Schweitzer Fachinformationen
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Selten kann man sich so fremd fühlen wie beim Besuch eines Museums mit alten christlichen Bildwerken. Man geht von Saal zu Saal, vorbei an all diesen Altären, Kruzifixen, Madonnen, Heiligen, sakralen Gerätschaften und fühlt sich eigentümlich verloren. Oft hat man gehört, dass solche Artefakte eine der wichtigsten Quellen unserer Kultur seien und die heutige Kunst immer noch prägten, aber man mag es kaum glauben. Denn man versteht sie nicht, sie sprechen nicht zu einem, man erkennt nicht, was sie zeigen und sagen.
Man kann aber auch die gegenteilige Erfahrung machen, wenn jemand diese verdunkelten Bilder zu sehen lehrt, einem die Augen für das öffnet, was auf ihnen abgebildet ist, ihre Geschichten erzählt, ihren Sinn aufschließt. Dann kann man darüber ins Staunen geraten, was es hier alles zu entdecken gibt. Manches davon wird einen überraschend berühren, anderes dürfte einem fremd bleiben, über anderes wiederum würde man gern streiten - Grund genug, sich mit unbefangener Neugier diesen Bildern anzunähern.
Deshalb versucht dieses Buch, eine Art Ausstellung zu gestalten. Sie besteht aus zwölf Sälen, die einen Weg von den Anfängen durch die wichtigsten Epochen bis zur Gegenwart anbieten und einen Überblick über wesentliche Formen, Gattungen, Motive und Themen geben. Die Ausstellung möchte sich auf wichtige Beispiele konzentrieren und verzichtet auf eine dicht gedrängte «Petersburger Hängung». Denn es braucht Zeit und Raum, um auch nur ein einziges Bild zu erfassen. Im Studium der Kunstgeschichte lernt man, dass man ein Bild eine Stunde lang betrachtet haben müsse, bevor man es tatsächlich «gesehen» habe. Das klingt seltsam in einer Zeit, die eine einmalige Bilderflut entfesselt hat. Aber es ist eine schlichte Wahrheit und zugleich ein ästhetisch-meditatives Versprechen: Wer sich in Ruhe mit diesen Bildern auseinandersetzt, dessen Blick wird verwandelt, erweitert und vertieft.
Zugegeben, das Vorhaben dieser «Ausstellung», mit der gesamten christlichen Bildgeschichte in einem gar nicht so umfangreichen Buch bekannt zu machen, mag vermessen erscheinen. Es lässt sich nur durchführen, wenn kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Dieses Buch sagt und zeigt bei weitem nicht alles. Es beschränkt sich auf wenige Beispiele, die es für exemplarisch und besonders sehenswert hält. Zugleich aber soll diese Auswahl eine größtmögliche Vielfalt vor Augen führen: Uraltes und Hochmodernes, Unbekanntes und Vertrautes, Meisterwerke und Volkskunst, Schönes und Hässliches, Hinreißendes und Problematisches.
Das Buch greift dankbar auf die reichen Erkenntnisse der kunstgeschichtlichen Forschung zurück, versucht aber auch eigene Akzente zu setzen. Ein besonderes Interesse gilt etwa dem kollektiven und individuellen Gebrauch der vorgestellten Bildwerke. Das Buch folgt nicht den gewohnten Routen über die «Höhenkämme» der christlichen Kunstgeschichte, sondern rückt hier und da auch sonst Vernachlässigtes in den Vordergrund. Jedes Kapitel endet mit einem Postskriptum, das von der behandelten Epoche aus einen Ausblick in andere Zeiten bietet und so Verbindungen deutlich macht, die sonst übersehen werden.
Es soll keine universale These über den Sinn und Zweck christlicher Bildwerke formuliert werden, aber es werden einige grundsätzliche Themen und Fragen behandelt, die den Gang durch die zwölf Säle dieses Buches bestimmen.
Da ist zunächst das widersprüchlich anmutende Phänomen, dass das Christentum zwar dem alttestamentlichen Bilderverbot verpflichtet ist, aber zugleich eine reichhaltige Bilderwelt geschaffen hat. Das führt zu der Frage, was mit dem Bilderverbot im Alten Israel gemeint war und wie es in den folgenden Jahrhunderten verstanden wurde. Natürlich hat es keine allgemeine Bild- und Kunstfeindlichkeit zum Gesetz erhoben. Abbildungen von Pflanzen, Tieren und Menschen hat es nicht verboten, auch nicht die Darstellung von Personen und Episoden der Heilsgeschichte, wie schon die Archäologie des frühen Judentums beweist. Es richtete sich primär gegen die Darstellung und Verehrung von anderen Göttern. Zugleich ist das Bilderverbot getragen von der monotheistischen Einsicht, dass sich das Wesen und Wirken des einen, unendlichen und unsichtbaren Gottes nicht abbilden lässt. Doch was bedeutet dies, wenn Gläubige für ihr gemeinschaftliches und persönliches spirituelles Leben Bildwerke benötigen? Was kann hier als möglich, sinnvoll oder problematisch gelten? Das war zu keinem Zeitpunkt der christlichen Bildgeschichte eindeutig geklärt und ist es auch jetzt nicht. Deshalb lohnt es sich immer noch, über das Recht und den Nutzen christlicher Bilder ebenso zu diskutieren wie wie über den Sinn einer christlichen Bilderkritik.
