claude, salut, bonjour!« Rapp war nicht überrascht, ihn heute hier anzutreffen, vielmehr, dass sie sich erst jetzt auf dem Stadtfest begegneten. Claude wohnte in Rouffach, früher war er im Ort der Chef der Finanzverwaltung gewesen, Rapp hatte ihn damals gelegentlich um Rat gefragt, etwa wenn bestimmte Fälle einen kniffligen Betrugshintergrund hatten. Hin und wieder trafen sie sich auch heute noch, als Zuschauer bei einem Pétanque-Turnier in der Gegend oder wenn Rapp zur Abwechslung mit Honoré einmal wieder zur »Avenue de la merde« fuhr, wo die Hunde auf dem breiten Schotterweg entlang der alten Rouffacher Stadtmauer unter ausladenden Platanen ihre Geschäfte machten und die der Kollegen begutachten konnten.
Rapp stand auf und stellte ihm Sylvie vor, die beiden kannten sich noch nicht. Und wenn Platz gewesen wäre, hätte er Claude eingeladen, sich zu ihnen zu setzen.
Doch das war gar nicht nötig. Claude, der nicht dafür bekannt war, allzu zimperlich zu sein, pflanzte seinen gut genährten Körper in die Lücke, die Rapp freigegeben hatte. Dann drückte er mit einem leicht raubtierhaften Lächeln im Gesicht seinen Nachbarn, einen schmalen jungen Mann mit Basecap, der gerade ein Bier trank, zur Seite, und ließ Rapp seinen Platz wieder einnehmen.
»Wen haben wir denn da?«, lachte Sylvie, als Claude Valerie, seine Rehpinscherin, auf den Tisch stellte wie eine Beilage zu den Salaten, die Rapp und Sylvie gerade aßen. Glücklicherweise schien Valerie mehr an Honoré unter dem Tisch als an den Getränken und Speisen darauf interessiert zu sein, und so verfrachtete Claude sie eine Etage tiefer, wo Honoré schon mit grauem Star in den verlangenden Augen auf sie wartete.
Claude pfiff einen jungen Kellner herbei, der soeben an ihnen vorbeihuschen wollte, und bestellte ein großes Bier.
»Ständig muss ich sie hochnehmen.« Claudes graublaue Augen deuteten auf Valerie. »Die Meute achtet ja nicht darauf, wo sie ihre Füße hinsetzt. Und am nächsten Tag liest du die Schlagzeile im Courant: >Skandal - tausend Tomaten und ein Pinscher zerquetscht<. Haha!« Er deutete die Schlagzeile mit zwei Fingern in der Luft an und lachte auch seinem schmächtigen Nachbarn mit der Basecap ins indignierte Gesicht, als würden sie sich schon ewig kennen.
Was offensichtlich nicht der Fall war, da der Junge zuerst Claude anstarrte, dann seine mollige Freundin mit dem blonden Pferdeschwanz. Und im nächsten Moment erhoben sie sich mit rollenden Augen und verschwanden grußlos in Richtung Hexenturm am Südende des Platzes.
»Wisst ihr, die Sirenen vorhin .«, Claude wandte sich Rapp und Sylvie gleichermaßen zu, »das waren Polizei und Notarztwagen.«
»Todsicher«, sagte Rapp. »Weißt du mehr darüber?«
»Zufällig ja.« Er hob seine Brauen, die weit dichter bewachsen waren als sein inzwischen fast kahler Schädel. »Ich war nämlich eigentlich mit Fabienne auf dem Fest.«
»Fabienne?« Rapp sah ihn fragend an.
»Fabienne Haller. Die Leiterin der Gendarmerie in Rouffach«, erklärte Claude nun auch an Sylvie gewandt. »Wir sind . alors, eigentlich waren wir zusammen auf dem Fest, so wie ihr zwei Hübschen.« Claude bleckte die breiten Zähne. »Aber dann kam uns dieser blöde Einsatzbefehl via Diensthandy dazwischen, das sie leider immer dabeihaben muss.«
»Sie ist mit dabei, auf dem Einsatz?«, fragte Rapp.
»Ja. Rien à faire. Was willst du machen?«
»Und worum geht es bei dem Einsatz?«, fragte Sylvie. »Oder ist das geheim?« Sie lächelte ironisch.
