Schweitzer Fachinformationen
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T. S. Eliot hat sich getäuscht. Der Dezember ist der übelste Monat von allen. Denn selbst wenn dich der blindwütige Kommerzgeist vor Weihnachten nicht runterzieht, gelingt das spätestens dem trostlosen Londoner Wetter. Heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit, als ich eigentlich E-Mails hätte beantworten sollen, fing ich an, über all das nachzudenken, was mit Weihnachten nicht stimmt. Und ohne es so recht zu beabsichtigen, machte ich eine Liste der »Zehn Dinge, die ich an Weihnachten nicht ausstehen kann«:
1) Die Formulierung »Frohe Weihnachten«, die wie ein Gruß gemeint sein mag, mir aber eher wie ein Befehl vorkommt - und zwar einer, der in mir den unmittelbaren Wunsch auslöst, ihm nicht zu gehorchen.
2) Dasselbe gilt für die fremdsprachigen Grüße: Feliz Navidad, Joyeux Noël. Wenn ich sie in meiner eigenen Sprache nicht mag, mag ich sie auch nicht auf Spanisch oder Französisch.
3) Weihnachtsfeiern im Büro, die nichts als eine armselige Entschuldigung für verheiratete Kollegen sind, zu viel zu trinken und sich untereinander Freiheiten herauszunehmen. (Es sei denn, es handelt sich um Sean aus der Buchhaltung, dem es jederzeit freisteht, sich mir gegenüber Freiheiten herauszunehmen.)
4) Heimkehrende Zecher in der U-Bahn, wie zum Beispiel der aufgedunsene Typ mit der Papierkrone, der gestern Abend im Zug auf der Northern Line neben mir einschlief und auf meinen Mantel sabberte. Zugegebenermaßen erntete auch ich mit meiner Interpretation von Santa Baby letzten Donnerstag spätabends auf der Jubilee Line ein paar gequälte Blicke. Aber meine Begleiter hatten mich dazu angestiftet. Die noch betrunkener waren als ich.
5) Idiotisch große Cheddar-Käselaibe anstelle von richtigem Essen auf Partys. Auch wenn ich durchaus eine Schwäche für Käse habe, brauche ich hin und wieder doch auch ein Wurstbrötchen.
6) Glühwein: Warum nur sind alle so verrückt nach abgründig miesem bulgarischem Rotwein, dem große Mengen an Zucker und Gewürzen zugesetzt wurden? Zumal man am nächsten Morgen mit einem Riesenkater aufwacht. Den ich in diesem Augenblick habe.
7) Adventskalender mit Schokolade. Da läuft nur das Marketing Amok. Verdrück einfach eine große Tafel Cadbury's am ersten Dezember und bring die Sache hinter dich.
8) Weihnachtsdekorationen mit Disney-Figuren, insbesondere entlang der Oxford Street. Was Hollywood und Weihnachten angeht, sollten wir uns an Nancy Reagan halten und einfach Nein sagen.
9) Weihnachtskarten mit Fotos des Nachwuchses, die wie Landminen in meinem Briefkasten lauern und mich daran erinnern, dass ich einunddreißig bin und noch keine Nachkommen produziert habe.
10) Elfen. Und zwar die nervigen. Also so ziemlich alle.
Im Sinne der Fairness beschließe ich, eine Gegenliste zu erstellen mit all den Dingen, die ich an Weihnachten mag:
1) Weihnachtsgebäck, insbesondere Mince Pies.
2) Echte Christbäume (die so wunderbar duften und unermessliches Unheil über zukünftige Generationen bringen werden, indem sie zum Klimawandel beitragen).
3) Arbeitsfreie Tage.
Zweifellos ist das Verhältnis 10 zu 3 nicht toll, ich werde wohl noch an der zweiten Liste feilen müssen. In diesem Augenblick aber, während ich mich mit den Ellbogen durch die Oxford Street kämpfe, fällt es mir schwer zu erkennen, welchen Reiz Weihnachten haben soll. Heutzutage wirkt es eher wie eine Parodie seiner selbst: Jegliche Spur viktorianischen Charmes wurde doch längst von den Schnäppchenjagden am Black Friday und der Weihnachtssondersendung von Top Gear zunichtegemacht. In der Bond Street muss ich mich durch eine Schar aufgedrehter japanischer Touristen drängeln, die Fotos eines neonorangen Christbaums machen. (Wohin nur sind Silber und Gold verschwunden?) Daraufhin weiche ich einer korpulenten älteren Frau aus, die mit grellroten Lamettafäden behängt ist und in einer Art Wohltätigkeitsattacke aggressiv eine Dose vor meiner Nase scheppern lässt. Nicht dass ich etwas gegen großzügige Gesten in der Weihnachtszeit habe, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Jesus nicht beabsichtigte, dass Gnadenhöfe für Esel die alleinigen Nutznießer all dieser milden Taten seien. Selbst wenn sie tatsächlich dabei waren, als er geboren wurde.
Ich schlage mich in eine Seitenstraße und schiebe erleichtert die Tür zu meinem Lieblingsitaliener auf. Im Innern wärmen sich die Leute an ihren Cappuccinos, während sich die vollgestopften Einkaufstüten wie brave Cockerspaniels an ihre Beine schmiegen. Ganz hinten entdecke ich meine Freundin Sian, deren Wangen gerötet sind und deren aschblondes Haar zu einem wirren Vogelnest auf dem Kopf zusammengebunden ist. Ich bahne mir den Weg durchs Café und plumpse ihr gegenüber auf den Stuhl. »Wow«, sage ich und grinse. »Du hast dich extra für mich frisiert.«
»Man soll mir nicht nachsagen, dass ich mir keine Mühe gebe«, antwortet Sian und betätschelt das widerspenstige Knäuel. Wie immer hat Sian keinerlei Zugeständnisse an die Weiblichkeit getan und ist dennoch mit jeder Faser eine unabhängige Frau. »Da.« Sie schiebt ihre Kakaotasse zu mir, und ich stärke mich mit einem Schluck.
