Schweitzer Fachinformationen
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Giulia Zeidler und ihre Mutter erhalten die überraschende Nachricht von einer Erbschaft in Italien. Der Großvater vermacht ihnen sein Haus und sein Olivengut in Ligurien. Also reist Giulia von Frankfurt an die ligurische Küste - und ist sogleich verzaubert von der unglaublichen Schönheit der Gegend. Doch die Nachbarn begegnen der deutschen Erbin mit Argwohn. Einzig Marco empfängt sie freundlich. Die Situation in der Villa über dem Meer ist komplizierter, als es scheint ...
Den Weg zum Haus wies lediglich ein schlichtes Holzschild, dessen schnörkelige Beschriftung Giulia allerdings sofort ins Auge sprang. Casa di Gelsomino. Jasminhaus, übersetzte sie zögerlich.
Bis hierher war sie eine zunehmend kurvigere und engere Straße gefahren, rechts und links gesäumt von terrassierten Feldern. Hier und da wuchsen Kiefern in den Himmel, von denen einige offensichtlich unter starkem Schädlingsbefall litten. Giulia war immer langsamer gefahren, hatte einmal sogar gedacht, sich verfahren zu haben, als sie so dicht an einem Haus vorbeimanövrieren musste, dass sie sicher gewesen war, sich auf Privatgelände zu befinden. Und gerade als sie dachte, die Einfahrt verpasst zu haben, tauchte das Schild endlich auf.
Kurz hinter der Einmündung wurde die asphaltierte Straße zu einem unebenen Waldweg, auf dem sich der Twingo nun langsam und sanft schaukelnd voranbewegte. Es war keine weite Strecke, aber es dauerte knappe zehn Minuten, bis der Waldweg sich zu einem größeren Platz hin öffnete, der rechts und links von Mandel-, Orangen- und Olivenbäumen sowie zahlreichen Jasminsträuchern gesäumt war. Es war noch viel beeindruckender, als Giulia sich das vorgestellt hatte. Im Schritttempo fuhr sie auf eine etwa zwei Meter hohe Steinmauer zu, in der ein deutlich in die Jahre gekommenes, weit geöffnetes Gittertor prangte. Giulia lenkte den Wagen hindurch, und im nächsten Moment rutschte ihr vor Überraschung der Fuß von der Kupplung. Der Twingo jaulte auf, machte einen Hüpfer und ging stotternd aus. Die Hand noch am Lenkrad blieb Giulia für einen Moment reglos sitzen, dann öffnete sie die Tür und stieg aus.
Sie befand sich in einem großzügigen Hof, dessen Boden gepflastert war, auch wenn die Steine teilweise herausgebrochen waren und Gras und anderer Pflanzenbewuchs üppig hervordrängten. Auch hier stand ein Mandelbaum. Am beeindruckendsten aber war das Haus selbst - nein, die in einem warmen, satten Gelbton gestrichene Villa, die zweistöckig vor ihr aufragte. Zum Haupteingang führten drei ausgetretene Steinstufen hinauf, gesäumt von weiteren Jasminsträuchern, deren feinen Duft Giulia jetzt deutlich wahrnahm. Die dunkle, geschnitzte Holztür war geschlossen. Giulia dachte an den großen Messingschlüssel, der im Handschuhfach auf sie wartete. Sie hatte ihn unmittelbar vor ihrer Abreise früh am Morgen bei ihrer Mutter abgeholt. Pina hatte ihn ihr wortkarg ausgehändigt, zusammen mit der Adresse. Giulia hatte vergeblich auf weitere aufschlussreiche Informationen gehofft, doch mehr als »Gute Reise, komm gesund wieder«, hatte ihre Mutter nicht über die Lippen gebracht.
