Schweitzer Fachinformationen
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Das Heim von Geistern, von Hexen und einem Kind, das kein richtiges Kind ist.
1965 wird die junge Pearl zur Entbindung nach Lichen Hall geschickt, einem gotischen Herrenhaus, das in Schottland inmitten eines Waldes steht. Unverheiratete Frauen kommen hierher, um heimlich ihre Kinder zur Welt zu bringen. Doch in Lichen Hall lauert Gefahr. Seltsame Schimmelpilze überwuchern die Wände und gespenstische Geheimnisse kriechen aus dem dunklen Wald heran .
Ein Gothic-Thriller, der die gruseligsten schottischen Legenden aufgreift.
Woman Home: »Cooke hat die düstere Realität mit einem magischen Realismus vermischt.«
Candis: »Mit einer großartigen Handlung erzählt diese spannende und fesselnde Story von der schwierigen Geschichte der Frauen im Schottland Mitte des 20. Jahrhunderts.«
Katherine May: »C. J. Cooke ist eine Meisterin der feministischen Gothic!«
Carly Reagon: »Herrlich beunruhigend, seltsam überzeugend.«
Damals
Mabel
Dundee, Schottland, Mai 1959
Einer der Geister wohnt in meinem Knie. Direkt hinter der Kniescheibe ist eine kleine Vertiefung, und dort versteckt er sich - oder besser gesagt, sie sich -, eingemummelt im weichen Bett des Knorpelgewebes. Sie ist sehr klein und verängstigt, deshalb strecke ich beim Sitzen das Bein immer ein bisschen aus, um sie nicht zu stören. Ich habe niemandem ein Wort davon erzählt. Man würde mich für verrückt halten.
»Mabel? Hörst du zu?«
Die Augen meiner Ma sind weit aufgerissen, als würde sie verzweifelt gegen den Schlaf ankämpfen, aber ihre Hände erzählen eine andere Geschichte. Mit weißen Fingerknöcheln klammert sie sich am Riemen ihrer Handtasche fest, als säßen wir in der Achterbahn.
»Hast du gehört, was Dr. McCann gesagt hat?«
Ich nicke, aber in Wirklichkeit habe ich nicht zugehört. Das passiert mir ständig - dass ich in einen Tagtraum abgleite. Mein Blick wandert zur Akte auf dem Schreibtisch neben uns. Ich lese meinen Namen: Mabel Anne Haggith. Geburtsdatum 12. März 1942, 44 Kilogramm, 1,57 Meter. Dr. McCann sieht mich durch seine Brille an, seine dicken roten Finger sind ineinander verschlungen wie eine Meereskreatur. Der ganze Raum strahlt das Gefühl aus, dass ich irgendetwas falsch gemacht habe.
»Wann hatten Sie Ihre letzte Periode, Miss Haggith?«, fragt er.
»Bin mir nicht sicher.« Ich möchte vor Scham im Boden versinken. So was hat mich noch nie jemand gefragt. Das ist privat.
»Versuchen Sie, sich zu erinnern«, sagt er müde. Ma stößt mich mit dem Ellbogen an, als wäre ich unhöflich gewesen.
»Meine . Meine Regel war schon immer unregelmäßig«, stammle ich.
»Mich interessiert nur eine Menstruation, Miss Haggith.« Dr. McCann seufzt. »Die letzte.«
»Kurz vor Weihnachten.«
Ich erinnere mich, wie sich an dem Morgen der Boden zu neigen schien, als ich gerade die erste Ladung Weihnachtsgebäck in den Backofen schob. Ein heftiges Ziehen in meinem Unterleib, und ich wusste, was los war. Anders als jetzt.
Dr. McCann kritzelt etwas auf seinen Notizblock, dann blättert er in dem Kalender auf seinem Schreibtisch. Wieder kritzelt er, murmelt etwas. Der Geist in meinem Knie hustet.
