Schweitzer Fachinformationen
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1 Ein Wurmloch zu durchfliegen war in etwa das gleiche Gefühl, wie sich mitten ins Zentrum eines Tornados zu stürzen - eines Tornados von solcher Wucht, dass man sich schon bei der kleinsten Berührung der Seitenwände sofort in eine Wolke subatomarer Teilchen verwandelte, noch bevor man überhaupt begriffen hatte, was geschah.
Mit dieser Geschwindigkeit durch ein Wurmloch zu rasen war glatter Selbstmord. Aber der Junge wollte einfach nicht bremsen.
Lanoe drückte einen Knopf auf seinem Armaturenbrett und bestrich das Heck der Raumjacht mit seinem Kommunikationslaser. Sofort tauchte in seinem Augenwinkel eine grüne Perle auf, daneben Angaben zur aktuellen Signalstärke. »Thom«, rief er. »Thom, du kannst nicht so weitermachen. Ich weiß ja, dass du Angst hast. Ich weiß .«
»Ich hab ihn umgebracht! Ich kann nicht mehr zurück!«
Lanoe schaltete die Verbindung stumm und konzentrierte sich einen Moment lang darauf, sich nicht selbst umzubringen. Vor ihm wölbte und drehte sich das Wurmloch, beschrieb einen weiten Bogen unter einer großen Gravitationsquelle. Wahrscheinlich ein Stern. Auf allen Seiten öffneten sich verzerrte Abzweigungen durch die gebeugte Raumzeit. Lanoe hatte längst aus den Augen verloren, wo im Realraum sie sich derzeit befanden - die Jagd hatte auf Xibalbá begonnen, aber seitdem konnten sie Hunderte Lichtjahre zurückgelegt haben. Der Wurmraum hielt sich nicht an die newtonschen Gesetze. Sie konnten überall sein. Vielleicht befanden sie sich schon am falschen Ende des Universums.
Die Jacht vor ihm beschleunigte noch immer. Die schlanke, dunkle Spindel hob sich deutlich vom unwirklichen Licht der Tunnelwände ab, die glatte Hülle aus schwarzer Kohlefaser nur von einer Gruppe flacher Stummelflügel rings um das Triebwerk durchbrochen. In der Schule hatte Thom sich einen Ruf als hitzköpfiger Rennpilot erarbeitet, und sogar die Qualifikation für den Erdenpokal im folgenden Jahr gemeistert - beim Versuch, den Jungen einzufangen, hatte Lanoe aus erster Hand erlebt, was für ein talentierter Pilot er war. Trotzdem war er überrascht, als Thom plötzlich seine Flugachse verlagerte, die Manövrierdüsen zündete und seine Jacht halsbrecherisch um die Ecke in einen der Seitenstränge steuerte.
Vielleicht glaubte er wirklich, auf diese Weise entkommen zu können.
Aber auch das große Talent dieses Burschen konnte mit Lanoes langjähriger Erfahrung im Dienst der Flotte schwerlich mithalten. Er kannte eine Menge Tricks, die zivilen Piloten nicht beigebracht wurden. Folglich schaltete er erst mal die Kompensatoren aus, die sein Triebwerk vor Überlastung schützten, und flog eine Rechtskurve, enger noch als die Brieftasche eines Großkonzerns. Trotz der Trägheitsdämpfer wurde er so hart in den Sitz gedrückt, dass er die Augen zusammenkneifen musste, und als er sie wieder aufriss, klebte er wie gehabt direkt hinter der Jacht. Abermals betätigte er den Kommunikationslaser, und als die grüne Perle aufleuchtete, sagte er: »Thom, du kannst mich nicht abschütteln. Also lass uns darüber reden. Ja, dein Vater ist tot, aber wir müssen jetzt überlegen, wie es weitergeht. Vielleicht sagst du mir erst mal, warum du das getan hast .«
Die grüne Perle war jedoch schon wieder erloschen. Thom hatte den nächsten Kurswechsel eingelegt und jagte vorneweg. Er hatte den Irrgarten des Wurmraums verlassen und war direkt hinter der nächsten Raumzeitkurve in den Realraum zurückgekehrt.
Lanoe holte alles aus seinem Antrieb heraus und folgte. Dann brach er aus dem Schlund des Wurmlochs hervor und wurde in sengend rotes Licht gehüllt, das ihm beinahe die Augen in den Höhlen geschmolzen hätte.
*
CentroCor-Frachtkahn 4519 auf Einflugvektor 7,4,-32.
WilsCon-Bergbauschiff Angie B, Sie weichen um .02 von Ihrem Kurs ab. Warnung.
Flugsicherung, hier Angie B, haben verstanden. Korrekturschub wird ausgeführt.
Die Stimmen der autonomen Hafenkontrolle plätscherten durch Valks Bewusstsein, ohne viel Eindruck zu hinterlassen.
Die orbitale Flugsicherung war kein allzu anspruchsvoller Job. Wurde auch nicht besonders gut bezahlt, doch das war Valk nicht so wichtig, denn es gab ansprechende Zusatzleistungen. Zum einen hatte er den vollgestopften Arbeitsplatz ganz für sich allein. Er legte viel Wert auf Privatsphäre. Zum anderen gab es hier oben, am Scheitelpunkt zwischen zwei Auslegern des Hexus, keine Schwerkraft. Das half zumindest ein Stück weit gegen die Schmerzen.
Valk litt schon seit siebzehn Jahren ununterbrochen unter starken Schmerzen, seit jener Begebenheit, die er stets nur als seinen »Unfall« bezeichnete. Allerdings hatte das Ganze mit einem Unfall herzlich wenig zu tun gehabt. Er hatte am ganzen Körper schwerste Verbrennungen erlitten. Selbst jetzt, so viele Jahre später, war schon der kleinste Druck auf seiner Haut kaum zu ertragen.
