Schweitzer Fachinformationen
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»Ich will mindestens fünftausend Zeichen«, sagt Besana und betätigt den Scheibenwischer, ehe ihm klar wird, dass es kein Wasser ist, was da über die Windschutzscheibe rinnt. Denn in Wirklichkeit rinnt es nicht, und an den Seiten hat sich bereits ein weißer Rahmen gebildet. Schnee, das hat gerade noch gefehlt. Besana setzt den Blinker und zieht in die rechte Spur hinüber, den Artikel wird er in der Raststätte schreiben. Er kann nicht riskieren, ausgerechnet heute Abend auf der Autobahn nach Mailand stecken zu bleiben.
»Vertrau mir, verdammte Scheiße«, fügt er, immer noch über die Freisprechanlage, hinzu. Und er weiß nicht so recht, ob sich dieses so tief empfundene Scheiße auf den Lastwagen vor ihm bezieht, der ihn gerade geschnitten hat, oder auf den Ressortleiter, der sich immer anstellt, als würde er das Papier aus eigener Tasche bezahlen.
Dann bricht die Verbindung plötzlich ab. Der Akku ist leer. Und er hat schon wieder das Ladekabel fürs Auto zu Hause vergessen.
Besana parkt den Wagen, schlägt die Tür hinter sich zu und rennt los. Gebeugt, den Rucksack schützend über dem Kopf, erreicht er den Eingang der Raststätte.
»Ganz schönes Sauwetter, was?«, sagt eine junge Frau hinter der Kasse. Der erste Lichtblick seit zehn Stunden. Das war aber auch bitter nötig.
Mit leicht schwankendem Gang bewegt er sich auf sie zu. Er konnte noch nie richtig laufen, selbst wenn er nüchtern ist, wirkt er betrunken.
»Vielleicht darf ich ja hier übernachten?« Er lächelt sie an. Sie langweilt sich offensichtlich, da kann es nicht schaden, ein bisschen mit ihr zu flirten. Außerdem muss er sie gleich noch um einen Gefallen bitten: Er muss unbedingt sein Handy aufladen, und zwar schnell.
»Meine Schicht ist um acht zu Ende. Fragen Sie meinen Kollegen.« Aber sie lächelt zurück, sie hat angebissen, und nachdem sie ihm zwei Päckchen Zigaretten über den Tresen geschoben hat, hilft sie ihm, ein Brötchen auszusuchen.
»Bresaola? Ich bitte Sie. Ich habe Hunger bis unter die Arme«, sagt er und zeigt auf eins mit Speck und Brie. »Und ein Bier, ein kleines, fürs Erste.«
Er versteht selbst nicht, wie er nach diesem widerwärtigen Anblick einen solchen Hunger haben kann. Die Hälfte der Journalisten vor Ort musste sich übergeben, obwohl nur ein Foto gezeigt wurde.
Er entscheidet sich für einen Tisch am Fenster, mit Blick nach draußen. Zum Schnee ist es jetzt auch noch dunkel geworden. Wäre das Ambiente nicht so schäbig, könnte er sich einbilden, in einem Restaurant direkt am Wasser zu sitzen.
»Ich mach es Ihnen warm und bringe es Ihnen gleich«, ruft die junge Frau. Der Saal ist groß, aber vollkommen leer. Da sie beide heute Abend allein sind, kann seine neue Freundin einmal so tun, als wäre sie die Chefin. Vielleicht träumt sie ja wirklich davon.
»Danke, Sie sind ein Engel. Und da wir schon mal dabei sind, würden Sie mir einen Gefallen tun?«
»Solange Sie mich nicht fragen, ob Sie rauchen dürfen«, entgegnet sie lächelnd, als sie sieht, dass er mit Zigarette im Mund vor seinem iPad sitzt.
Besana schüttelt den Kopf und erläutert sein Problem, vernachlässigt auch nicht die Tatsache, dass er unbedingt seinen Chef anrufen muss, weil er an einer höchst wichtigen Sache dran ist.
»Ein Verbrechen?« Mit seinem Handy in der Hand, bleibt die junge Frau wie angewurzelt stehen.
»Ja, ein furchtbares Verbrechen«, fügt er hinzu und gibt ihr mit einer freundlichen Kinnbewegung zu verstehen, dass er bereit ist, ihr ein paar exklusive Details zu verraten, sofern sie ihren Hintern in Bewegung setzt und eine Steckdose sucht.
»Oh, natürlich, Verzeihung«, sagt sie und verschwindet gehorsam hinter dem Tresen, um eine Minute später mit einem großen Bier zurückzukommen, auf Kosten des Hauses.
»Wie nett«, bemerkt Besana. »Genau das Richtige. Woher wussten Sie, dass ich so besser schreiben kann?«
Die junge Frau lächelt zufrieden und setzt sich zu ihm an den Tisch. Doch in diesem Moment klingelt Besanas Handy.
Er springt auf und beugt sich über die Theke, um ranzugehen. Seine Haltung ist etwas fragwürdig, aber er entschärft die zweideutige Pose mit einem Augenzwinkern, während seine neue Freundin die Ohren spitzt. Eine solche Abwechslung kann sie sich nicht entgehen lassen.
»Fünftausend, das ist mein letztes Wort. Ich mache den Job seit dreißig Jahren, und so etwas habe ich noch nie gesehen. Die Ermittler schließen momentan auch Satanismus nicht aus, nur damit du eine Vorstellung hast, wovon ich rede. Mein Akku ist leer, ich fasse mich also kurz: Man hat ihr die Eingeweide rausgeholt, und ein paar Hundert Meter weiter hat man ein Stück aus der Wade gefunden. Sechstausend, perfekt. Aber ich muss in einer Raststätte schreiben, also sorg dafür, dass die Zeitung bis ultimo besetzt bleibt. Ich weiß, dass es kein Problem ist, ich weiß.«
Die junge Frau starrt ihn wie hypnotisiert an, sie ist bereit, ihm den ganzen Abend Bier auszugeben. Es stimmt nicht, dass sie um acht abgelöst wird.