»Fünf Monate«, verkündet Dr. McCann plötzlich. »Damit dürfte der Termin Ende September sein.« Er leckt Zeigefinger und Daumen an und nimmt eine Broschüre von einem Stapel auf seinem Schreibtisch. »Hier«, sagt er und gibt sie Ma. »Ich nehme an, dass Sie so früh wie möglich Erkundigungen einholen wollen.«
Seufzend nimmt Ma die Broschüre. Der Geist ist ruhelos und kann nicht schlafen. Ich reibe heftig meine Kniescheibe, bis Ma verärgert meine Hand wegzieht.
»Wer war es?«, fährt sie mich an. Ihre Augen blitzen. »War es dieser schreckliche Junge? Dieser Jack?«
»Jack?« Ich runzle die Stirn. »Ich verstehe nicht, was du meinst. Was ist denn mit mir? Muss ich sterben?«
»Sterben?« Dr. McCann lacht. »Kommen Sie, Mabel! Sie sind 17! Sie sind kein kleines Kind mehr.«
». hätte nie gedacht, dass du die Beine breit machst«, zischt Ma. In ihren Augen zittern Tränen der Wut. »Und dann auch noch für diesen widerlichen ungewaschenen Kerl. Ich wusste, dass es so weit kommen würde. Ich wusste es!«
Erst als ich den Titel der Broschüre sehe, dämmert es mir - ein langsames Begreifen, als würden Finger über meinen Nacken krabbeln. Mutter-Kind-Heim St. Lukas. Das Deckblatt zeigt das Bild einer jungen Frau, die im Bett sitzt, neben ihr ein Mann und eine Frau. Alle lächeln und sie reicht dem Ehepaar ein Baby. Der Untertitel lautet: Eine Adoption ist die beste Option für unverheiratete Mütter.
Sie glauben, dass ich ein Baby bekomme! Darum geht es also.
»Ich kriege kein Kind!«, protestiere ich laut und erzähle ihnen fast von den Geistern, die manchmal in meiner Lunge schlafen oder sich in meinem Zahnfleisch verstecken, und dass vielleicht ein Geist in meiner Gebärmutter ist und sie ihn mit einem Baby verwechseln. Aber stattdessen sage ich »Ich bin noch Jungfrau«, was Dr. McCann dazu veranlasst, laut loszuprusten. Aber es stimmt - ich bin Jungfrau. Ich hatte noch nie Sex, nicht mal die Sorte, die man nur mit den Händen macht.
Dr. McCann sieht Ma an. Ihr Gesicht ist verkniffen, ihre Lippen gespitzt. Eine interessante Tatsache, die ich einmal gehört habe, fällt mir ein: Der durchschnittliche Mensch lügt ein- bis zweimal am Tag, wird aber bis zu 200 Mal pro Tag belogen. Ich weiß, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Lügt also Dr. McCann?
Mein Stiefvater Richard wartet im Wagen auf uns, als wir die Praxis verlassen. »Alles okay?«, fragt er Ma, und sie drückt ihr Gesicht an seine Brust, als wären wir gerade aus einem Kriegsgebiet geflohen.
Er kneift die Augen zusammen und blickt von ihr zu mir. »Was hast du angestellt?«, fragt er.
Ich halte mein Knie für den Geist gestreckt, aber sie ist schon weitergezogen. Ich kann sie jetzt in meinem Bauch spüren. Sie tanzt.
»Es ist dieser Jack«, flüstert Ma. »Er hat Mabel geschwängert.«
Jack ist mein Freund, der zwei Türen weiter wohnt. Wir gehen miteinander, haben aber nie mehr gemacht, als uns zu küssen. »Es ist nicht Jack!«, sage ich aus Sorge, dass sie ihm die Schuld gibt, obwohl er unschuldig ist.
»Heilige Muttergottes!«, zischt sie und bekreuzigt sich. »Es gibt ein ganzes Geschwader potenzieller Väter!«
Mit finsterem Gesicht starrt Richard mich an. Mein Herz galoppiert. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe.
Wir machen uns auf den Heimweg. Unser Haus ist ein vierstöckiges Reihenhaus an der Rotten Row. Es hat neun Zimmer, von denen sieben für gewöhnlich von Fremden bewohnt werden. Wir wohnen schon mein ganzes Leben dort, aber ein Gästehaus ist es erst, seit Dad vor zehn Jahren starb. So hat Ma Richard kennengelernt. Er ist vor sechs Jahren eingezogen und nicht wieder gegangen.
