Schweitzer Fachinformationen
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Am Ende der kurvenreichen Straße vom Heidelberger Schloss hinauf zum Königstuhl erreiche ich das MPI für Astronomie. Mitten im Wald tut sich hier eine Lichtung auf, die den Himmel freigibt. Unweigerlich muss ich daran denken, wie der Mensch von jeher staunend zum Firmament aufblickte. Die Gestirne haben uns schon immer Orientierung gegeben. Bereits auf der rund 4000 Jahre alten Himmelsscheibe von Nebra sind Sonnenwenden und Mondphasen abgebildet, und in der Antike nutzten die Griechen die Himmelszyklen, um den Jahreskreis einzuteilen. Im 7. Jahrhundert legten die Maya Städte rund um Sonnentempel an. Mit dem heliozentrischen Weltbild läutete Kopernikus die Neuzeit ein, und die Astronomie wurde zum Motor der abendländischen Wissenschaft. Ob Newtons Mechanik oder Einsteins Relativitätstheorie: Immer wieder ging es darum, den Lauf der Gestirne und die Struktur des Universums zu verstehen.
Doch was gibt es heute noch am Himmel zu entdecken? Was können wir noch lernen über ferne Galaxien? Seit der Zeit, als hier oben auf dem Königstuhl am Ende des 19. Jahrhunderts eine Sternwarte eingeweiht wurde, hat sich die Astronomie rasant entwickelt. Heute steuern die Forscher riesengroße Teleskope, die an verschiedenen Orten in der Welt aufgebaut wurden. Die Standorte für moderne Hochleistungsteleskope werden so ausgewählt, dass die Sicht auf ferne Himmelsobjekte möglichst nicht durch Streulicht, Staub oder Luftfeuchtigkeit getrübt werden kann. Um optimale Sicht zu haben, werden sogar Teleskope ins Weltall gebracht, wo nichts den Blick in die Tiefen des Raums verstellt und kein Licht durch die Erdatmosphäre verschluckt wird.
Schon im Eingangsbereich des Instituts bekomme ich einen Vorgeschmack auf die überwältigenden Bilder, die heutige Teleskope liefern. Hier grüßen großformatige Aufnahmen ferner Galaxien. Ich bleibe gebannt stehen vor den leuchtenden Wirbeln, den Spiralgalaxien mit ihren unzähligen Sternen, vor den galaktischen Nebeln aus Gas und Staub, die pink und grün schimmern. Der Blick auf diese zauberhaften Welten wirft die alten, fundamentalen Fragen der Menschheit, ja des Lebens auf: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Sind wir allein im Universum?
Meine Gastgeber führen mich in einen Raum mit einer hohen, gewölbten Decke, der sowohl als Planetarium wie auch als Hörsaal dient. Wir befinden uns im Haus der Astronomie, in dem der Öffentlichkeit die Erforschung des Universums nähergebracht wird. Schüler aus den umliegenden Städten werden ebenso hierher eingeladen wie interessierte Laien. Heute aber hat sich unter der gewölbten Decke die Belegschaft des Instituts versammelt. Es entsteht ein angeregter Dialog, den ich anschließend in einzelnen Gesprächen fortsetze.
Was mir hier berichtet wird, übersteigt meine Vorstellungskraft. Es gibt eine sprichwörtlich astronomische Zahl von Galaxien, zu denen auch unsere Milchstraße gehört. Einigen Galaxien kann man bei ihrer Entstehung zuschauen. Jedenfalls sieht es für uns so aus, als würden diese Sternenwelten gerade geboren. In Wirklichkeit sind sie aber nur unvorstellbar weit entfernt, weshalb es unglaublich lange dauert, bis das Licht von diesen Galaxien zu uns gelangt. Das auf der Erde ankommende Licht stammt also aus der ganz frühen Zeit der Entstehung dieser Galaxien. Wie bei einem Sonnenaufgang erscheint es wärmer, es leuchtet orangerot. Und da junge Sterne auch jenseits des sichtbaren Bereichs leuchten, messen die Forscher die Strahlung auch im Infrarotbereich. So kann man untersuchen, wie sich Galaxien in der Frühzeit des Kosmos ausbildeten.
Als würde er über das Wetter sprechen, erklärt mir ein Kollege, wie die Welt entstand. Die Bildung von Galaxien erfolgte in einer sehr frühen Phase des Universums, der sogenannten kosmischen Inflation. Zu dieser Anfangszeit dehnte sich alles extrem rasch aus. Dabei tritt ein rätselhaftes Phänomen auf: die Überlichtgeschwindigkeit. Ich unterbreche den Kollegen und frage, ob nicht Einstein die Lichtgeschwindigkeit als oberste Grenze der Bewegung definiert habe. Er kann mich beruhigen. Das stimme, aber diese Beschränkung gelte nur für die heutige Raumzeit. Ich erinnere mich, dass nach Einstein Raum und Zeit eine untrennbare Einheit bilden, die Raumzeit. Nicht immer sei die Raumzeit stabil gewesen, fährt der Kollege fort. Während der kosmischen Inflation habe sie sich ausgedehnt, und daher habe Einsteins Beschränkung nicht gegolten. Ich lerne: Überlichtgeschwindigkeit war kurz nach Entstehung des Kosmos tatsächlich möglich.
