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Samy saß in einem der tiefen Ohrensessel, die strategisch so ausgerichtet waren, dass man den Salon zwar im Rücken, durch einen nahen Wandspiegel jedoch komplett im Blick hatte.
So konnte sie ins üppige Grün des weitläufigen Gartens schauen und gleichzeitig mit Cor via Zoom den aktuellen Klatsch austauschen, ohne Gefahr zu laufen, dabei ungewollt belauscht zu werden. Der Sessel war so platziert, dass sich ihr niemand nähern konnte, ohne dass sie es bemerkte. Ein paar der Gäste hatten sie darauf hingewiesen, dass es schön wäre, den ein oder anderen Platz zu schaffen, wo man sich im Herzen des Feng Shui House dennoch ungestört zurückziehen konnte. Diesem Wunsch war sie nachgekommen und nutzte die Möglichkeit inzwischen selbst. Gerade ihr Austausch mit Cor war nicht für andere Ohren gedacht. Sicherlich hätte es den ein oder anderen verstimmt, zu hören, wie sie über die Mitglieder der Windsor Ladys Society klagte.
"Diese Frauen treiben mich in den Wahnsinn", jammerte sie, nachdem sie ihrem Freund von den unglaublichen Ansprüchen des Vereins erzählt hatte. Obwohl sie leise sprach, war die Empörung in ihrer Stimme deutlich zu hören.
"Vor ein paar Wochen sollten wir auf unsere Kosten den Tee ein zweites Mal servieren, da eine der Damen sich verspätete und man ihr nicht zumuten konnte, sich einfach dazuzusetzen. Schon vorab waren wir gebeten worden, vor dem Treffen fünfzehn Minuten zu lüften, damit es nicht nach irgendeinem Firlefanz - ich zitiere die Vorsitzende - riecht. Sie forderte allen Ernstes, dass ich persönlich das Lüften überprüfe, da man sich auf Personal nicht verlassen könne. Nun hat sie mich heute Morgen angerufen und verlangt, für das nächsten Treffen sämtliche Stühle mit einem weiteren Kissen auszustatten, da die eine oder andere Dame es angenehm empfände, sich dieses in den Rücken zu legen."
Cor lachte ihr vom Bildschirm aus entgegen, griff demonstrativ nach einem dicken Kissen und schob es hinter sich in den Bürosessel.
"Die Damen wissen, was gut ist. Ein klein wenig Komfort kann nicht schaden", belehrte er sie, machte dann jedoch eine wegwerfende Handbewegung und fügte hinzu: "Was für ein Trara. Dann sollen sie doch Reisedecken und eigene Kissen mitbringen, oder noch besser gleich zu Hause tagen."
"Ich sage es Dir", bestätigte Samy.
"Wenn das so weitergeht, fordern sie als Nächstes noch räumliche Umbauten. Dabei hatte ich mich unglaublich gefreut, als sie ihre Treffen hierher verlegt haben, denn schließlich hat der Boule Club uns mit seiner Anwesenheit ziemlichen Aufwind beschert. Auf den ersten Blick würde man es zwar kaum glauben, aber diese Leute interessieren sich wirklich für das, was wir hier anbieten und einige von ihnen machen regelrecht Werbung für uns."
"Formidable! Genau das, was Du als Jungunternehmerin brauchst. Und ich kann wirklich immer nur davor warnen, die Menschen nach ihrem Aussehen zu beurteilen und in Schubladen zu stecken. Wenn ich das täte, käme ich aus dem Urteilen nicht mehr heraus. Ich erinnere mich an Deine anfängliche Schilderung der konservativen Damen und Herren der Boule-Gesellschaft in ihren abgewetzten Tweed Ensembles ."
Samy wusste, wie unvoreingenommen er Menschen gegenübertrat, dieser Charakterzug war ihr schon in ihren ersten gemeinsamen Tagen auf dem Gymnasium aufgefallen. Sie schätzte seine Fairness und wusste, dass man sie auf den ersten Blick nicht von ihm erwartete. Er war laut und schrill, ein Lebemann, wie er im Buche stand. Wie ein anspruchsvoller Paradiesvogel marschierte er durch das Leben und hüllte seinen großen Körper dabei ausnahmslos in extravagante Designerkleidung. Dieser Aufzug war meist gewöhnungsbedürftig, aber Cor wirkte immer authentisch.
