Schweitzer Fachinformationen
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Die Küste, vor der die kleine Brigg gleichsam als Schildwache zum Schutz des hochragenden Rumpfs der Jacht über ihrem Anker schwamm, hat keine besonderen Merkmale. Es ist ein formloses Land. Es erstreckt sich weithin ohne ein Kap oder einen steilen Felsen, lang und flach - endlos; und wenn die schweren Regengüsse des Nordost-Monsuns ihre Wassermassen über die See treiben, sieht man das Land nur im schwachen Umriß unter dem grauen Himmel, dunkel und in verschwommener Linie wie den geraden Rand eines sich auflösenden Ufers. In der langen Jahreszeit wolkenloser Tage zeigt sich das Land nur als ein schmaler Streifen Erde auf der weiten Fläche der Wasser, flachgedrückt vom Gewicht des Himmels, dessen riesige Kuppel in einer zarten und zugleich scharfen Linie auf dem Horizont des Meeres ruht.
Trotz ihrer Nähe zu den Zentren europäischer Macht ist diese Küste seit Menschengedenken den streitbaren Seefahrern jener Meere als >Das Gestade der Zuflucht< bekannt gewesen. Auf den Karten ist sie nicht namentlich bezeichnet, und die geographischen Handbücher erwähnen sie überhaupt nicht, - aber die Geschlagenen vieler Niederlagen zogen sich von jeher hier in Sicherheit zurück. Es anzusteuern ist für einen Fremden außerordentlich schwierig. Von außen, vom Meere her gesehen, verschmelzen die unzähligen Inselchen, die das, was man seiner weiten Ausdehnung wegen das Festland nennen könnte, umsäumen, mit einem Hintergrund, der nicht eine einzige Landmarke aufweist, nach der man seinen Weg durch die verwickelten Kanäle zu suchen imstande wäre. Man könnte sagen, daß auf einer Strecke von zwanzig Meilen das Gewässer an dieser flachen Küste mehr aus Korallenriffen, Schlick, Sand und Steinen besteht als aus reinem Seewasser. Auf eine der äußeren Untiefen war die Jacht aufgelaufen, und hier war es, wo die auf dieses Mißgeschick folgenden Ereignisse sich abspielten.
Das zerstreute Licht der kurzen Morgendämmerung enthüllte nach Westen zu das offene Wasser, das glatt und grau unter dem blassen Himmel schlief. Die gradlinige Küste erschien düster am Rande der Untiefen, auf denen in der Windstille der schwindenden Nacht nicht das leiseste Gekräusel zu sehen war. Im schwachen Zwielicht des Morgengrauens erschienen die niedrigen Büsche auf den Sandbänken wie riesige Baumgruppen.
Zwei Gestalten, lautlos wie zwei Schatten, schritten langsam über das Ufer eines felsigen Inselchens und blieben dicht am Wasser nebeneinander stehen. Hinter ihnen, zwischen den Matten, von denen sie sich erhoben hatten, schwelte still ein Häufchen schwarzer Asche. Sie standen aufrecht und völlig still, nur ihre Köpfe bewegten sich leise hin und her, während sie über die graue Eintönigkeit der Gewässer dorthin spähten, wo, etwa zwei Meilen entfernt, der Rumpf der Jacht sich schwarz und formlos vom blassen Himmel vor der See abhob.
Die beiden Gestalten blickten hinüber, ohne auch nur ein Murmeln auszutauschen. Die größere der beiden stützte sich mit ausgestrecktem Arm auf den langen Lauf einer Büchse, deren Schaft im Sande ruhte; das Haar der anderen fiel bis zum Gürtel. Die Blätter der Ranken, die nahebei von der Spitze des steilen Felsens herabhingen, regten sich ebensowenig wie das Gestein unter ihnen. In dem schwachen Licht, das hier und da das Schimmern weißer Sandbänke und die verschwommenen Umrisse der in der Düsternis der Küste verstreuten Inselchen sichtbar werden ließ, in der tiefen Stille, dem ungeheuren Schweigen ringsum erschienen die beiden menschlichen Wesen, die sich, von schlafloser Hoffnung angetrieben, bei Tagesanbruch erhoben hatten und nun den Blick weit über das verschleierte Antlitz der See wandern ließen, sehr einsam.
»Nichts!« sagte der Mann mit einem Seufzer, aus einem langdauernden Sinnen gleichsam erwachend.
Er war in eine Jacke aus rauhem, blauem Baumwollstoff gekleidet, wie arme Fischer sie tragen; sie ließ, vorne weit offen, eine muskulöse Brust sehen, braun und glatt wie Bronze. Aus dem Bund des fadenscheinigen, eng um die Hüften gewundenen Sarong ragte an seiner linken Seite der elfenbeinerne, mit sechs Goldbändern verzierte Griff einer Waffe, deren ein Fürst sich nicht hätte zu schämen brauchen. An dem Feuersteinschloß und dem aus Hartholz gefertigten Schaft seiner Büchse glitzerte Silber. Das um seinen Kopf geschlungene rotgoldene Tuch war aus kostbarem Stoff, wie er von hochgeborenen Frauen in den Haushalten der Häuptlinge gewebt wird; nur waren die Goldfäden verblichen und war die Seide in den Falten zerschlissen. Er trug den Kopf zurückgeworfen, und unter den gesenkten Lidern schimmerten die Augen hervor. Sein Gesicht war bartlos, die kurze Nase zeigte bewegliche Nüstern, und in den Winkeln der ziemlich vollen Lippen saß, wie mit einem feinen Meißel eingekerbt, ein ständiges Lächeln sorgloser Gutlaunigkeit. Seine aufrechte Haltung bekundete eine lässige Eleganz. Doch war in der gleichmütigen Miene, in dem gelassenen Benehmen des Mannes etwas Gespanntes und Zurückgedrängtes zu spüren.
