Schweitzer Fachinformationen
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Pasadena - Dienstag, den 8. Juni 2021 16 Kandidatinnen, 61 verbleibende Tage
Tief einatmen.
Er schwingt die Arme für seinen Sonnengruß über den Kopf und starrt an die Decke seines Schlafzimmers.
Genauer gesagt an die Decke des Schlafzimmers des Gästehauses, in dem er zurzeit wohnt. Das Gästehaus etwa dreißig Meter vom Ever After-Schloss entfernt, wo sechzehn Frauen darum wetteifern, ihn zu heiraten. Das Gästehaus, in dem er die nächsten drei Wochen mit Dev wohnen wird. Mit Dev, der mit einem Seesack aufgetaucht ist und das zweite Schlafzimmer bezogen hat, als wären sie in einem Sommercamp. Mit Dev, der gerade in der Küche herumspringt und aus dessen tragbarem Lautsprecher so laut trashige Popmusik dröhnt, dass Charlie sie trotz der Klänge seiner Yoga-App hören kann. Um sieben Uhr morgens.
Als Charlie sich bereit erklärt hat, bei der Show mitzumachen, war ihm nicht klar gewesen, dass das bedeutet, mit einem völligen Fremden zusammenleben zu müssen. Offensichtlich hat er nicht mal die geringste Ahnung gehabt, was ihn erwarten würde.
Er steht unter ständiger Beobachtung. Weil er ständig gecoacht werden muss. Weil er ein Betrüger ist, ein Versager, der sich als Märchenprinz ausgibt, und es nur eine Frage der Zeit ist, bis es alle merken werden .
Nein. Es gelingt ihm, der Abwärtsspirale zu entkommen.
Das sind keine geeigneten Gedanken für das morgendliche Yoga. Er versucht, sich wieder auf Dinge zu konzentrieren, die ihn beruhigen: Excel-Tabellen, stille Bibliotheken, Puzzles mit eintausend Teilen, Neunzig-Grad-Winkel.
Tief einatmen. Er beugt sich nach vorn und presst die Nase gegen seine Knie, die Handflächen liegen jeweils flach neben seinen Füßen.
Tief einatmen. Er befindet sich auf halbem Weg zwischen Plank und dem Herabschauenden Hund, als die Meditations-App durch das Zwitschern von Facetime unterbrochen wird. Er wischt über das Display, um den Anruf anzunehmen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. »Guten Morgen.«
»Oh. Mein. Gott. Spricht da etwa Charlie Winshaw?«, quiekt seine PR-Agentin, und daran ist nichts Beruhigendes. »Der Adonis? Der Traummann? Das Objekt meiner Masturbationsfantasien?«
Er schwingt sich in den Schneidersitz. »Lass das bitte.«
Wenn sie einmal damit angefangen hat, hört Parisa Khadim nie auf, und ihr gespieltes Fangirl-Getue erreicht seinen Höhepunkt, als sie die Hand an den Mund hält und schreit: »Zieh dein Shirt aus, Knackarsch!«
»Ich dulde es nicht, derart zum Objekt degradiert zu werden«, antwortet er hochnäsig. Hinter ihr kann er die Bucht von San Francisco erkennen, also befindet sie sich gerade im Büro. »Rufst du deshalb an? Um mich an deinem Arbeitsplatz sexuell zu belästigen?«
»Ich wusste nicht, dass ich einen Grund brauche, um meinen Sugardaddy anzurufen.«
Er schnaubt. Sugardaddy beschreibt auf absurde Art und Weise die Dynamik zwischen ihnen beiden. Parisa verdient jeden einzelnen Dollar, den er ihr zahlt, und weitaus mehr, dafür, dass sie sich mit dem Nonstop-PR-Chaos beschäftigt, das sein Leben ist.
»Ich wollte nur mal sehen, wie es dir geht . Moooment mal.« Sie knallt mit der Handfläche auf den Schreibtisch. »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
»Es ist alles okay.« Er hebt das Handy hoch und trennt die Bluetooth-Verbindung zu seinen Kopfhörern, sodass ihre Stimme nun das ganze Schlafzimmer erfüllt und mit dem Sound von Devs Musik konkurriert. Normalerweise darf der Star von Ever After sein Handy nicht behalten, aber Parisa hat auf diese Extraklausel in seinem Vertrag bestanden. Er muss jederzeit die Möglichkeit haben, sie zu erreichen.
»Das sieht nicht gut aus. Sag mir, wen ich verklagen muss!«
»Es gibt niemanden zum Verklagen, denn du hast mich gezwungen, einen Vertrag zu unterschreiben, der es mir fast unmöglich macht, gegen jeden, der irgendwie mit Ever After in Verbindung steht, zu klagen.«
Sie setzt eine unschuldige Miene auf. »Habe ich das? Hmm .« Und dann wechselt sie prompt das Thema. »Erzähl doch mal, wie war's? Du scheinst die erste Nacht überlebt zu haben. Größtenteils jedenfalls.«
»Es war .« Erschöpfend? Entmutigend? Kurzzeitig schmerzhaft und durchweg verwirrend? »Gut.«
»Benutze Worte, Charlie.«
»Ich weiß es nicht. Es war .«
Sie seufzt dramatisch. »Was steht denn heute an?«
»Etwas, das Gruppenspiel heißt. Die verbliebenen Kandidatinnen werden in zwei Teams aufgeteilt und .«
Sie unterbricht ihn. »Charles, ich bin eine Frau aus Fleisch und Blut. Ich habe Ever After schon mal gesehen. Ich kenne die an Märchenthemen angelehnten Gruppenspiele, die Rendezvous und die Krönungszeremonien.«
Der Ausdruck Krönungszeremonie triggert ihn leicht. So hieß diese endlos schreckliche Prozedur, mit der sie erst um acht Uhr am Sonntagmorgen fertig waren - nach zwölf Stunden Dreharbeiten! Nacheinander hat er die Namen der Kandidatinnen aufgerufen, ihnen ein billiges Diadem auf den Kopf gesetzt und ihnen die dramatische Frage gestellt: »Möchtest du meine Prinzessin werden?«
Sie haben alle Ja gesagt. Natürlich.