Ihm folgten stets alle Blicke, und dessen war er sich von klein auf bewusst gewesen. Doch genau das hatte ihn wohl zum tolerantesten Menschen gemacht, dem Samy je begegnet war. Arzt war er nur geworden, weil er einer traditionsbewussten Familie entstammte, in der alle Männer diesen Beruf ausübten. Doch er behandelte nicht, sondern erstellte ausschließlich medizinische Gutachten. Seine Patienten profitierten ausnahmslos davon, dass er jedem einzelnen in der Ausgangsposition wohlgesonnen war.
Als Samy nun in sein pausbäckiges Gesicht auf dem Bildschirm schaute, fühlte sie sich wieder einmal an einen Rauschgoldengel erinnert, lediglich das satte Braun seiner üppigen Locken wich von dem klassischen Engelsbild ab.
Wie so oft nutzten sie die Mittagszeit, in der Cor stets eine Lunchpause einlegte, für Videocalls, in denen sie sich gegenseitig auf dem Laufenden hielten. Cor ließ sich täglich von seiner Haushälterin eine frische Mahlzeit in seine Praxis bringen und aß stilvoll, wenn auch an seinem Schreibtisch. Sein Arbeitsoutfit war stets tadellos weiß und er legte in allen Lebenslagen Wert darauf, standesgemäß gekleidet zu sein.
Der lange Kittel war so förmlich geschnitten, dass ihn jeder Arzt zu Beginn des letzten Jahrhunderts an der Londoner Harley Street als angemessen empfunden hätte. Zweireihig und makellos, keine Flecken, keine Falten, glänzende Knöpfe und natürlich eine Maßanfertigung.
Samy kannte ihn nicht anders, doch sie war beinahe sicher, dass Fremde, die ihn in diesem Aufzug zum ersten Mal sahen, durchaus dachten, er käme aus dem Theaterfundus.
Da er gerade ein Mittagsmahl zu sich genommen hatte, waren die glänzenden Knöpfe geöffnet und legten den Blick auf ein gestärktes Oberhemd frei. In dessen leicht geöffnetem Kragen hatte zu Beginn ihres Calls noch eine große weiße Stoffserviette gesteckt - Cor fuhr immer das volle Programm.
"Wie dem auch sei", führte er weiter aus, "den meisten Menschen ist nicht bewusst, wie viele Chancen sie sich und anderen nehmen, wenn sie vorschnell urteilen."
Diesem toleranten Eindruck verpasste er jedoch gleich wieder einen Dämpfer, als er alles andere als schmeichelhaft fragte: "Was hat es denn mit diesen Boule-Fritzen auf sich?"
Während er seine Serviette akribisch zusammenfaltete, um dann noch einmal seinen kleinen Schmollmund damit abzutupfen, erläuterte er sein despektierliches Bild.
"Ich stelle mir gealterte Herren vor, die sehr sonor in Tweed Jacketts mit Ellbogenflicken gekleidet sind, und diese selbstverständlich vor jedem Wurf ausziehen und akkurat gefaltet über eine Bank legen. Täusche ich mich?"
"Deine Fantasie geht mit Dir durch", lachte Samy, die von seiner Vorstellungskraft überwältigt war. "Aber ganz falsch liegst du nicht. Die Herren sind in der Tat so gekleidet, aber ob sie die Jacken beim Sport ausziehen, weiß ich nicht. Ich sehe sie ja nicht auf dem Platz, sondern nur hier. Erstaunlich ist jedoch, dass der Anteil an älteren Damen in ihren Reihen mindestens genauso groß ist."
"Interessant!", erwiderte Cor und fügte dann hinzu, "die Frauen sind überall auf dem Vormarsch und das ist auch gut so. Allerdings liegt es bei den Kugelschiebern vielleicht auch nur daran, dass sie uns Männer überleben ."
Samy hätte gern etwas Bissiges auf seine lapidare Äußerung geantwortet, doch stattdessen senkte sie die Stimme erneut, weil einige Frauen, die hier einen Yogakurs besucht hatten, den Salon betraten. Auch wenn sie in ihrem Sessel geschützt saß, wollte sie nichts riskieren.
"Ich muss jetzt Schluss machen, hier wird es gleich voll. Bleibt es bei kommendem Freitag?"
Nachdem sie die Details für Cors anstehenden Besuch geklärt hatten, beendete sie den Videoanruf. Als sie sah, dass die Vorsitzende der Windsor Ladies Society mit wehendem Mantel vom Parkplatz auf sie zugestürmt kam, seufzte sie.
Gerade noch an Dich gedacht, gestand sie sich selbst resigniert ein und hegte keinen Zweifel daran, dass die Dame erneut mit einem irrwitzigen Anliegen zu ihr unterwegs war.
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Eugenie Ashby-Jones war eine hagere Frau mit strengem...
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