Schweitzer Fachinformationen
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Ich wollte dieses Buch schon seit längerer Zeit für Sie schreiben. Eigentlich habe ich so lange daran gearbeitet, dass es zu einem Running Gag innerhalb der Familie und meinen Bekannten wurde.
Ich stelle mir vor, wie Sie abends auf dem Sofa sitzen, frustriert über all die Dinge, die Sie in der Retrospektiven-Moderation erlebt haben, und nicht alleine sein wollen mit diesen schmerzhaften Erfahrungen. Wenn das der Fall ist, dann ist dieses Buch genau das Richtige für Sie. Ich werde Ihnen von all meinen Fehlern erzählen, die sich in einem Ausmaß wiederholten, sodass es mir möglich war, Muster zu erkennen und nun darüber zu schreiben.
Lassen Sie sich nicht davon abschrecken, dass ich sie als Antipatterns beschreibe: Zu jedem Muster gibt es auch eine Lösung, die Teil der Beschreibung des Antipatterns ist. Bei den meisten Lösungen geht es darum, die Dinge beim nächsten Mal anders zu planen; ich kann Ihnen zum Beispiel Ideen an die Hand geben, wie Sie daran denken können, den Grund für eine Aktivität zu erklären. Aber es gibt auch einige Lösungen für den Einsatz in Echtzeit, die spontan als Reaktion auf Ereignisse während der Retrospektive angewendet werden können - zum Beispiel Ideen, wie man Menschen zum Reden ermutigen kann, wenn sie schweigen.
Bei der Lektüre dieses Buches werden Sie vielleicht feststellen, dass die meisten der von mir beschriebenen Antipatterns im Rahmen einer Retrospektive auch bei anderen Arten von Meetings im realen Leben zu finden sind. Ich würde behaupten, dass die in den Antipatterns beschriebenen Lösungen für jede Art von Meeting, das Sie leiten, gelten. Denn Sie haben doch eine Moderation für alle Ihre Meetings, oder? Jutta Eckstein stellt in ihrem Buch Retrospectives for Organizational Change [Eckstein 2019] ebenfalls die Behauptung auf, dass die Struktur einer Retrospektive in mehr Bereichen als dem zyklischen Team-Check-in, das in meinem Kontext beschrieben wird, verwendet werden kann. Sie beschreibt, wie Retrospektiven Ihnen auch dabei helfen können, eine organisatorische Veränderung in einem viel größeren Rahmen als dem Scrum-Team umzusetzen, mit dem wir das Konzept der Retrospektive oft in Verbindung bringen.
Wenn Sie noch neu als Moderator*in1 arbeiten, ist es eine gute Idee, mein Buch zu lesen, denn dann wissen Sie, auf welche Herausforderungen Sie stoßen können. Andererseits, wem wollen wir etwas vormachen? Wir lernen fast nie etwas, bevor wir es brauchen, also werden Sie auch selbst Fehler machen müssen, bevor Sie dieses Buch zu schätzen wissen. Wenn Sie es jetzt lesen, müssen Sie vielleicht nur schmunzeln und fragen sich: »Hat sie das wirklich getan?« oder: »Wie um alles in der Welt kam sie auf die Idee, so etwas zu sagen?«. Auch Lachen ist wichtig und vermutlich kann auch das wertvoll sein für Ihr zukünftiges Lernen.
Zu Beginn dieses Jahrtausends war ich Mitorganisatorin und Programmleiterin der JAOO-Konferenz (jetzt GOTO) in Aarhus, Dänemark, zu der Linda Rising als Referentin eingeladen war. Linda Rising ist unter anderem Co-Autorin von Fearless Change: Patterns for Introducing New Ideas [Rising & Manns 2005] - zusammen mit Mary Lynn Manns - und sie erzählte mir von Norm Kerths bahnbrechendem Buch Project Retrospectives: A Handbook for Team Reviews [Kerth 2001]. Ich höre mir immer gerne Vorträge von Linda Rising an, aber dieser war etwas Besonderes. Die Idee der Retrospektiven faszinierte mich, und ich konnte mir vorstellen, dass sie für viele Teams in den Organisationen unserer Kundschaft sowie für Teams in unserem eigenen Unternehmen sehr nützlich sein könnten. Die Lektüre des Buches nach der Konferenz hat mich nicht entmutigt, und so begann ich seit dem Jahr 2007 selbst einige Retrospektiven zu moderieren.
Die nächste Station auf meiner Reise war eine Teilnahme an einem Workshop von Diana Larsen über die Moderation von Retrospektiven. Dieser hat mir einmal mehr die Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen eben jener Retrospektiven aufgezeigt. Ich hatte das Glück, Diana bei späteren Kursen in Dänemark zu assistieren, und in der lehrenden Rolle lernt man noch mehr als in der lernenden. Seitdem fasziniert mich der Gedanke, Menschen und Teams beim Reflektieren und Lernen zu unterstützen. Ich begann, mehr Retrospektiven zu moderieren, zunächst für meine Kolleg*innen in der IT-Branche und später in anderen Unternehmen und Umfeldern. In den letzten 10 Jahren habe ich Hunderte von Retrospektiven in Dutzenden von Unternehmen moderiert und Vorträge über Retrospektiven auf Konferenzen, Geek Nights und offen gesagt, überall dort gehalten, wo die Menschen keine Chance hatten, mir und meinen Vorträgen zu entkommen.
