Schweitzer Fachinformationen
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Paris, 1940. In der Bar des legendären Hotel Ritz scheint warmes Licht auf die polierte Messingtheke, während Nazis, Kollaborateure und Mitglieder der französischen Elite ihre Cocktails schlürfen - weit entfernt vom Lärm des Krieges. Frank Meier, der berühmte Barmann des Ritz, serviert sie mit routinierter Eleganz. Doch hinter seinem höflichen Lächeln verbirgt sich die Angst. Jeder Drink, den er mixt, könnte sein letzter sein. Denn er hat ein Geheimnis, das ihn das Leben kosten könnte: Er ist Jude.
Hinter seiner Theke hört Frank mehr, als gut für ihn ist. Zwischen perlendem Champagner, prickelnden Cocktails und geflüsterten Absprachen schnappt er Informationen auf - von Verrat, Résistance und den skrupellosen Plänen der Besatzer. Jeder Abend in der Bar wird gefährlicher, jede falsche Bewegung könnte ihn entlarven. Zuschauen oder handeln? Seine Entscheidung wird nicht nur über sein Schicksal bestimmen, sondern auch über das von Luciano, seinem jungen Lehrling, und Blanche, der Frau, die er liebt.
Basierend auf der echten Figur des Frank Meier, entführt Der Barmann des Ritz in eine Welt voller Täuschung, Loyalität und Mut - ein fesselnder Roman über den schmalen Grat zwischen Überleben und Widerstand.
14. Juni 1940
Da sitze ich nun in der Höhle der Boches.
Halb sieben Uhr abends, und die Deutschen lassen noch immer auf sich warten.
Heute Morgen sind sie über die Avenue Foch marschiert.
Jetzt sind sie hier, innerhalb der Mauern, unter dem Dach des Ritz.
Die deutsche Armee hat sämtliche Pariser Luxushotels besetzt, um dort ihre Verwaltung einzurichten; das Ritz soll gut hundert ranghohe Offiziere aufnehmen - die Crème de la Crème der Wehrmacht - und künftig die »Residenz des Militärgouverneurs in Frankreich« sein. Würde dieser Titel nicht an die grausame Demütigung erinnern, die die französische Armee soeben erlitten hat, könnte er beinahe etwas hermachen.
Die Place Vendôme hat einen Sonderstatus. Bis auf Weiteres darf das Ritz seine Stammgäste wie gehabt empfangen. Und die Bar bleibt natürlich geöffnet. Um sie zu betreiben, stehen Frank Meier nur noch sein alter Waffenbruder Georges Scheuer und ein junger italienischer Auszubildender Namens Luciano zur Seite.
Der Barmann hat die ganze Nacht kein Auge zugetan und angespannt in die Stille gelauscht, die in seinem Wohnhaus an der Rue Henri-Rochefort herrscht, seit die meisten Nachbarn aus Paris geflohen sind.
Feiglinge.
Während er wach lag, hat er an Jean-Jacques gedacht, seinen Sohn. Es ist ihm nie wirklich gelungen, dieses einzige, 1921 geborene Kind aus der unglücklichen Ehe mit Maria zu lieben. Ein Abgrund trennt sie. Er hat seit Ewigkeiten nichts von ihm gehört, seit der junge Mann im Casino von Nizza eingestellt wurde. Fünf Jahre ist das nun schon her .
Wo ist er? Wurde er eingezogen?
Müsste ich mich in Sicherheit bringen? Zu ihm nach Nizza gehen?
Kommt nicht infrage, dass ich meine Bar den Fritzen überlasse .
In seinem weißen Jackett, die Schultern gestrafft, bereitet sich Frank Meier auf die Ankunft der neuen Kundschaft vor. Gerade hat er sein Spiegelbild in dem Shaker von Christofle gesehen: Augenringe, so tief wie noch nie, der Blick starr vor Sorge. Von seinem Magen ganz zu schweigen. Er hat sich in die Hand gehaucht, sein Atem riecht faulig. Die Ankunft der Deutschen und die Erinnerung an die Schützengräben, die sie wachruft, schnürt ihm die Eingeweide zusammen.
Zum hundertsten Mal schaut der Barmann auf die Wanduhr. Zwanzig vor sieben.
Alles ist fertig: Zitrusfrüchte, Minzblätter, Beeren und brauner Zucker für den Royal. Reichliche Mengen von Perrier-Jouët sind kalt gestellt. Die Sieger werden was zu feiern haben.
Doch bisher nichts. Nach wie vor nichts.
Von seinem Platz hinter dem massiven, dunklen Holztresen aus kann Frank die Gäste nicht kommen sehen, da der Flur, der zu seiner Bar führt, außerhalb seines Blickfeldes liegt. Und das ist in diesen Zeiten mehr als ärgerlich. Er möchte wissen, was auf ihn zukommt. Daher hat er seinen Lehrling im Türrahmen als Späher abgestellt.
Wo stecken sie, diese verflixten Boches?
Die bleierne Ruhe vor dem Sturm. Georges spielt mit den Himbeeren.
»Hör auf, du zerdrückst sie noch.«
»Ich bin nervös, Frank.«
Wir sind alle nervös, mein Lieber!