Er warf noch einen suchenden Blick auf das offene Meer, dann wandte er sich der aufgehenden Sonne zu und schritt mit bloßen Füßen über den elastischen Sand. Der nachschleppende Schaft seiner Büchse hinterließ eine tiefe Furche. Der Aschenhaufen hatte aufgehört zu schwelen. Er betrachtete ihn eine Weile nachdenklich, dann rief er über die Schulter dem Mädchen, das zurückgeblieben war und immer noch auf die See hinausspähte, zu: »Das Feuer ist aus, Immada.«
Bei dem Klang seiner Stimme schritt das Mädchen auf die Matten zu. Ihr schwarzes Haar hing an ihr wie ein Mantel. Ihr Sarong, das dem Schottenrock ähnliche Gewand, das beide Geschlechter tragen, war nach nationalem Brauch grau und rot gemustert, aber sie hatte ihre Kleidung nicht mit dem Gürtel, den Schärpen, den losen Umhüllungen des Oberkörpers und dem Kopftuch vervollständigt, wie die Frauen sie tragen. Ein schwarzes Seidenjackett, wie das eines Mannes von Rang, umschloß zugeknöpft ihre Büste und schmiegte sich eng an ihre schlanke Taille. Der Rand eines mit Goldstickereien versteiften Kragens rieb sich an ihrer Wange. Sie trug weder Armbänder noch Reifen um die Fesseln, und obgleich sie eigentlich wie ein Mann gekleidet war, sah man an ihr keinerlei Waffe. Ihre herabhängenden Arme staken in außerordentlich engen, vom Handgelenk kurz aufwärts geschlitzten Ärmeln, die mit Goldlitzen und einer Reihe kleiner goldener Knöpfe besetzt waren. Braun und flink, eine in sich vollkommene Gestalt, ging sie mit kurzen Schritten, die Augen voller Lebhaftigkeit in dem sonst unbewegten kleinen Gesicht, den geschweiften Mund fest geschlossen. Die ganze Person in ihrer strengen Anmut atmete den feurigen Ernst der Jugend, die das Wagnis des Lebens grad erst beginnt - die am Anfang ihres Glaubens und ihres Hoffens steht.
Dies war der Tag, an dem Lingard an der Küste eintreffen sollte; aber die Brigg erschien, wie man weiß, von der Flaute aufgehalten, erst am weit vorgeschrittenen Vormittag vor den Untiefen. In ihrer Hoffnung getäuscht, das erwartete Segel in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne aufleuchten zu sehen, streckten sich der Mann und das Mädchen, ohne den Versuch zu unternehmen, das Feuer wieder anzuzünden, auf ihren Schlafmatten aus. Zu ihren Füßen war ein gewöhnliches Kanu, aus dem Wasser gezogen, der größeren Sicherheit halber mit einem Grastau an den Schaft eines langen, fest in den weißen Sand gesteckten Speers gebunden, und die aufkommende Flut schlug eintönig gegen das Heck.
Das Mädchen band sein schwarzes Haar auf und befestigte es mit dünnen Holznadeln. Der Mann, in voller Länge ausgestreckt, hatte seiner Büchse Platz auf der Matte eingeräumt - - wie einem Freund - und blickte, auf den Ellbogen gestützt, in Richtung der Jacht, mit Augen, sinnend und gebannt, die wie unter einem durchsichtigen Schleier die langsam vorüberziehenden dunklen Gedanken verrieten und allmählich in ein düsteres Starren übergingen.
»Dreimal haben wir auf diesem Inselchen die Sonne aufgehen sehen, und kein Freund kam vom Meere«, sagte er, ohne seine Haltung zu ändern. Er wandte dem Mädchen den Rücken, das an der anderen Seite der erkalteten Asche saß.
»Ja; und der Mond nimmt ab«, antwortete sie leise. »Der Mond nimmt ab. Doch er versprach hier zu sein, wenn die Nächte hell sind und das Wasser die Sandbänke bis zu den Büschen bedeckt.«
»Der Wanderer kennt wohl die Zeit seines Aufbruchs, aber weiß nicht, wann er zurückkehrt«, bemerkte der Mann ruhig.
Das Mädchen seufzte. »Die Nächte des Wartens sind lang«, murmelte sie.
»Und manchmal wartet man vergeblich«, sagte der Mann so gleichmütig wie zuvor. »Vielleicht wird er überhaupt nicht wiederkommen.«
»Warum?« fuhr das Mädchen auf.
»Die Straße ist lang, und das Herz mag erkalten«, war die gelassene Antwort. »Wenn er nicht wiederkommt, dann ist es, weil er vergessen hat.«
»O Hassim, dann ist es, weil er tot ist«, rief das Mädchen entrüstet.
Der Mann, ohne den Blick von der See zu wenden, lächelte über die Heftigkeit ihrer Antwort.
Sie waren Bruder und Schwester, und wenn sie sich auch sehr glichen, so verlor sich die Familienähnlichkeit doch in der weiteren Ähnlichkeit, die der ganzen Rasse gemein ist.
Sie waren in Wajo beheimatet, und unter den Malaien geht die Redensart, daß ein Mann, um ein erfolgreicher Seefahrer und Händler zu sein, etwas Wajo-Blut in den Adern haben müsse. Und für dieses Volk ist der Handel, der zugleich weite Reisen bedeutet, eine romantische und ehrenhafte Beschäftigung. Der Händler muß den Mut zu Abenteuern besitzen und einen...
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