Am nächsten Tag herrscht in der Redaktion dicke Luft. Bevor der Chefredakteur in die Redaktionskonferenz geht, legt er sich mit dem Ressortleiter an, weil der einen so aufsehenerregenden Fall diesem Querkopf von Besana überlassen hat, den er lieber gestern als heute in den Vorruhestand schicken möchte, statt Luca Milesi, seiner neuen Edelfeder.
»Milesi war gestern beim Fernsehen in Rom«, verteidigt sich der Ressortleiter, »irgendjemanden musste ich ja zum Ortstermin schicken.«
»Jetzt werden wir ihn nicht mehr los«, entlässt ihn der Chefredakteur verärgert. »Du weißt doch, wie stur er ist. Er wird jetzt sagen, dass es sein Fall ist.«
Gegen eins, nachdem die Konferenz zu Ende ist, erwartet den Ressortleiter eine weitere Unannehmlichkeit. Als er an seinen Schreibtisch zurückkehrt, sitzt da bereits Ilaria Piatti. Aber früher oder später muss ihr ja jemand beibringen, dass sie in der Branche keine Chance hat. Es weht nun mal ein rauer Wind, Stellen werden gestrichen, und die Gewerkschaften machen dauernd Ärger, das arme Mädchen hat sein Praktikum eben zur falschen Zeit gemacht.
Er grüßt knapp und mustert sie. Sie trägt aber auch nicht gerade dazu bei, ihre Lage zu verbessern. Immer kreuzt sie in fürchterlichen Klamotten in der Redaktion auf, und heute ist sie zu allem Überfluss auch noch klatschnass. Stimmt schon, es schneit wie verrückt, aber sie hätte doch einfach einen Schirm mitnehmen können. Stattdessen kommt sie in Regenmantel und Gummistiefeln, als wäre die Redaktion ein Fluss, den es zu durchwaten gilt.
»Ciao, Roberto, hast du mal kurz Zeit für mich?«
»Nein, ich, also .«
Der Ressortleiter kneift einen Moment die Augen zu. Bitte nicht, bitte frag mich jetzt nicht, ob du bei uns eine Zukunft hast. Nicht jetzt.
»Also, ich . ich müsste mal mit Besana sprechen. Weißt du, ich habe seinen Artikel gelesen . und ich hätte vielleicht eine Spur.«
»Eine Spur? Du?«
Piatti hält die Luft an. Die Ärmste, schon eine Kleinigkeit versetzt sie derart in Aufregung. Es ist aber auch wirklich zum Lachen. Sechs Monate lang hat sie bestenfalls Meldungen über Verkehrsunfälle geschrieben. Das war das höchste der Gefühle.
»Nein, es ist eher . Na ja, ich denke, es handelt sich vielleicht . Jedenfalls, ich habe eins und eins zusammengezählt, also .«
»Also?«
Sie ist langsam, die Piatti. Vor allem, wenn man es eilig hat. Leicht neurotisch windet sie sich um ihre Gedanken, unfähig, in zwei Sekunden eine klare Aussage zu formulieren, wie es sich gehört. Schnell, direkt, simpel. Nein. Denkt sie, sie hat einen Psychoanalytiker vor sich?
»A-also«, stottert sie immer verstörter, »a-also . jedenfalls, ich glaube, dass es sich um einen Serienmörder handelt.«
Der Ressortleiter lacht laut auf. Das wird ja immer besser. Aber genug, er hat keine Zeit zu verlieren.
»Erzähl das Besana.«
»Ja eben«, gibt sie zurück. »Hast du seine Handynummer?«
Zehn Minuten, um nach Besanas Handynummer zu fragen? Der wird sie ebenfalls auslachen. Und dann wundern sich die Leute, dass sie nicht eingestellt werden.
»Lass sie dir von der Redaktionssekretärin geben.«
»In Ordnung. Danke, danke.«
Danke wofür? Niemand wird sie auch nur eine Zeile über diesen Mord schreiben lassen, was denkt die sich? Aber Hauptsache, sie verschwindet. Und zwar bitte sofort.
Ungeachtet des Schneetreibens sitzt Besana wieder im Auto. Er muss unbedingt nach Bottanuco, um noch einmal mit den Ermittlern zu sprechen. Im Fernsehen wird die Geschichte schon durchgehechelt, und Milesi macht Druck, weil er ihm den Fall wegschnappen will. Aber diesen hier bekommt er nicht, das kann er sich abschminken. Und wenn es sein letzter ist, aber dieser Fall gehört ihm.
Das Handy klingelt, die Nummer ist nicht in seinem Telefonbuch gespeichert, und Besana beäugt das Display misstrauisch.
»Ja bitte?«
»Guten Abend, Dottor Besana, entschuldigen Sie die Störung, hier ist Ilaria. Ilaria Piatti.«
»Es ist noch nicht Abend«, erwidert Besana trocken.
»Ach ja. Natürlich, entschuldigen Sie. Guten Tag.«
Die Piattola, Transuse, so nennen sie in der Redaktion alle. Zumindest die, die überhaupt über sie reden, für die meisten existiert sie gar nicht. Und sie ist wirklich eine Transuse. Was will sie überhaupt von ihm?
»Worum geht's?«
»Na ja, ich wollte . also ich wollte mit Ihnen reden.«
»Worum geht's?«, fragt er noch einmal.
Herrje, ist das mühsam mit...
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