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Wie kaum einer zuvor, hat Roger Federer es über die Jahrzehnte so leicht aussehen lassen, zwischen angeschnittenen Rückhänden, erstklassigen Vorhänden und Überkopfbällen zu wechseln. Sein Weg vom temperamentvollen, wasserstoffblonden Teenager mit fragwürdigem Style hin zum größten, selbstbeherrschtesten und elegantesten aller Spieler war vor allem von einem starken Willen geprägt. Roger Federer hatte nicht nur wahnsinniges Talent, sondern auch die mentale Stärke, in der Tenniswelt zu bestehen und sich zu den Größten hochzukämpfen. Christopher Clarey, einer der weltweiten Top-Sportjournalisten der heutigen Zeit, hat Federer von Beginn seiner Profi-Karriere an begleitet. In seinem Buch fokussiert er sich auf die wichtigsten Personen in Federers Leben, die zentralen Stationen und Momente seiner langen und ereignisreichen Karriere. Es war eine Reise wie keine andere, voller Siege und krachender Niederlagen. Eine, die das Wort Perfektion neu definiert hat und Federer zum Liebling der Tennisfans auf der ganzen Welt gemacht hat. "Der Maestro" erzählt auf intime und großartige Weise die Geschichte von Federers Leben und seiner Karriere.
Es war kurz vor Mitternacht, als Roger Federer erschien.
Journalisten sind das Warten gewohnt, und dieses Mal wartete ich in einem Mietwagen mit Chauffeur in einem Vorort von Buenos Aires. Im Radio lief Eric Carmens schwermütige Ballade "All by Myself". Das passte ganz gut zu meiner Situation, schließlich saß ich allein auf dem Rücksitz, in der Hand ein paar Notizen und im Kopf Gedanken an das bevorstehende Interview. Zu Federer, der so selten allein zu sein scheint und auch diesmal alles andere als allein war, passte es hingegen überhaupt nicht.
Es war Mitte Dezember 2012, und Federers Comeback-Jahr, in dem ein Sieg in Wimbledon - sein erster Grand-Slam-Titel seit über zwei Jahren - ihn an die Spitze der Weltrangliste zurückbefördert hatte, neigte sich dem Ende zu. Seine Frau Mirka und die dreijährigen Zwillingstöchter waren zu Hause in der Schweiz geblieben, während er zu seinem ersten Besuch in diesen Teil Südamerikas aufgebrochen war, um an mehreren Showturnieren teilzunehmen. Die Eintrittskarten dafür waren nach wenigen Minuten ausverkauft gewesen.
Federer lockte das Geld: Jeder Auftritt brachte ihm zwei Millionen US-Dollar ein, wodurch er mit nur sechs Spielen mehr Einnahmen erzielte als die 8,5 Millionen US-Dollar an offiziellen Preisgeldern im Jahr 2012. Doch er wollte auch Erfahrungen sammeln, an die er sich später gerne erinnerte: die Begegnung mit einem neuen Publikum an neuen Orten - trotz aller körperlichen und psychischen Belastungen der vergangenen elf Monate.
Andere Champions mit ähnlich gutem Auskommen hätten auf eine solche Reise und den damit verbundenen Jetlag sicher verzichtet. Doch Federer und sein Manager Tony Godsick hatten das große Ganze im Blick: Sie dachten an noch unerschlossene Federer-Märkte und -Emotionen. Die Reise, die sie zunächst nach Brasilien und nun nach Argentinien führte, übertraf alle Erwartungen. Das bezeugten schon die 20.000 Menschen, die sich an diesem Abend in dem provisorischen Stadion in Tigre drängten - ein Zuschauerrekord für ein Tennismatch in Argentinien, das doch ein stolzes Tennisland ist, mit Ikonen wie Guillermo Vilas, Gabriela Sabatini und nicht zuletzt Juan Martin del Potro, Federers Gegner und in gewisser Weise auch sein Gegenpol.