Galaxien bestehen aber nicht nur aus Sternen, sondern auch aus Planeten, die um die Sterne kreisen. Wie bilden sich diese Planeten aus? Auch das war mir vor meinem Besuch nicht klar: Zunächst entstehen rund um junge Sterne Scheiben aus Staub und Gas. Diese planetenbildenden Scheiben zu studieren erfordert hochaufgelöste Bilder. Um die nötige Trennschärfe zu erzielen, werden Teleskope mit speziellen Instrumenten ausgestattet. Bewegliche Spiegel bilden eine sogenannte adaptive Optik und können Störungen reduzieren, die durch die Luftunruhe der Atmosphäre entstehen. So erhält man schärfere Bilder - und die sind spektakulär: Man sieht förmlich, wie sich Staub und Gas zu fester Materie verdichten, bis sich daraus Planeten formen.
Meine nächste Begegnung steigert mein Staunen noch weiter. Eine Kollegin, die vor wenigen Jahren von der Harvard University nach Heidelberg zog, sucht tatsächlich nach Anzeichen für außerirdisches Leben. Sie schwärmt von rätselhaften Exoplaneten in fernen Planetensystemen. Mit einem breiten Lächeln erklärt sie, dass solche Exoplaneten - wie auch die Planeten in unserem Sonnensystem - nicht von sich aus leuchten und daher schwer im All zu finden sind. Trotzdem lassen sie sich immer genauer beobachten, weil die Methoden immer empfindlicher werden. Man kann mittlerweile »sehen«, welche Exoplaneten eine Atmosphäre umgibt und wie sich diese zusammensetzt. Dazu wird die extrem schwache Infrarotstrahlung analysiert, die von weit entfernten Exoplaneten zu uns gelangt. Die Forscher können in dieser Strahlung Signalmuster entdecken, die wie Fingerabdrücke auf bestimmte Gase in der Atmosphäre hinweisen.
So will man hier auch Spuren außerirdischen Lebens finden. Ein wichtiger Hinweis auf die Möglichkeit von Leben ist Wasser, das tatsächlich bereits auf Exoplaneten nachgewiesen wurde. Wassermoleküle zeigen eine charakteristische Absorption, sie »verschlucken« Infrarotlicht bei einer Wellenlänge von rund drei Mikrometer, also drei Millionstel Meter. Genau diese konnte gemessen und mit ihr die Existenz von Wasser im All belegt werden. Weitere solcher Spuren, die bereits im All gefunden wurden, weisen auf kohlenstoffhaltige Verbindungen wie Alkohol, Acetaldehyd oder Blausäure hin. Gerade die Blausäure mit der chemischen Formel HCN könnte als Ausgangssubstanz für den Aufbau größerer Moleküle dienen, wie wir sie von Lebewesen kennen.
Die Bildung solcher Moleküle, die für die Entstehung von Leben benötigt werden, ist auf Exoplaneten sehr schwierig. Oft sind die Temperaturen dort niedrig, und die Stoffdichte ist gering. Trotzdem erhielten die Forscher Hinweise auf das Vorkommen solcher Stoffe im All. Dazu wurden gemessene Infrarotspektren mit theoretisch vorhergesagten Kurven verglichen. Die Ähnlichkeit war oft frappierend. Mit leuchtenden Augen sagen mir junge Forscher voraus, dass sich Hinweise auf außerirdisches Leben bald verdichten werden.
Den Molekülen des Lebens wird aber nicht nur auf Exoplaneten nachgespürt, sondern auch im Keller des Instituts. Hier befinden sich metallummantelte Apparate mit Röhren und Kolben, in denen chemische Reaktionen bei sehr tiefen Temperaturen ablaufen. Die Hoffnung ist, chemische Verbindungen unter den Bedingungen aufzubauen, die auf fernen Exoplaneten herrschen. Falls dies gelingt, würde das die Hypothesen über erste Schritte hin zu Leben im Universum stärken. Aus solchen Experimenten weiß man bereits, dass chemische Reaktionen unter den Bedingungen des Weltalls ganz anders ablaufen als bei uns auf der Erde. Um chemische Reaktionen zu starten, muss viel Energie zugeführt werden. Das geschieht offensichtlich mit Hilfe energiereicher Strahlung, wie sie im Weltall zur Genüge vorkommt. Die ersten Schritte bis hin zur Synthese von Bausteinen der Nukleinsäuren, der Erbmoleküle, sind getan - Spannendes auf dem Weg zum Verständnis des Lebens wird folgen.
Schon nach meinen ersten Eindrücken wird deutlich: Diese Forschungsarbeiten benötigen Präzisionsinstrumente. Um solche Geräte zu bauen, betreibt das Institut eine beeindruckende feinmechanische Werkstatt. Als ich die Halle mit ihren hohen Decken betrete, spüre ich bei den Ingenieuren und Technikern sofort, wie stolz sie auf ihre Arbeiten sind. In langjähriger Hingabe entstehen hier einzigartige Messinstrumente. Viele dieser Geräte wurden bereits weltweit in Teleskope eingebaut. Gerade entsteht gemeinsam mit Partnern ein Instrument zur Charakterisierung von Exoplaneten für ein neues Teleskop in Chile. Dass sich der Mensch ferne Sternenwelten in immer größerem Detail erschließen kann, beruht also auch auf einer besonderen Handwerks- und Ingenieurskunst.
Ich will wissen, ob hier auch schon technische Komponenten für Weltraumteleskope gebaut wurden. Freundliches Nicken. Ein erstes Weltraumteleskop mit dem Namen Hubble sei ja bereits 1990 ins Weltall gestartet. Und am 25. Dezember 2021 wurde nach Jahrzehnten harter Arbeit das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) mit einer Ariane-5-Rakete vom Weltraumbahnhof bei Kourou in Französisch-Guayana ins All katapultiert. Dafür habe man hier...
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