Claude schob ein wenig den Kopf vor und senkte verschwörerisch die Stimme. »Euch kann ich es ja sagen, steht eh bald im Netz. Außerdem betrifft es euch mehr oder weniger direkt.«
»Claude.« Rapp sah ihn ungeduldig an. »Spuck's einfach aus.«
Doch bevor Claude das tat, kam sein Bier. »Endlich«, dröhnte er, entriss es dem verblüfften Kellner - einem anderen als dem, bei dem er bestellt hatte -, drückte ihm einen Fünf-Euro-Schein in die Hand, den er schon parat hatte, und nahm auch gleich einen Riesenschluck aus dem Halbliterglas.
»Ah, wunderbar.« Er setzte es mit einem nur halb unterdrückten Rülpsen ab und wandte sich wieder Rapp und Sylvie zu. »Fabienne sagte, der Einsatz läuft in Pfaffenhoffen. Also quasi vor eurer Haustür«, versicherte er in die ungläubigen Gesichter der beiden. Dann senkte er wieder die Stimme. »Die Gendarmerie sperrt doch immer den Tatort ab und bewacht ihn, richtig?«
»Sie sichert ihn«, sagte Rapp. »Aber wieso >Tatort<? Was ist denn überhaupt los?«
»Bin ich Commissaire?« Claude lachte lautstark auf. »Spaß beiseite, mein Lieber.« Er legte Rapp die große Pranke auf die Schulter. »Fabienne sagte, sie hätten da jemanden im Weinberg gefunden. Leb.« Er kam ihnen mit dem Gesicht nun noch näher und raunte: »>Leblose Person< sagt man dazu ja wohl.«
Sylvie starrte ihn ungläubig an und blickte dann kurz auf Claudes Bierglas, als wäre es womöglich schon sein drittes oder siebtes am heutigen Tag.
»Eine .« Rapp zügelte eben noch die Lautstärke seiner Stimme. »Eine Leiche in Pfaffenhoffen? Im Weinberg, bist du sicher?«
»Hat Fabienne jedenfalls angedeutet.« Claude trank sein Bier aus und schaffte es, ihnen dabei über den Rand des Glases hinweg zuzublinzeln. Dann stellte er es geräuschvoll ab und warf einen Blick unter den Tisch. »Merde!«, rief er plötzlich. »Aber wirklich!« Er schien geradezu empört.
Auch Rapp und Sylvie neigten die Köpfe und folgten seinem Blick unter den Tisch. Auf den ersten Blick war alles in Ordnung, Valerie lag friedlich neben Honoré. Doch vor ihnen lag bei genauem Hinsehen ein kleiner Hundehaufen, so winzig, dass Rapp ahnte, von wem er stammte.
»Kann ja nur von deinem Honoré sein«, behauptete Claude jedoch zu Rapps und auch Sylvies Erstaunen. »Ich war heute schon mit Valerie drüben, du weißt schon, Avenue de la merde.«
»Wann heute, Claude?«, setzte Rapp misstrauisch nach. Zumal er wusste, dass sein Hund so gut erzogen war, dass er sich selbst im hohen Alter nicht derart danebenbenehmen würde.
»Heute früh, um sechs oder sieben.« Claude redete bereits in eine andere Richtung, denn der junge Kellner, bei dem er das Bier bestellt hatte, kam nun mit dem Tablett voller gefüllter Gläser auf ihn zugeeilt.
Claude winkte ab und erhob sich, ehe der junge Mann ihm sein Bier auf den Tisch stellen konnte. »Merci, mein Bester. Ihr Kollege hat mir schon das Bier gebracht.«
»Aber .« Dem Kellner klappte das etwas picklige Kinn herunter. »Das war Patriques eigenes . sein eigenes Bier, er hat Feierabend.«
»Jetzt hat er Feierabend, der Kollege Patrique«, entgegnete Claude, angelte sich seine dünnleibige Valerie unter dem Tisch hervor, nickte zuerst Sylvie und Rapp, dann dem perplexen Kellner zu und verschwand auch schon in der Menge, sein Hündchen schützend eng an seine breite Männerbrust gepresst.
Sylvie richtete verwirrt ihren Blick auf Rapp. »Und der soll mal Finanzchef der Stadtverwaltung gewesen sein?«
»Er kannte jedenfalls alle Finanztricks der Gauner«, versicherte Rapp.
Sylvie rümpfte die Nase und deutete mit den Augen auf die Stelle unter dem Tisch, wo Valeries kleine, aber intensiv verdunstende Hinterlassenschaft...
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