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»Ganz gleich, ob ein Diener oder der Gastgeber oder ein anderes Mitglied der Familie einen Gast hinausbegleitet, die Tür wird nie geschlossen, bis der Gast in ein Auto eingestiegen ist oder sich zu Fuß auf den Weg gemacht hat.«
- Amy Vanderbilt's Complete Book of Etiquette: A Guide to Gracious Living, Part III, »Home Entertaining« [1952]
Um vier Uhr musste Gladys The Breakers verlassen haben. So lautete die Frist, die man ihr gesetzt hatte. Vier Uhr. Am Karfreitag. Streng genommen war es keine Zwangsräumung. Es hatte weder einen Gerichtsprozess gegeben, noch hatte ein Sheriff ihr einen Räumungsbescheid ausgehändigt, keine dieser Peinlichkeiten. Dennoch war es ein Rauswurf.
Ihre Urgroßeltern Cornelius Vanderbilt II und seine Frau Alice hatten den dreistöckigen Sommersitz mit seinen siebzig Zimmern im Jahr 1895 gebaut, und seitdem hatte immer ein Vanderbilt darin gewohnt. Gladys sollte die Letzte sein. Sie arbeitete als Krankenschwester, hatte sich aber immer dem Erhalt des Anwesens und seiner Geschichte gewidmet, so wie es ihre Mutter getan hatte und vor ihr ihre Großmutter. Gladys war Mitglied in den Beratungsausschüssen der Preservation Society of Newport County, einer gemeinnützigen Organisation, die sich dem Erhalt des architektonischen Erbes in der Region Newport County widmet, und hatte stets ein waches Auge für die kleinsten Reparaturen und Wartungsarbeiten gehabt.
Niemand war so eng mit The Breakers verwoben wie Gladys. Immerhin war der prächtige Palast mit den dicken Samtkordeln, den kostbaren Kunstwerken und den auf Hochglanz gebohnerten Parkettböden für sie nicht einfach ein Museum, ein abstraktes Symbol für ein vergangenes Zeitalter, das nun die neugierigen Blicke einer halben Million Besucher pro Jahr erduldete. The Breakers war ein Zuhause. Ihr Zuhause. Ihre Geschichte. Gladys kannte jeden Riss in den Decken. Sie kannte jedes Knarren der Parkettdielen. Als Kinder waren sie und ihr Bruder Paul unter großem Getöse auf Tabletts, die sie sich in der Küche geliehen hatten, die glattpolierten Marmortreppen hinuntergeglitten, ein Vergnügen, das ihre Mutter als Kind von ihrem eigenen Vater gelernt hatte. Jeder Winkel ihres weitläufigen Apartments in der dritten Etage war mit solchen Erinnerungen angefüllt.
An jenem Märztag gab es nicht viele Besucher im Haus. Im Sommer ist Hochsaison, und im Winter dünnt sich der Besucherstrom deutlich aus, als würden sich die historischen Anwesen in Newport daran erinnern, dass es Zeit für einen Winterschlaf ist, ihr prächtiges Interieur mit weißen Laken zugedeckt. Diejenigen, die trotzdem kommen, um einen Blick auf eine vergoldete Vergangenheit zu werfen, müssen auf dem breiten Weg zum prächtigen Eingangstor dem steifen Wind trotzen, der ungestüm, vom Atlantik kommend, an ihnen zerrt. Die Besucher, die an jenem Karfreitag auf eine Führung warteten oder auf der Anlage spazieren gingen, nahmen wahrscheinlich nichts Ungewöhnliches wahr. Gladys' Apartment war für Besucher gesperrt, daher konnte niemand sie, Paul und die wenigen Freunde sehen, die seit Monaten beim Packen geholfen hatten, nun den alten Otis-Aufzug mit großen reißfesten schwarzen Müllsäcken beluden und damit in den Keller fuhren. Vor ihrer letzten Fuhre traten sie nach draußen auf die Terrasse mit Blick über den Ozean und stießen mit Champagner kurz auf The Breakers an, im Gedenken an die Familie, die Freunde und ein Leben, das nun zu Ende ging.
The Breakers ist das größte und opulenteste Anwesen des Gilded Age - des »Vergoldeten Zeitalters« - in Newport, und es ist nach wie vor die beliebteste Touristenattraktion im Bundesstaat Rhode Island. Im Sommer rollt ein nicht enden wollender Konvoi von Reisebussen über die Ochre Point Avenue und einer nach dem anderen spuckt Besuchergruppen aus, die auf den gewundenen Pfaden, die sich entlang des Kliffs über dem Ozean ziehen, über knirschenden Perlkies laufen. Versteckt hinter zehn Meter hohen schmiedeeisernen, in Kalkstein gesetzten Toren, die an die Bollwerke in europäischen Hauptstädten erinnern, die gegen Aufstände und Unruhen schützen sollten, mutet das Anwesen wie ein italienischer Palazzo an. Doch anders als die echten Paläste der europäischen Aristokratie, denen seine Architektur nachempfunden ist, ist The Breakers neu . reich.