Es gibt ein Bild, das wie kein anderes diese Grundfrage der christlichen Bildgeschichte vorstellt. Man findet es an versteckter Stelle, nämlich in einem Erbauungsbuch mit dem Titel «Veridicus Christianus» (Christlicher Wahrsager), das 1601 veröffentlicht wurde. Verfasst hat es der niederländische Jesuit Joannes David. In einem Kapitel denkt er darüber nach, wie Christen sich ihre inneren Christusbilder «malen». Dies hat der flämische Grafiker Theodor Galle illustriert.
Zehn Künstler malen zehn verschiedene Christusbilder. Welches ist das richtige? Theodor Galle (1571-1633) stellte um 1600 den kreuztragenden Christus umgeben von zehn Malern an Staffeleien dar, die Szenen aus seinem Leben malen. Titelkupfer aus: Joannes David, «Veridicus Christianus» (Christlicher Wahrsager), Antwerpen 1601.
Man sieht den sein Kreuz tragenden Christus ganz allein auf einem Hügel, so als würde er Modell stehen. Um ihn, in einem Halbkreis versammelt, sitzen zehn Maler mit Pinseln und Paletten vor ihren Staffeleien. Intensiv betrachten sie ihn, lehnen sich vor und zurück, achten aber nicht darauf, was sie da gemalt haben. Dabei weicht dies - mit einer Ausnahme - erheblich von dem ab, was sie tatsächlich vor sich sehen. Der Künstler rechts oben hat die Anbetung der Könige gemalt, der Kollege unter ihm die Speisung der Fünftausend, der nächste Künstler den Besuch des Christusknaben im Tempel. Auf der anderen Seite sieht es nicht besser aus. Der oberste hat die Hochzeit zu Kana gemalt, der nächste den Einzug in Jerusalem, der dritte die Verklärung Jesu. Doch das ist noch harmlos im Vergleich zu den folgenden drei Bildern. Sie zeigen Judas mit seinem Geldbeutel, den Teufel sowie eine Frau (vielleicht eine allegorische Darstellung der «luxuria», der sündhaften Verschwendungssucht) mit zwei Hundeköpfen. Nur der Maler im Vordergrund hat ein Bild geschaffen, das wahrheitsgetreu das zeigt, was hier tatsächlich zu sehen ist: Christus, der sein Kreuz trägt. Vielleicht liegt es daran, dass er den größten Abstand hat.
Fast komisch wirkt diese Illustration: So viele begabte, engagierte Maler, und bis auf einen einzigen versagen sie alle. Jeder malt, was er sehen will. Autor und Illustrator des «Veridicus Christianus» sehen darin ein gravierendes Problem. Aber andererseits: Es scheint nun einmal diesen Drang zu geben, sich ein Bild des Göttlichen und Heiligen zu machen. Und wie sollte man dies tun, wenn nicht aus dem eigenen Blickwinkel? So ist es unvermeidlich, dass viele unterschiedliche Christusbilder entstehen. Man kann dies sogar als Ausweis künstlerischer Freiheit und religiöser Kreativität ansehen. Aber natürlich sollte dies von einem kritischen Nachdenken begleitet sein, damit krasse Fehlbildungen erkannt werden und niemand sein eigenes Bild zum einzig wahren erklärt. Dieses spannungsgeladene «Zugleich» von Bildkreation und Bildkritik ist nicht nur ein Problem von professionellen Bildproduzenten, sondern müsste alle Christenmenschen angehen, die Christus nachfolgen wollen und sich dabei von einem inneren Bild leiten lassen, das immer etwas Persönliches und Begrenztes ist.
Eine zweite Leitfrage des vorliegenden Buches richtet sich auf den ästhetischen und religiösen Charakter christlicher Bilder. Bis weit in die Neuzeit waren sie nicht «Kunst» im heutigen Sinne. Es handelte sich eher um - wenn auch hochklassiges - Kunsthandwerk, in Auftrag gegeben von kirchlichen oder weltlichen Personen und Institutionen, hergestellt von anonymen Meistern und ihren Werkstätten. Diese Bilder sollten angeschaut, genossen, aber auch gebraucht werden. Doch wer sie heute in einem...
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