»Aufs neue Jahr«, sage ich. »Ich hab jetzt schon die Nase voll von Weihnachten, dabei ist gerade mal Mitte Dezember.«
»Ich wünsche dir auch frohe Weihnachten.«
»Ich sollte dir lieber gleich sagen, dass ich nicht gerade in Festtagslaune bin.«
»Soll das so eine Art Spoilerwarnung sein?« Sian hebt eine Augenbraue.
Abrupt beuge ich mich nach vorne und beäuge argwöhnisch ihr Oberteil. »Bitte sag, dass das kein Weihnachtspullover ist.«
Sian macht die Jacke auf und präsentiert stolz einen knallroten Pullover. Über ihre Brust zieht sich ein Rentierkopf, an dessen Geweihspitzen jeweils ein winziges Glöckchen hängt. »Owen hat ihn ausgesucht«, sagt sie stolz.
»Seit wann hörst du in Modefragen auf den Rat von Dreijährigen?«
»Er hat einen erstaunlich guten Geschmack. Vor Kurzem erst hat er mir einen lila Hosenanzug aus Samt ausgeredet, der ein schrecklicher Fehler gewesen wäre.«
»Sind das echte Glocken?«
Zur Antwort ruckelt sie auf ihrem Stuhl herum, und ich kann ein leises Klingeln hören. Ich schüttle den Kopf.
»Sei doch nicht so ein Miesepeter«, sagt Sian. »Ich liebe Weihnachten.«
»Ich aber nicht. Dieses Jahr klinke ich mich aus. Also erwarte kein Geschenk von mir.«
»Man kann sich nicht aus Weihnachten ausklinken.«
»Wart's ab.«
Sian zieht skeptisch die Augenbrauen zusammen. »Was war der Auslöser?«
»Der Lokalsender«, antworte ich. »Heute früh bin ich davon geweckt worden, wie alternde Rockstars verzweifelt darum gerungen haben, ihre Karrieren wiederzubeleben, indem sie mich wieder einmal auffordern, die Welt zu ernähren. Mittlerweile sollten sie wissen, dass ich noch nicht einmal in der Lage bin, mich selbst zu ernähren.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Doch, doch.« Ich zucke mit den Schultern. »Ich war noch nie ein besonderer Fan. Dieses Jahr bin ich nicht nur der grantige Scrooge, sondern auch noch ein frisch verlassener Scrooge. Also habe ich beschlossen, dem inneren Griesgram nachzugeben.«
»Was ist mit deiner Mum? Rechnet die nicht damit, dass du mit ihr auf der Arche Liedchen trällerst?«
Meine gefürchtete Mutter und ihr fünfter Ehemann Richie haben vor ein paar Jahren ihr Haus verkauft und sich auf einem Hausboot in Little Venice niedergelassen, das von Sian prompt »Arche Noah« getauft wurde. Ständig schneien sie bei mir herein, weil irgendwas mit den Wasserleitungen auf dem Boot nicht in Ordnung ist, was insbesondere an kalten Tagen häufig der Fall ist. Glücklicherweise haben sie sich dieses Jahr entschlossen, das Boot im Trockendock zu lagern und sich für den Winter in ein wärmeres Klima zu begeben.
Ich schüttle den Kopf. »Nicht in diesem Jahr. Sie besuchen meinen Stiefbruder und seine Brut in Melbourne.«
»Dann solltest du für die Feiertage unbedingt zu uns kommen.«
»Nein danke.«
»Warum nicht? Es wird großartig! Du kannst Wurstbrät in den Truthahnarsch schieben, während ich meine alten Tanten mit Prosecco abfülle, bis sie betrunken auf dem Sofa zusammenklappen.«
»Man stopft es in das Loch am Hals.«
»Was?«
»Das Wurstbrät.«
Sian runzelt die Stirn. »Das wusste ich schon.«
»So verlockend das auch klingt, ich sage trotzdem Nein.«
»Hör mal, Charlie. Ich schaue bestimmt nicht zu, wie du Weihnachten damit zubringst, Trübsal zu blasen wegen dem, dessen Name nicht genannt werden darf.«
»Lionel. Sein Name ist Lionel. Und ich blase nicht Trübsal.«
»Gut. Weil er das gar nicht verdient hat.«
»Aber ich komme an Weihnachten trotzdem nicht.«
Es kostet mich den Großteil meiner Mittagspause, um Sian davon zu überzeugen, dass ich es ernst meine. Ehrlich gesagt habe ich nicht die Absicht, Weihnachten mit irgendjemandem zu verbringen. Mein Plan ist, mich mit einem Sechserpack Chardonnay in meiner Wohnung in Nunhead zu verkriechen und einen alten Schwarz-Weiß-Film mit Audrey Hepburn nach dem anderen zu schauen. Lionel hat es immer gehasst, Filme im Fernsehen anzuschauen, also koste ich die Möglichkeit aus, mir jetzt, da er ausgezogen ist, das volle Programm zu geben. Außerdem habe ich vor, mich mit Gummibärchen, Sardellenpizza und BBQ-Chips vollzustopfen, die er allesamt ebenfalls verabscheut. Tatsächlich ist mir aufgefallen, dass ich in den vier Jahren, die wir zusammengelebt haben, auf große...
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