Ich habe viele Bücher und Artikel gelesen und mir zahlreiche Präsentationen angesehen, sowohl online als auch auf Präsenzveranstaltungen. Ich lernte natürlich eine Menge dazu, aber ich verstand bald, dass es bei einer guten Moderation von Retrospektiven nicht nur darum geht, die richtigen Aktivitäten zu kennen - es gehört viel mehr dazu. Ich verbrachte einige Zeit damit, etwas über Körpersprache zu lernen, und The Definitive Book of Body Language [Pease & Pease 2004]2 vermittelte mir viele Erkenntnisse zur Bedeutung von Augenkontakt, Händedruck und die unterschiedlichen Auswirkungen auf andere Personen. Ich habe mich von zahlreichen Büchern inspirieren lassen, die nicht direkt auf die Moderation von Retrospektiven ausgerichtet sind (siehe »Literatur« im Anhang des Buches).
Angeregt durch den Hinweis meines Mannes, dass ich mir Dinge nicht gut merken kann, machte ich mir im Laufe der Jahre Notizen über das, was ich sah und hörte, während ich Retrospektiven anleitete. In einem kleinen schwarzen Notizbuch notierte ich die Techniken, die ich ausprobierte, was funktionierte und was nicht, um den Teams dabei zu helfen, Fortschritte zu machen und nicht in einem Trott stecken zu bleiben. Wenn ich improvisierte, um eine Diskussion, die sich im Kreis drehte, umzulenken, schrieb ich ein paar Sätze dazu auf. Wenn eine Gruppe von Entwickler*innen einen Anstoß in die richtige Richtung brauchte, um ihre Besprechungen konstruktiv und nützlich zu halten, benutzte ich das kleine schwarze Notizbuch, um mich daran zu erinnern, was ich bereits ausprobiert hatte und ob es funktionierte. Wenn ich ein albernes Spiel oder eine Übung erfunden oder mir abgeschaut hatte, die die Teilnehmenden in Bewegung brachte, wenn sie vom vielen Sitzen und Reden müde waren, notierte ich es. Die Retrospektiven in diesen Notizbüchern summieren sich bis heute auf 296, die ich für 68 verschiedene Teams in 27 verschiedenen Unternehmen moderiert habe, und ich weiß, dass ich noch eine Menge mehr Retrospektiven leitete, bevor ich anfing, mir Notizen zu machen.
Als ich mit meinen Aufzeichnungen begann, erwies sich das Notizbuch nicht nur als hilfreich, um mich später daran zu erinnern, was von den Dingen, die ich gemacht hatte, funktionierte und nicht funktionierte, sondern auch, um Experimente weiterzuverfolgen, die ein Team in früheren Retrospektiven beschlossen hatte. Ich schrieb auch die Pläne A und B für jede Retrospektive auf, damit ich alle meine Pläne an einem Ort hatte und mich von meiner früheren Arbeit inspirieren lassen konnte. Manche Leute verlassen sich vielleicht auf ihr Gedächtnis, wenn es um vergangene Erfolge und Fehler geht, aber das ist für mich keine Option. Als ich anfing, Online-Retrospektiven zu moderieren, verwendete ich Online-Tools und vergaß anfangs, das Notizbuch zu benutzen. Nach einigen weniger erfolgreichen Online-Retrospektiven lernte ich, dass das Notizbuch hierbei ebenso nützlich ist, weil es mir einen schnellen Überblick verschafft und mir hilft, mich zu erinnern.
Dieses Buch, das ich im Oktober 2013 zu schreiben begann, ist die Zusammenfassung meines kleinen schwarzen Notizbuches - oder besser gesagt, aller Notizen. Es ist das Ergebnis der schlecht gelaufenen Dinge, denn es ist ein Buch der Antipatterns. Das sind die Fallen, in die Menschen getappt sind, die Fehler, die ich gemacht habe, und meine besten Tipps, um den Fallen zu entkommen und die Fehler zu vermeiden. Dabei gleicht die Durchführung einer Retrospektive niemals einer anderen; und wenn doch, dann ist das in sich bereits ein Antipattern. Ich möchte nie aufhören zu lernen, wie man Meetings sinnvoller gestalten kann und wie man Teams dazu bringt, besser zusammenzuarbeiten. Es macht mir weiterhin große Freude, skeptischen Softwareentwicklerteams, die einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen, um Code zu programmieren, zu zeigen, was sie davon haben, wenn sie einen kleinen Teil ihrer Arbeitswoche mit ihren Kolleg*innen kommunizieren.
Obwohl der Lernprozess nie endet und ich immer noch lerne, möchte ich das, was ich bis jetzt gelernt habe, mit einem größeren Kreis teilen. In Büchern und im Internet findet sich viel großartiges Material darüber, wie man eine gute Retrospektive durchführen kann, aber im...
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