Unterwegs halten wir vor Mr. McGregors Metzgerei. Als Richard das Fenster herunterkurbelt, weht der Geruch von der Ladentür herüber wie aus einer offenen Gruft. Ich kralle mich am Türgriff fest und bin mir sicher, dass ich mich gleich übergeben muss.
Eine Adoption ist die beste Option für unverheiratete Mütter.
»Hol das Hackfleisch, Mabel«, sagt Ma und gibt mir ein paar Münzen. »Ein Viertelpfund und nicht ein halbes Gramm mehr, hast du gehört? Na, geh schon.«
Ich halte mir den Jackenaufschlag vor die Nase und betrete die Metzgerei. Eine zentimeterdicke Schicht Sägemehl bedeckt den Boden, gerupfte Hühner baumeln an ihren Hälsen von der Decke und eine Reihe toter Schweine hängt kopfüber an der hinteren Wand.
Mr. McGregors Sohn Rory steht heute hinter der Ladentheke. Er ist etwas älter als ich und taub. Wenn Rory arbeitet, benutzen sie im Laden einen Notizblock und einen Stift, damit die Kunden aufschreiben können, was sie haben wollen. Manchmal schreibt Rory kleine Botschaften zurück, etwa »Gutes Wetter zum Grillen!« oder »Gut sehen Sie heute aus, Mrs. Haggith!«.
Was war das noch mal, was ich kaufen sollte? Ein totes Huhn?
Als ich an die Reihe komme, ist Rory von einem älteren Mann abgelöst worden, den ich noch nie gesehen habe. Er muss für Mr. McGregor arbeiten, denn er trägt eine blutige, gestreifte Schürze und wischt sich gerade die Hände an einem Handtuch ab und starrt mich an. Er hat eine Tätowierung über die ganze Seite seines Gesichts. Ein Spinnennetz.
»Was darf's sein?«, fragt er. »Heute sind Schweinewürste im Angebot. Das Pfund für zehn Pence.«
Ich bin noch zu tief in meinem Körper, um mit ihm zu sprechen, deshalb nehme ich den Notizblock und den Stift.
Hühnchen, oder?
Ich schlage eine neue Seite im Notizblock auf und schreibe, aber die Worte ergeben keinen Sinn. Sie lauten:
Im Wagen ist ein Mann, der meiner Ma ein Messer an den Hals hält. Er wird sie töten, wenn Sie mir nicht alles geben, was in der Kasse ist.
Ich reiche dem Mann mit der Spinnennetztätowierung den Block. Mit einem Ausdruck tiefster Verwirrung blickt er zu mir auf, und plötzlich bin ich erleichtert, denn er ist genauso grün im Gesicht, wie ich mich nach dem, was in Dr. McCanns Büro geschehen ist, fühle. Warum habe ich das geschrieben? Es muss einer der Geister gewesen sein. Ich spüre, wie einer von ihnen sich unruhig entlang meines Zeigefingerknochens ausstreckt.
Der Laden ist leer. Der Mann schaut wieder zu Richards Wagen hinaus, und was auch immer er sieht, muss ihn wohl überzeugen, denn er springt zur Kasse und stopft haufenweise Geld in eine Plastiktüte. Mit einem grimmigen Nicken reicht er mir die Tüte, sie baumelt voller Münzen und Geldscheine im widerlichen Gestank der toten Tiere. Mein Arm hebt sich, meine Finger strecken sich, die Tüte schwingt in meiner Hand, meine Beine machen kehrt und meine Füße bahnen einen frischen Pfad durch das Sägemehl. Und dann bin ich draußen und steige mit der Tüte voller Geld in den Wagen. Ich bin mir nicht sicher, was hier gerade passiert.
»Gib mir das Hackfleisch«, sagt Ma und schnippt mit den Fingern. »Und den Bon. Ich will doch hoffen, dass er dir nicht zu viel berechnet hat. Packt immer ein paar Gramm mehr ein, als ich bestellt habe, dieser McGregor!«
Ich reiche ihr die Tüte. Sie öffnet sie und starrt auf das Geld. Es gibt einen Augenblick absoluter Stille, als alle...
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