Schweitzer Fachinformationen
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Starbuck verbrachte seine ersten Tage in Richmond damit, Ethan Ridley in Lagerhäuser für militärische Ausrüstung und Proviant zu begleiten, die noch für die Ausstattung der Legion Faulconer gebraucht wurden. Ridley hatte die weiteren Einkäufe vorbereitet und sorgte nun, kurz vor seiner Abreise zur Rekrutierungskampagne in Faulconer County, dafür, dass Starbuck imstande war, seine Verantwortlichkeiten zu übernehmen. «Nicht, dass Sie sich ums Finanzielle kümmern müssten, Reverend», erklärte Ridley und benutzte den halb spöttisch, halb scherzhaft gemeinten Spitznamen, den er dem Nordstaatler verpasst hatte. «Ich lasse Sie nur den Transport organisieren.» Dann durfte Starbuck in riesigen hallenden Lagerhäusern oder staubigen Kontoren Däumchen drehen, während Ridley in einem Privatbüro das Geschäftliche regelte, bevor er wieder herauskam, um Starbuck die nächste Instruktion zu erteilen. «Mister Williams wird für den Sammeltransport nächste Woche sechs Kisten bereitstellen. Bis Donnerstag, Johnny?»
«Fertig bis Donnerstag, Mister Ridley.» Die Williams-Lagerhäuser verkauften der Legion Faulconer tausend Paar Stiefel, während andere Kaufleute dem Regiment Gewehre, Uniformen, Zündhütchen, Knöpfe, Bajonette, Schießpulver, Patronen, Revolver, Zelte, Bratpfannen, Tornister, Feldflaschen, Zinnbecher, Hanfseile und Koppelbänder lieferten; all die profanen Güter militärischer Ausrüstung, und alles stammte aus privat geführten Lagerhäusern, weil Washington Faulconer es ablehnte, mit der Regierung von Virginia Geschäfte zu machen. «Eins muss Ihnen klar sein, Reverend», erklärte Ridley. «Faulconer hat für den neuen Gouverneur nichts übrig, und der neue Gouverneur hat für Faulconer nichts übrig. Faulconer glaubt, dass der Gouverneur ihn für die Legion zahlen lassen will, um sie ihm dann wegzunehmen, also ist es uns untersagt, irgendetwas mit der Regierung zu tun zu haben. Wir sollen sie nicht ermutigen, verstehen Sie? Aus diesem Grund können wir keine Waren aus den staatlichen Waffenkammern kaufen, was das Leben ein bisschen schwierig macht.» Aber Ethan Ridley war mit vielen dieser Schwierigkeiten offenkundig gut fertiggeworden, denn Nathaniel Starbucks Notizbuch füllte sich mit beeindruckend langen Listen von Kisten, Schachteln, Fässern und Säcken, die abgeholt und in die Stadt Faulconer Court House geliefert werden mussten. «Geld», erklärte ihm Ridley, «das ist der Schlüssel, Reverend. An die tausend Männer versuchen, eine Regimentsausrüstung zu kaufen, und alles ist knapp, und deshalb braucht man tiefe Taschen. Gehen wir etwas trinken.»
Ethan Ridley fand ein perverses Vergnügen daran, Starbuck mit den Wirtshäusern der Stadt bekannt zu machen, vor allem mit den düsteren, übelriechenden Schenken in zwielichtigen Ecken zwischen den Walzwerken und Absteigen am Nordufer des James River. «Das ist etwas anderes als die Kirche Ihres Vaters, nicht wahr, Reverend?», konnte Ridley beispielsweise in einer rattenverseuchten Bruchbude fragen, und dann stimmte ihm Starbuck darin zu, dass eine solche Säuferhöhle in der Tat weit entfernt von seiner wohlgeordneten Bostoner Erziehung war, in der Sauberkeit als Zeichen für Gottes Gunst und Abstinenz als Versicherung für das ewige Seelenheil galt.
Ridley war offenkundig darauf aus, den Sohn Reverend Elial Starbucks zu schockieren und dieses Vergnügen so richtig auszukosten, doch selbst die schmierigsten Wirtshäuser hatten für Starbuck etwas Bezauberndes, schon allein deshalb, weil sie so fern der calvinistischen Freudlosigkeit seines Vaters waren. Es war keineswegs so, dass es in Boston an vergleichbar armseligen und deprimierenden Schenken, wie sie in Richmond zu finden waren, mangelte, aber Starbuck hatte nie einen Fuß in eine dieser Bostoner Lasterhöhlen gesetzt und zog daher eine seltsame Befriedigung aus Ridleys mittäglichen Ausflügen in Richmonds übelriechende Gassen. Diese Abenteuer schienen zu beweisen, dass er dem kalten, missbilligenden Blick seiner Familie tatsächlich entkommen war. Ridley jedoch brachte Starbucks sichtlicher Genuss dieser Kneipengänge nur dazu, sich bei dem Versuch, ihn zu schockieren, noch mehr anzustrengen. «Wenn ich Sie hier alleinlassen würde, Reverend», drohte Ridley in einer Spelunke, die nach der Jauche stank, welche aus einer verrosteten Leitung, keine zehn Fuß von der Speisekammer entfernt, in den Fluss tropfte, «würde man Ihnen innerhalb von fünf Minuten die Kehle durchschneiden.»
«Weil ich ein Nordstaatler bin?»
«Weil Sie Schuhe tragen.»
«Mir würde nichts passieren», behauptete Starbuck. Er hatte keine Waffe, und die etwa zwölf Männer in dem Wirtshaus sahen ganz gewiss danach aus, als könnten sie eine Menge respektabler Kehlen durchschneiden, ohne dabei den winzigsten Gewissensbiss zu empfinden, aber Starbuck wollte vor Ethan Ridley keine Angst zeigen. «Lassen Sie mich hier zurück, wenn Sie wollen.»