»Dann reib den Tresen sauber, da sind noch Fingerspuren.«
Seltsamer Krieg, wirklich.
Ah, da kommt jemand. Sind sie das .?
Nein, nur ein französischer Gast, dessen Anblick ihm eine verächtliche Grimasse entlocken würde, wenn er sich nicht so gut im Griff hätte. Der unsägliche Monsieur Bedaux.
Einen Augenblick lang stellt Frank sich vor, wie er ihn höflich, aber entschieden hinauskomplimentiert. Doch Bedaux gehört zu den neuen Herren, man wird sich an ihn gewöhnen müssen. Und so sieht er also den ersten Gast der Welt danach eintreten.
Erstaunliche Person, dieser Charles Bedaux. Hohe Stirn, feine Züge, Franks Alter: gut erhaltene Fünfzig. Auch er ist als sehr junger Mann mit leeren Taschen in Amerika gelandet. Ihre Schicksale haben sich oft gekreuzt. In New York hat Meier gelernt, zu bedienen, Bedaux, anzustoßen. Beide wurden rasch Experten auf ihrem Gebiet: Frank als Barmann, Bedaux im Geschäftemachen. In nicht einmal zehn Jahren hat Bedaux zwei amerikanische Erbinnen geheiratet und sich zum Vorreiter der »wissenschaftlichen Arbeitsstrukturierung« aufgeschwungen - er hat ein Buch darüber geschrieben, von dem er gerne spricht, ebenso wie von seinen Fabriken so ziemlich überall, seiner frischen amerikanischen Staatsbürgerschaft und der nach ihm benannten Maßeinheit »B«. Aber über nichts spricht er so gern wie über seine Bewunderung für Nazideutschland.
Frank bemerkt sein Siegerlächeln. Unerschütterlich fragt der Barmann: »Ein Glas Pol Roger, wie üblich, Monsieur?«
»Heute nicht, Frank. Mixen Sie mir lieber Ihren Royal Highball, einen doppelten. Wir müssen die Wiedergeburt Frankreichs feiern, das endlich von Dekadenz und Verweichlichung befreit wurde! Ich habe es immer gesagt: Während in der Natur das Chaos herrscht, kann einzig und allein die Ordnung den Menschen retten. Nicht wahr?«
Sosehr es beim Cocktailmixen auf Strenge und Maß ankommt, so entscheidend ist beim Führen einer Bar die Unordnung: das Leben überschäumen lassen, mit den Grenzen spielen, zuweilen auch hinnehmen, dass sie überschritten werden, das ist das Geheimnis von Frank Meiers Erfolg, vermutlich mehr noch als seine berühmten Drinks. Darin liegt auch sein Widerspruch. Ein disziplinierter Geist, der sich vom Antikonformismus angezogen fühlt. Doch das hat Charles Bedaux nie begriffen. Bei ihm schäumt nichts über, außer der Sorge um seine persönlichen Interessen. Kunst, Menschen, Politik, alles ist für ihn nur Einsatz, Investition, Wertsteigerung. Im Grunde gibt es nur einen Punkt, in dem Frank und Bedaux sich einig sind: Frankreich braucht Philippe Pétain. Der Großunternehmer findet dies, weil es seinen Geschäften nützt, der Barmann, weil er während des Großen Krieges unter dem Maréchal gedient hat.
Niemals würde Frank es diesem Verräter Charles Bedaux anvertrauen, doch an der Front, unter dem Befehl des großen Heerführers mit dem weißen Schnurrbart, wurde Feldwebel Meier zum Patrioten.
Der Geschäftsmann nippt an seinem Glas, stellt es dann auf den Tresen. Er will sich gerade in einen neuen Monolog stürzen, da durchbrechen laute Stimmen und Gelächter die Stille der Bar.
Das sind sie .
Es ist so weit. Frank richtet seinen Kragen, legt Georges eine Hand auf die Schulter. Er selbst wird sie empfangen. Das Lachen nähert sich durch den Flur. Kasernenlachen. Für einen Moment ist Frank wieder in Verdun. Er strafft die Schultern, doch Schweiß läuft ihm den Rücken hinab. Das Hemd unter seinem Jackett ist nass, er friert bis auf die Knochen.
Die feindliche Front rückt näher.
»Guten Abend, meine Herren. Willkommen in der Bar des Ritz.«
Ich bin Proletarier. Ein jüdischer Proletarier obendrein. Als Kind schon wollte ich immer davonlaufen.
Mein Leben ist eine Flucht.
Ich wurde am 3. April 1884 als Sohn eines emigrierten polnischen Arbeiters im österreichischen Tirol geboren. Für meinen Vater war Disziplin die Mutter aller Tugenden. Die Erziehung, die er mir angedeihen ließ, lehrte mich nichts als Gehorsam.
Zu Befehl, Meister! Ein geistiges Gefängnis. Jawohl, Meister! Das Gefühl, jeden Tag ein wenig zu sterben. Ich habe schnell begriffen, dass seine Art zu leben, nie etwas infrage zu stellen, im Grunde eine Form der Dummheit war. Menschen voller Gewissheiten habe ich immer misstraut.
Mein Vater hat die Judenpogrome in Lodz erlebt. Er sah, wie die seinen von blonden Horden gejagt oder sogar erhängt wurden. Schließlich...
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