»Parisa, wie kann man das Konzept dieser Show beschreiben, ohne dabei das Gesicht zu verziehen?«
Sie richtet anklagend den Zeigefinger auf ihn. »Wage es ja nicht, die Sendung herabzusetzen, nur weil sie von Frauen für Frauen gemacht wird, und von Frauen handelt.«
»Die meisten Leute, die hier arbeiten, sind definitiv männlich .«
»Und benimm dich ja nicht herablassend gegenüber den Frauen in der Sendung, hast du mich verstanden? Du bist nicht besser als sie, nur weil du in Stanford studiert hast und dich für Fracking interessierst.«
»Herrgott, Parisa, ich wollte nicht .«
»Doch, das wolltest du.«
Er denkt an Megan und ihre Trainingsvideos. Ja, er wollte.
»Du warst diejenige, die mir gesagt hat, dass diese Frauen nicht wirklich hier sind, um die Liebe zu finden«, sagt er bockig. Dann denkt er an Dev und an sein schiefes Grinsen um vier Uhr morgens. Ich weiß, dass ich dich dazu bringen kann, dich zu verlieben.
Charlie schüttelt diesen grauenvollen Gedanken ab. »Du hast gesagt, deshalb sei es moralisch vertretbar, die Sendung zu nutzen. Weil die Frauen schließlich auch alle hier seien, um schamlose Eigenwerbung zu betreiben.«
»Ich bin mir sicher, dass das auf die meisten zutrifft«, räumt Parisa ein. »Aber das gibt dir trotzdem nicht das Recht, sie herablassend zu behandeln wie ein sexistisches Arschloch. Sag mal, hörst du da gerade Leland Barlow?«
»Das bin nicht ich. Das ist mein neuer Coach. Dev.«
»Dev?« Parisa streicht ihren perfekten Pferdeschwanz glatt und rückt ihr rundes Gesicht näher an den Bildschirm heran. »Ist dein neuer Coach süß?«
»Warum . was spielt es für eine Rolle, ob er süß ist?«
»Ich bin vierunddreißig und Single und solche Infos sind wichtig für mich.«
Er seufzt. »Parisa, du kannst nicht meinen Coach daten.«
»Weil du eifersüchtig wärst?«
»Was?! Nein. Warum zum Teufel sollte ich eifersüchtig sein?«
Sie bringt sich vor der Kamera in Pose. »Weil du heimlich in mich verliebt bist. Deshalb wirst du jetzt auch rot.«
»Ja, genau, du hast mich ertappt«, sagt er, und die seltsame Anspannung in seinen Schultern löst sich. »Ich habe die letzten vier Jahre damit verbracht, mich heimlich nach dir zu sehnen, und ich habe deine zahlreichen Heiratsanträge in betrunkenem Zustand nur abgelehnt, weil ich mich nicht traue.«
»Ich habe dir nur zweimal in betrunkenem Zustand einen Heiratsantrag gemacht, und ich bin davon ausgegangen, dass du abgelehnt hast, weil du vorhast, dich Hals über Kopf in eine ehemalige Miss Alabama zu verlieben.«
»Das . wird nicht passieren.«
»Weil es in dieser Staffel keine ehemalige Miss Alabama gibt? Das scheint mir recht unwahrscheinlich.«
»Weil ich nicht besonders liebenswert bin.« Es sollte scherzhaft klingen, aber der Satz hängt in der Mitte durch, wird schwer und färbt sich mit Traurigkeit. Mist.
»Charlie.« Sofort hört Parisa auf zu sticheln, ihre Stimme wird sanft und süß. »Du bist sehr liebenswert und verdienst es, geliebt zu werden«, betont sie.
Über die dröhnende Musik hinweg hört er Dev aus der Küche nach ihm rufen. »Ich . ich muss los.«
»Ich will nur, dass du glücklich bist. Das weißt du doch, oder?«
»Ich weiß. Aber nicht jeder braucht eine Beziehung, um glücklich zu sein.«
»Dann bist du jetzt also glücklich?«
»Ich werde glücklich sein, wenn ich wieder in der Tech-Branche arbeiten kann.«
»Klingt logisch, wenn man bedenkt, wie glücklich du bei WinHan gewesen bist.«
»Bye, Parisa.«
»Vergiss nicht, du hast das größte Herz auf der ganzen Welt und den geilsten Arsch und .«
Er hört nicht mehr, was sie als Nächstes sagt. Er hat bereits aufgelegt.
In lachsfarbenen Shorts, Bootsschuhen und einem hellbeigen Shirt mit V-Ausschnitt betritt Charlie die Küche, wo ihn Dev mit den Worten »Ich habe Karteikarten gebastelt!« anstelle...
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