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Sir William Cecil, First Baron Burghley, steht mitten auf dem Hof des Whitehall Palace im Dunkeln, direkt neben Sir Christopher Hatton, den die Königin erst kürzlich in den Kronrat berufen hat - laut einem von Cecil gestreuten Gerücht einzig und allein, weil er ein außergewöhnlich anmutiger Tänzer ist. Beide starren hinauf zum Großen Kometen am Nachthimmel.
»Dort. Seht Ihr ihn nicht, Sir Christopher? Sein Schweif zeigt auf die Niederlande«, erklärt Cecil in scherzhaftem Ton.
Damit reicht er dem anderen die Hand zur Versöhnung. Er ist bereit, endlich einen Streit beizulegen, bei dem die Parteien im Kronrat seit Monaten erbittert darüber diskutieren, ob man Truppen entsenden und den protestantischen holländischen Armeen im Kampf gegen die Spanier und die katholischen Holländer beistehen soll. Cecil hatte gehofft, der Zwist hätte ein Ende gefunden, da die Königin sich zu guter Letzt zu einem militärischen Eingreifen entschieden hat - ganz im Sinne der von Cecil und Walsingham geführten Partei, während Hattons Anhänger das Nachsehen hatten. Doch allem Anschein nach ist Hatton noch nicht so weit, seine Niederlage zu akzeptieren und die ihm entgegengestreckte Hand zu ergreifen.
»Das kann alles und nichts bedeuten«, erwidert er abfällig.
»Nein«, widerspricht Cecil. »Es bedeutet, dass schon bald gute protestantische Engländer ihren holländischen Vettern zu Hilfe eilen und wir gemeinsam die Spanier zurück hinter ihre Grenze treiben werden. So Gott will, werden wir ihnen einen solchen Schlag versetzen, dass das christliche Abendland ein für alle Mal vom papistischen Aberglauben befreit wird.« Erneut spricht er halb im Scherz.
»Dennoch halte ich es für einen großen Fehler«, entgegnet Hatton ernst. »Wir sollten ihnen nicht einmal Geld schicken, ganz zu schweigen von Truppen. Damit plündern wir nur unsere Staatskasse, schwächen unsere Armee und vereinen Spanien und Frankreich gegen uns. Mehr noch, wir geben ausgerechnet denjenigen Auftrieb, die sich gegen ihren rechtmäßigen König erheben. Ihre Majestät sät den Wind, und wir werden den Sturm ernten.«
Cecil seufzt. »Diese alte Leier hören wir nun schon seit Jahren. Es ist schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass die Spanier Holland zermalmen werden, wenn wir sie lassen. Und danach werden sie sich gegen uns wenden und uns zermalmen. Auch so wird es Kämpfe geben, ich weiß, und die werden uns sowohl Gold als auch Blut kosten. Aber es wird erheblich weniger sein, wenn sie jetzt geführt werden, und zwar von den Holländern. Wer heute Geld ausgibt, spart morgen. Ich bin froh, dass die Königin endlich Vernunft angenommen hat.«
Hatton lässt alle Luft durch den Mund entweichen. »Zwanzigtausend Pfund? Zehntausend Mann? Dabei wird es kaum bleiben, Lordschatzmeister!«
Cecil weiß, dass es Hatton gar nicht ums Geld geht. Es ist vielmehr der alte Glaube, den dieser Mann herbeisehnt. Die Rückkehr in den Schoß der römischen Kirche. Und das ist der eigentliche Grund, warum die Königin ihn in den Kronrat berufen hat: nicht etwa wegen seiner ansehnlichen Waden - obwohl er die durchaus hat -, sondern weil sie in Angelegenheiten wie dieser von Natur aus sehr vorsichtig ist und die Risiken sieht, die sie bergen. Hatton dient ihr also als Bollwerk gegen Master Walsinghams Eifer.
»Nun«, brummt Cecil, »jetzt geschieht es jedenfalls.«
»Wir werden sehen«, erwidert Hatton. »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.«
In plötzlich aufflammendem Zorn wirbelt Cecil zu ihm herum. Dieser Streit währt schon länger. Mal scheint die eine Seite zu gewinnen, mal die andere. Es gibt nichts Neues mehr zu sagen.
»Was meint Ihr damit, Hatton?«
Hatton ist größer, jünger und sehr viel beweglicher. Doch Cecil ist Sir William Cecil, Lord Burghley, der Lordschatzmeister von England, und niemals sind zwei Soldaten der königlichen Leibwache mehr als zehn Schritt von ihm entfernt.
»Nichts«, sagt Hatton beschwichtigend. »Nichts weiter, das versichere ich Euch.«
Knurrend zieht Cecil die über seine Schultern drapierten Pelze gerade. Insgeheim wundert er sich über seinen Ausbruch. Vielleicht, weil er weiß, dass er andere - zumindest teilweise - recht hat? Als die protestantischen holländischen Provinzen sich vor nunmehr fünf Jahren zum ersten Mal gegen den katholischen König von Spanien erhoben, wandten sie sich an die Engländer um Hilfe - Geld, Truppen oder wenigstens Schiffe -, doch Ihre Majestät war sich der göttlichen Stellung des Königs nur allzu bewusst. Außerdem hatte sie große Angst davor, die Spanier zu vergrämen, sodass sie zauderte und es fünf Jahre dauerte, bis Cecil und Walsingham sie dazu überreden konnten, den Holländern zu helfen.