Als Cornelius Vanderbilt II dieses Anwesen errichten ließ, war er Präsident und Chairman der Eisenbahngesellschaft New York Central Railroad, des Unternehmens, das sein Großvater Commodore Cornelius Vanderbilt gegründet hatte, nachdem er sein erstes Vermögen im Transportgeschäft verdient hatte. Alice hatte den Architekten Richard Morris Hunt mit dem Bau einer Sommerresidenz in Newport beauftragt, nachdem das ursprüngliche Haus auf demselben Grundstück 1892 bis auf die Grundfesten abgebrannt war. Mit bienenhaftem Fließ bearbeiteten Steinmetze aus England Marmorblöcke, die aus Italien importiert worden waren. In nur zwei Jahren erhob sich The Breakers, das nach den Wellen benannt wurde, die sich am Fuße des Kliffs brechen, aus der Asche seines früheren Selbst - ein Tempel des Vanderbilt'schen Geldes und Ehrgeizes.
Verglichen mit dem Anwesen, das Cornelius II und seine Frau Alice in New York City besaßen, war The Breakers eher klein, und wenn sie es in Briefen oder Kalendern erwähnten, bezeichneten sie es schlicht als »Zuhause«, auch wenn ihnen die Pracht dieses Luxusanwesens durchaus bewusst war.
Die schiere Größe der Sommerresidenz hat etwas Unermessliches: siebzig Zimmer, deren Grundfläche sich eher in Hektar als in Quadratmetern ausdrücken lässt - insgesamt fast dreimal so groß wie das Weiße Haus. Die Wände des Morgensalons sind mit Platin ausgekleidet. Allein der erste Stock besteht aus einer Zimmerflucht, deren Größe eher an die Hotellobby eines Grandhotels erinnert als an ein Haus, das nur dazu dienen sollte, der Hitze schwüler Hochsommertage zu entfliehen. Es gibt separate Empfangsräume für Herren und Damen, wie es dem viktorianischen Sittenkodex entsprach, daneben eine große Halle, eingerahmt von einer Galerie mit Skulpturen von Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft und Industrie, wie man sie in einer Universitätsbibliothek finden würde, und mit Trompe-l'oil-Deckenfresken; ein Musiksalon mit vergoldeter Decke, ein Billardsalon im Stil des alten Roms - auch wenn diese Zivilisation nie von Billard gehört hatte - und ein Speisesaal mit einem Esstisch, an dem vierunddreißig Personen Platz fanden. In einer Bibliothek steht eine Bronzebüste von William Henry Vanderbilt II, dem Sohn des Eigentümers, der noch als Student in Yale gestorben war, eine zweite Marmorbüste des Vaters Cornelius Vanderbilt II und ein Kamin, der aus einem französischen Schloss aus dem 16. Jahrhundert stammte und der Neuen Welt und ihrem neuen Reichtum mit der Inschrift »Ich lache über großen Reichtum und vermisse ihn nie; am Ende zählt nur die Weisheit« ein historisches Flair verleihen sollte.
Bis vor wenigen Jahren kauften die Touristen, die einen Blick in diese geheime vergoldete Welt werfen wollten, ihre Eintrittskarten in einem Zelt, das neben einer Reihe mobiler Toilettenhäuschen stand; inzwischen reservieren die meisten ihre Tickets online. Die Führungen finden in mehreren Turnussen statt. In der strahlenden Sommersonne von Newport und der lauen Seeluft fällt das Warten nicht so schwer. Besucher des prachtvollen Anwesens aus dem Gilded Age werden nicht mehr angekündigt, wie es noch ein oder zwei Generationen zuvor üblich gewesen wäre. Von der Absperrung mit schweren Samtkordeln aus betrachten sie die Räume mit ihrem verschnörkelten Interieur, den mit Halbedelsteinen besetzten Wänden und den Badewannen, in die wahlweise Süß- oder Meereswasser direkt aus dem Ozean eingelassen wurde. Fotografieren ist erlaubt; nur wer ein Blitzlicht verwendet, muss mit einer strengen Ermahnung des Tourführers rechnen. Eine Einzelkarte für die Führung durch The Breakers kostet heute 26 Dollar; das entspricht rund 1 Dollar im Jahr 1913 - dem Monatslohn eines Küchenmädchens in der Vanderbilt'schen Küche. The Breakers hat nie einen Hehl aus seiner Beziehung zu Geld gemacht.
Cornelius Vanderbilt II war eng in alle Einzelheiten seines Bauwerks involviert, allerdings konnte er sein Anwesen nicht lange genießen. Im Jahr 1899 verstarb er an einem Schlaganfall, nur vier Jahre, nachdem The Breakers fertiggestellt worden war. Er wurde fünfundfünfzig Jahre alt. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1934 verbrachte Alice weiterhin jeden Sommer dort. Sie vererbte das Anwesen einer ihrer Töchter, Gladys Vanderbilt, die 1908 Laszlo Széchényi, einen ungarischen Grafen, geheiratet hatte und dadurch Gräfin Gladys Széchényi geworden war.
Wie es oft mit Dingen geschieht, deren Zweck darin besteht, Eindruck zu schinden, erwies sich The Breakers als eine enorme finanzielle Bürde. Allein die Instandhaltung des Hauses war eine...
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