«Sie würden es nicht wagen, allein hierzubleiben», sagte Ridley.
«Na los. Dann werden Sie schon sehen, ob es mir etwas ausmacht.» Starbuck drehte sich zur Durchreiche um und schnippte mit den Fingern. «Noch ein Glas hierher! Nur eins!» Das war pure Angeberei, denn er trank kaum Alkohol. Er nippte zwar an seinem Whiskey, aber es war Ridley, der regelmäßig Starbucks Glas leerte. Die Furcht vor der Sünde verfolgte Starbuck, doch es war genau diese Furcht, die den Ausflügen in die Schenken ihre Würze verlieh, und Alkohol war eine der schwereren Sünden, mit deren Versuchung Starbuck halb liebäugelte, während er sich halb dagegen wehrte.
Ridley lachte über Starbucks herausfordernde Haltung. «Sie haben Mut, Starbuck, das kann man sagen.»
«Also gehen Sie.»
«Faulconer würde es mir nie verzeihen, wenn Sie umgebracht werden. Wo Sie doch sein neues Schoßhündchen sind, Reverend.»
«Schoßhündchen!» Starbuck fuhr auf.
«Das sollte keine Beleidigung sein, Reverend.» Ridley drückte eine Zigarre aus und zündete sich sofort die nächste an. Er war ein Mann von unersättlichen Begierden. «Faulconer ist ein einsamer Mann, und einsame Männer haben gern ein Schoßhündchen. Deshalb engagiert er sich so stark für die Sezession.»
«Weil er einsam ist?» Starbuck verstand nicht, was das bedeuten sollte.
Ridley schüttelte den Kopf. Er lehnte mit dem Rücken am Tresen und starrte durch ein schmuddeliges Fenster mit gesprungener Scheibe hinaus auf einen Zweimaster, der an einem morschen Holzkai festgemacht hatte. «Faulconer unterstützt den Aufstand, weil er glaubt, sich damit bei den alten Freunden seines Vaters beliebt machen zu können. Er wird sich als eifrigerer Südstaatler erweisen als jeder andere von ihnen, weil er selbst auf gewisse Art nämlich überhaupt kein Südstaatler ist, können Sie mir folgen?»
«Nein.»
Ridley schnitt ein Gesicht, als hätte er keine Lust auf weitere Erklärungen, doch dann versuchte er es noch einmal. «Er besitzt viel Land, Reverend, aber er nutzt es nicht. Er betreibt keine Viehzucht, er baut nichts an, er hat nicht einmal Weidetiere. Er besitzt es einfach nur zum Anstarren. Und Nigger hat er auch keine, jedenfalls nicht als Sklaven. Sein Geld kommt vom Eisenbahnbau und von Wertpapieren, und die Wertpapiere kommen aus New York oder London. Er ist wahrscheinlich mehr in Europa zu Hause als hier in Richmond, aber er will trotzdem hierhergehören. Er will ein Südstaatler sein, aber er ist es nicht.» Ridley blies eine Wolke Zigarrenrauch in den Raum, dann wandte er Starbuck seinen dunklen, sarkastischen Blick zu. «Ich gebe Ihnen jetzt einen guten Rat.»
«Gern.»
«Stimmen Sie ihm immer zu», sagte Ridley außerordentlich ernst. «Die Familie kann sich mit Washington Faulconer streiten, deshalb verbringt er übrigens auch nur wenig Zeit mit ihr, aber Privatsekretären wie Ihnen und mir ist keine abweichende Meinung gestattet. Unsere Aufgabe ist es, ihn zu bewundern. Haben Sie mich verstanden?»
«Er ist ja auch bewundernswert», sagte Starbuck loyal.
«Ich glaube, wir sind alle bewundernswert», sagte Ridley amüsiert, «solange wir nur einen Sockel finden, auf den wir uns stellen können. Washington Faulconers Sockel ist sein Geld, Reverend.»
«Und Ihrer auch?», fragte Starbuck streitlustig.
«Nein, meiner nicht, Reverend. Mein Vater hat das gesamte Familienkapital verloren. Mein Sockel, Reverend, sind Pferde. Ich bin verdammt noch mal der beste Reiter diesseits des Atlantiks. Und eigentlich auch auf der anderen Seite.» Ridley grinste über seinen eigenen Mangel an Bescheidenheit, dann stellte er sein Whiskeyglas ab. «Gehen wir nachsehen, ob diese Bastarde bei Boyle and Gamble die Ferngläser aufgetrieben haben, die man uns letzte Woche versprochen hat.»
Abends verschwand Ridley ins Domizil seines Halbbruders in der Grace Street, und Starbuck ging allein zurück zu Washington Faulconers Haus, durch Gassen, die von ungewöhnlichen Typen aus den tieferen Regionen des Südens nur so wimmelten. Da waren stelzbeinige, hagere Männer aus Alabama, langhaarige, braun gebrannte Reiter aus Texas und bärtige Kriegsfreiwillige in schlichter Kleidung aus hausgewebtem Leinen, und alle waren sie bewaffnet wie die Piraten und bereit, sich jeden Augenblick in einen Wutrausch zu saufen. Huren und Schnapshändler machten ein kleines Vermögen, die Mieten verdoppelten sich einmal und dann ein zweites Mal, und immer noch brachten die Eisenbahnen neue Freiwillige nach Richmond. Und jeder einzelne von ihnen war gekommen, um die neue Konföderation vor den Yankees zu schützen, auch wenn es zunächst so aussah, als wäre die neue Konföderation besser beraten, sich vor ihren eigenen Verteidigern zu schützen. Doch dann wurden die bunt...
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