Doch selbst wenn sie jetzt endlich handelt, kann man nie wissen, ob sie es sich nicht nächste Woche wieder anders überlegt. Oder übernächste. Und vorausgesetzt, sie bleibt bei ihrem Entschluss: Wird die Verheißung von Geld wirklich genügen, um die brüchige Allianz mit Holland zu bewahren? Den sogenannten Frieden von Gent? Wenn die Calvinisten unter Wilhelm von Oranien im Norden zu viel Macht gewinnen, werden die katholischen Staaten im Süden mit Sicherheit unter Philippe de Croÿ zu König Philipp von Spanien zurückkehren. Und dann wird England wieder dort sein, wo es schon einmal war, nur dass zwanzigtausend Pfund weg sein und zehntausend Engländer ihr Leben verloren haben werden.
Doch gegenwärtig ist Cecil zufrieden. Und da keine Arbeit ansteht, die nicht bis zum nächsten Tag warten kann, denkt er gerade daran, nach Hause zu gehen, als er plötzlich die Kirchenglocken in der ganzen Stadt läuten hört.
»Was, in Gottes Namen, ist das denn? Ein Feuer?«
Einen Augenblick später wird Sir John Jeffers' junger Diener - vor Schmutz starrend, stinkend und tränenüberströmt - über den Hof zu ihm ins Amt geführt.
»Nun, mein Junge, was ist da draußen los?«
Kaum sind die ersten Worte gesprochen, ziehen sie sich bestürzt in Walsinghams Privatgemächer zurück, wo sie den Jungen sofort eindringlich befragen. Dieser ist schon heiser, nachdem er durch die ganze Stadt gelaufen ist und in allen Straßen verkündet hat, dass die Königin tot ist.
»Aber du hast ihre Wunden nicht gesehen?«, vergewissert sich Hatton.
Der Junge schüttelt den Kopf. »Kaum war es passiert, hat mich Captain Jeffers sofort hierhergeschickt, Sir. >Melde ihnen, dass auf sie geschossen wurde<, hat er gesagt. >In den Bauch. Von einem Dutzend Männer . alle mit Hakenbüchsen . bei Waltham Forest.< Ich hab die Kutsche gesehen. Voller Löcher war sie, Sir, wie ein Sieb. Und ihre Begleiterinnen haben geweint und sich die Haare gerauft. Und Mistress Frommonds Hände waren voller Blut.«
Zur Verdeutlichung zeigt er ihnen seine von Leder bedeckten Handflächen, als wären auch sie blutbefleckt. Seine Augen glühen wie die eines Irrsinnigen, und er hat seine Kappe verloren.
»Aber als du losgeritten bist, war sie nicht tot?«, erkundigt sich Hatton erneut.
»Ich wollte nicht rumstehen, bis es so weit ist.«
»Verstehe«, murmelt Cecil. Er dankt dem Jungen und schickt ihn in die Küche. »Nur erschreck mir unsere Köche nicht«, schärft er ihm ein. »Wir haben eine lange Nacht vor uns und werden ihre Dienste noch benötigen.«
Rasch ordnet er an, dass die Ärzte der Königin alarmiert werden sollen, dann entsendet er berittene Boten zu Robert Dudley, dem Earl of Leicester, und auch zu Master Walsingham. Als Nächstes fordert er mehr Kerzen an und befiehlt seinen Dienern, im Kamin ein Feuer zu schüren. Zu guter Letzt verlangt er, dass der im Kellergewölbe aufbewahrte Sarg nach oben geschafft werden soll. Danach setzt er sich an den Tisch und wird für einen Moment ganz still. Nur seine Finger trommeln auf dem Holz einen Rhythmus aus seiner Kindheit.
»Lieber Gott«, sagt er, mehr zu sich selbst als an Hatton gerichtet. »Himmelherrgott. Und jetzt?«
Hatton erwidert nichts darauf. Stattdessen beginnt er, im Dunkeln herumzutigern wie eine Katze. Cecil hat förmlich vor Augen, wie er unruhig mit dem Schwanz zuckt.
Im nächsten Augenblick führt ein Diener zwei Träger herein, die den Sarg bringen. Nachdem sie die Totenbahre auf den Tisch gewuchtet haben, machen sie sich daran, das Kaminfeuer und die Kerzen anzuzünden.
Cecil bleibt am Tisch stehen, den Blick starr auf den Sarg gerichtet. Er weiß, dass er jetzt den Code zur Verschlüsselung von Mitteilungen aus seinem Wams angeln und damit beginnen sollte, all die Boten zu sich zu rufen, die er benötigen wird, um die Kunde zu verbreiten und die für einen möglichen Notfall schon vorab verfassten Briefe zu versenden: an George Talbot in dessen Burg bei Sheffield, damit er gewarnt ist und Mary, die Königin von Schottland, noch schärfer bewachen lässt, denn höchstwahrscheinlich steckt sie hinter diesem Komplott zur Ermordung von Königin Elizabeth und ist wohl auch das Zentrum all dessen, was noch folgen wird. Unbedingt sollte er auch den Lord Warden of the Cinque Ports, verantwortlich für die Hafenstädte Dover, Hythe, Hastings, Romney und Sandwich, in Kenntnis setzen; dazu Edward Clinton, den Großadmiral der Flotte im Schmalen Meer zwischen England und Westeuropa, um ihn vor einem jeden Moment möglichen Überfall aus Spanien zu warnen. Gleichermaßen sollte ein Brief an den Govenor von Berwick gehen, dass er sich für feindliche Einmärsche aus Schottland wappnen muss. Über all das hinaus muss er die Miliz von London mobilisieren und den Konstabler des Towers anweisen,...
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