In diesem Haus hatte ihre Mutter also einmal gelebt. Über der Tür befand sich ein Türsturz, auf dem seinerzeit wohl etwas eingemeißelt gewesen war, was Giulia aber heute nicht mehr entziffern konnte. Ihr Blick wanderte die Fassade hinauf. Hier und da blätterte Farbe ab, was dem Ganzen durchaus einen gewissen Charme gab. Zwei Stockwerke, dazu eine Art Dachgeschoss, dort waren die Fenster aber eher klein und teilweise kaputt. Während Giulia nach oben starrte, flog eine Taube durch eines der Löcher hinaus. Wie es wohl drinnen aussah? Vielleicht würde sie sich ja doch ein Hotel suchen müssen.
Neugierig schaute sie sich um. Rechts vom Hauptgebäude befand sich ein kleineres Haus, dazwischen führte eine Treppe nach unten, vermutlich eine Art Kellereingang. Am Gebäude vorbei ging ein Weg nach hinten. Giulia lauschte: Nichts war zu hören als das leise Summen von Insekten, fernes Hühnergackern und ein leichter Wind, der durch das Geäst fuhr. Irgendwo plätscherte Wasser. Sie atmete tief durch, während die Gedanken in ihrem Kopf weiter kreisten. Bei diesem Anblick verstand sie noch weniger, warum Pina nie von diesem Haus erzählt hatte. Diese charmante Villa war doch nichts, was man verschweigen oder gar vergessen musste? Und wenn doch, was sagte das womöglich über ihren Großvater aus? Warum wollte ihre Mutter nichts mit ihm zu tun haben? War er ein fürchterlicher Tyrann gewesen, der ihr alles verboten hatte und vor dem sie weggelaufen war?
Giulia beschloss, ihre Koffer und den Rucksack im Auto zu lassen und sich erst einmal umzusehen. Sie kramte den schweren Schlüssel hervor und stieg neugierig die Stufen zum Haupteingang hoch. Als sie probehalber die schwere Messingklinke betätigte, bemerkte sie überrascht, dass die Tür unverschlossen war. Giulia schob sie langsam auf.
In der Halle, die sich dahinter auftat, war es dämmrig. Licht fiel nur durch zwei schmale, verstaubte Fenster rechts und links der Tür hinein. Giulia fand den Lichtschalter und drückte darauf, doch nichts geschah. Gut möglich, dass man die Sicherungen herausgedreht hatte, sie würde sich später darum kümmern.
Giulia ließ ihren Blick durch die Halle gleiten, von der mehrere Türen abgingen. Eine breite Treppe führte ins Obergeschoss. Außerdem bemerkte Giulia eine Garderobe mit mehreren Mänteln, Regenmänteln und Gummistiefeln. Hier hatte er also gelebt - ihr Großvater Enzo Martini.
Sie beschloss, zuerst die obere Etage zu erkunden. Langsam und durchaus erwartungsvoll stieg sie die Treppe hinauf und erreichte einen Flur, von dem fünf Türen abgingen. Das erste Zimmer, das sie betrat, war ziemlich verwahrlost. In einem Fensterflügel war das Glas herausgebrochen, und als Giulia es betrat, stob eine Taube unter aufgeregtem Geflatter nach draußen. Mit einem kurzen Schaudern registrierte Giulia den Vogelkot auf dem Boden. Sie trat zurück in den Flur und zog die Tür fest hinter sich zu. Die nächsten beiden Zimmer boten ein ähnliches Bild, es schien fast so, als habe sie schon seit Jahrzehnten niemand mehr betreten. Erst das letzte Zimmer war anders. Dieses Zimmer hatte ihr Großvater ganz offensichtlich benutzt. In einer Ecke stand ein schweres Bett, wie es Ende des 19. Jahrhunderts modern gewesen war, gegenüber ein schwerer, dunkler Schrank. Giulia öffnete ihn und sah drei Anzüge, ordentlich auf Bügel gehängt, einen Stapel Hemden, mehrere Arbeitshosen und Unterwäsche. Auf dem Boden direkt neben dem Schrank standen, auf einer alten Ausgabe des Corriere della Sera, ein paar auf Hochglanz polierte, inzwischen leicht staubige Sonntagsschuhe, und auch wenn ihr Großvater schon seit einer Weile tot war, roch es immer noch nach einem Gemisch von Aftershave und würzigem Honig.