Seine Arme schwebten vor ihm in der Luft, die Finger huschten über virtuelle Tastaturen - die Bewegungen seiner Hände wurden von Lasern erfasst und in Daten umgerechnet. Sein gesamtes Blickfeld war von Bildschirmen ausgefüllt, die ihn mit Informationen überhäuften, endlose Zahlenreihen und kleine grafische Anzeigen, die er weitgehend ignorieren konnte.
Man hatte den Hexus am Boden eines tiefen Gravitationskegels errichtet, an dem Dutzende Wurmlöcher zusammenliefen, die alle dreiundzwanzig bewohnten Welten des lokalen Sektors verbanden. Jeden Tag passierten tausend Schiffe den Hexus, um Ladung zu löschen, Reparaturen vorzunehmen oder der Besatzung einfach eine Möglichkeit zu geben, sich unterwegs ein bisschen die Beine zu vertreten. All diese Schiffe davon abzuhalten, zu kollidieren beziehungsweise sie den richtigen Liegeplätzen zuzuweisen - das war eine Aufgabe, für die Computer wie gemacht waren, und die autonomen Systeme des Hexus leisteten ausgezeichnete Arbeit. Valk saß dort lediglich für den Fall, dass doch etwas Unvorhergesehenes passierte, bei dem menschliches Urteilsvermögen vonnöten war. Sollte zum Beispiel ein Frachter Vorrecht bei der Wahl des Liegeplatzes beanspruchen, weil er Gefahrgut transportierte. Oder wenn jemand besonders Wichtiges mit Samthandschuhen angefasst werden wollte. Was zum Glück nur selten vorkam.
Flugsicherung, hier Angie B. Nehmen Kurs auf Gehinnom. Danke für die Hilfe.
Zivile Drohne in Schutzzone eingeflogen. Wird umgeleitet.
CentroCor-Frachtkahn 4519 noch zweitausend Kilometer entfernt, fliegt die Vairside-Docks an.
Vairside-Docks melden Vollbelegung. Eingehenden Verkehr bis 18:22 umleiten.
Baffininsel-Docks melden sechs verbleibende Liegeplätze. Aufnahme bis 18:49.
Nicht identifiziertes Fahrzeug verlässt Wurmloch-Schlund. Keine Antwort auf Ping.
Vielleicht war es nur die Wiederholung, die dafür sorgte, dass Valk sich in seinem engen Arbeitsraum um die eigene Achse drehte. Er rief ein neues Display mit aktuellen Bildern des 30 Millionen Kilometer entfernten Wurmloch-Schlunds auf. Der Schlund selbst sah aus wie eine Kugel aus makellosem Glas, die das Licht dahinterliegender Sterne krümmte. Ein Schwarm von Kontrollbojen mit Flutlichtbänken und Sensoren umringte den Schlund in sicherem Abstand. Die Neuankömmlinge waren so klein, dass Valk ein, zwei Sekunden brauchte, um sie überhaupt auszumachen.
Aber da - das vordere Schiff war ein dunkler Fleck, nahezu unsichtbar, wenn es nicht gerade eines der Lichter im Hintergrund verdeckte. Ein ziviles Schiff, dem Aussehen nach rein auf Schnelligkeit ausgelegt. Und direkt dahinter - da .
»Ach«, sagte Valk. Ein kurzer, erstaunter Schnaufer. Es war tatsächlich ein FA.2-Raumjäger, Kataphrakt-Klasse. Der zigarrenförmige Rumpf endete vorn in einem unterteilten Karbonglas-Cockpit, hinten in einem einzigen, massiven Triebwerk. Auch die doppelten Tragflächen waren ihm wohlbekannt.
Bis zu seinem Unfall war Valk selbst Kampfpilot gewesen. Er kannte die Silhouetten sämtlicher Kataphrakte, Träger-Spähboote und Langstrecken-Aufklärer, die jemals eingesetzt worden waren. Es hatte eine Zeit gegeben, in der man die FA.2 überall gesehen hatte, als sie noch der Lieblingsjäger der Flotte für sämtliche Kampfeinsätze gewesen war. Aber das war über ein Jahrhundert her. Wer bitte flog heutzutage mit so einem Museumsstück herum?
Valk tippte den Bildschirm an und zoomte hinein - da erst sah er die roten Lämpchen, die überall auf seinem Hauptschirm blinkten. Die beiden Neuankömmlinge waren schnell unterwegs, mit einem Gutteil Lichtgeschwindigkeit aus dem Schlund geschossen.
Und rasten direkt auf den Hexus zu.
Valk rief ein Nachrichtenpult auf und funkte sie eilig an.
Licht und Hitze brachen über Lanoes Cockpit herein, und sofort war er schweißgebadet. Den Großteil der Nässe fing sein Anzug automatisch ein, konnte aber schlecht alle Tropfen erwischen, die ihm auf der Stirn ausbrachen. Er wischte über eins der virtuellen Schaltpulte neben seinem Ellbogen. Die Sichtscheibe polarisierte und wechselte auf beinahe blickdichtes Schwarz. Es reichte immer noch nicht.
Es gab einen überaus guten Grund dafür, Wurmlöcher nicht mit einem derartigen Affenzahn zu verlassen: Ihre Ausgänge lagen für gewöhnlich ziemlich nah an ziemlich großen Sternen.
Er konnte kaum etwas sehen - die Nachbilder der gleißenden Sonne hatten sich über sämtliche Armaturen gelegt. Schemenhaft glaubte er, dicht vor sich einen großen Planeten auszumachen, konnte aber keinerlei Details erkennen. Also schaltete er...
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