Giulia ließ ihren Blick durch den Raum gleiten. Es war ein ordentliches Zimmer, das einzige ordentliche Zimmer, das sie bisher gefunden hatte. Warum hast du die anderen Zimmer nur so verfallen lassen? Von außen hatte es, bis auf die kaputten Fenster, ja noch einladend ausgesehen, aber drinnen?
Giulia überlegte. Was sollte ihre Familie mit dem Haus anfangen? Hier musste einiges gemacht werden, und vielleicht hatte ihre Mutter recht damit, es verkaufen zu wollen. Wie nannte man so was doch gleich immer: Haus mit Potenzial? Giulia hielt erschrocken inne. Sprach da etwa die kühl abwägende Juristin aus ihr? Energisch schloss sie die Schranktür, durchmaß das Zimmer bis zum Fenster, öffnete es, um etwas frische Luft hereinzulassen - und erstarrte.
Der Ausblick war einfach atemberaubend! Wie konnte irgendetwas auf der Welt nur so schön aussehen?
Die Sonne war mittlerweile tiefer gesunken, und unter ihr breitete sich ein großer Garten voller Oliven-, Orangen- und Mandelbäume aus, dazwischen Jasminsträucher, einige, bereits so früh im Jahr, übersät mit winzigen Blüten, wie schneeige Tupfer zwischen dem Silbergrün der Oliven- und dem dunkleren Grün der Orangen- und Mandelbäume. Es duftete nach Rosmarin, Thymian, vielen anderen Kräutern und natürlich nach Jasmin. Um den Garten herum erstreckte sich terrassiertes Gelände voller Olivenbäume. Das Ende des Gartens konnte Giulia von ihrem Platz aus nicht ausmachen, aber weiter hinten in der Ferne floss das Meer gegen den Horizont, und die sinkende Sonne begann eben, eine goldene Straße auf das Wasser zu malen. Dichter am Haus standen ein paar Pinien, die sich sanft in der leichten Abendbrise hin und her bewegten. Rechter Hand war offenbar ein Nutzgarten angelegt. Direkt unter sich bemerkte Giulia eine großzügige Terrasse mit einem sehr großen Holztisch und Bänken. Jetzt entdeckte sie auch ein paar Hühner, vermutlich die, die sie vorher schon gehört hatte, und eine große, rote Katze, die mit aufgerichtetem Schwanz den Weg entlangstolzierte, als gehöre ihr hier alles, stetig begleitet vom Alarmgezwitscher der Vögel. Für einen sehr langen Moment stand Giulia nur da, atmete tief ein und aus und schaute.
Die nächste Stunde verbrachte Giulia damit, das Schlafzimmer ihres Großvaters auszulüften, ein Bettlaken aufzutreiben und die Matratze damit zu beziehen. Zwischendurch machte sie sich auf die Suche nach einem Bad und wurde rasch im Nebenzimmer fündig. Das Bad war klein, alt, aber sehr sauber und stand damit ebenfalls in seltsamem Kontrast zu den vernachlässigten Räumen auf diesem Stockwerk. Schließlich holte sie ihren Rucksack, den großen und den kleinen Koffer, ihren Schlafsack und ihr Lieblingskissen aus dem Auto - Gott sei Dank hatte sie beides mitgenommen - und brachte alles hinauf. Dann stieg sie die Treppe wieder hinunter, suchte die letzten Picknickreste von der Fahrt zusammen und setzte sich damit auf die Terrasse. Hungrig biss sie in einen Apfel und schaute sich um.
Der Garten war riesig, das hatte sie bereits von oben gesehen. Hier unten war die Menge an Jasmin dicht am Haus allerdings noch überwältigender. Wenn man die Villa von ferne oder sogar vom Garten aus betrachtete, überlegte Giulia, musste es zu manchen Jahreszeiten tatsächlich ein wenig so aussehen, als schwebe das Haus auf...
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