"Es war fantastisch, aber für Juan Martin schon auch seltsam", sagte del Potros damaliger Trainer Franco Davin. "Argentinien ist sein Land, und trotzdem jubeln die Leute bei Federer noch mehr."
So war es auch in vielen anderen Tennisnationen. Fast überall hat Federer ein Heimspiel. Und auch kurz vor Mitternacht warteten immer noch einige Hundert Fans vor dem Stadion: Erwachsene standen auf Kisten, um eine bessere Sicht zu erhaschen, Kinder hockten auf den Schultern ihrer Eltern, und überall leuchteten Handys mit eingeschalteter Kamera, um den einen Moment ja nicht zu verpassen.
Es herrschte eine ruhige und erwartungsvolle Atmosphäre, die in dem Moment, als Federer aus einer Seitentür trat und auf meinen Wagen zusteuerte, von tumultartigen Szenen abgelöst wurde. Trotz seines Dreisatzspiels gegen del Potro ging er leichten Schrittes.
Mit einem rhythmischen "Bye-bye. Bye-bye. Bye-bye!" verabschiedete er sich im Plauderton von seinen Fans, bevor er die Wagentür öffnete.
"Wie geht's?", sagte er im gleichen Tonfall zu mir und schloss die Tür.
Ich bin Federer auf sechs Kontinenten hinterhergereist und habe ihn binnen 20 Jahren mehr als 20-mal für die New York Times und die International Herald Tribune interviewt. Unsere Treffen fanden an allen möglichen Orten statt, in einem Privatflugzeug, auf einem Rückfeld in Wimbledon, auf dem Times Square in New York, in Schweizer Bergrestaurants oder in einer Suite im Pariser Hôtel de Crillon mit fantastischem Blick auf die Place de la Concorde, während seine spätere Frau Mirka Vavrinec gerade Designer-Kleidung anprobierte.
Eine Eigenschaft, die Federer von den meisten anderen Ausnahmesportlern, die mir begegnet sind, unterscheidet, ist seine Angewohnheit, den Gesprächspartner zunächst einmal (und nicht nur der guten Form halber) zu befragen: wie denn die Anfahrt gewesen sei und wie man das Turnier, das Land und die Menschen einschätze.
"Roger ist deshalb so interessant, weil er sich für andere interessiert", bemerkte einmal sein früherer Trainer Paul Annacone mir gegenüber.
Meine eigene fünfköpfige Familie hatte sich 2012 auch auf Weltreise begeben: ein ganzes Schuljahr unterwegs, angefangen mit einem dreimonatigen Aufenthalt in Peru, Chile und Argentinien. Federer wollte die Highlights erfahren (Torres del Paine und die Insel Chiloé in Chile, Arequipa in Peru). Doch am meisten interessierte ihn der Schulunterricht: Wie hatten unsere Kinder auf die Situation reagiert, hatten sie davon profitiert? Ein Hinweis darauf, dass er wohl vorhatte, auf unabsehbare Zeit mitsamt seiner Familie auf Achse zu sein, seinen Alltag mit den Kindern zu teilen und ihnen nebenbei viel von der Welt zu zeigen.
"Wir sind in den meisten Städten und bei den meisten Turnieren sozusagen Stammgäste und haben weltweit viele Freunde", sagte er. "Es fühlt sich dann so an, als würde man ein zweites Zuhause besuchen. Dieses Gefühl kann ich mittlerweile sehr leicht in mir hervorrufen, vor allem seit die Kinder dabei sind. Ich möchte ihnen dieses Gefühl vermitteln, damit sie sich überall, wo wir hinkommen, wohlfühlen."
Federers Neugier - gleich ob aus Höflichkeit oder tatsächlich von Herzen - sorgt dafür, dass man mit ihm eher ein Gespräch als ein strukturiertes Interview führt. Sie wirkt entwaffnend, auch wenn er das gar nicht zu beabsichtigen scheint. Vor allem lässt sie das Außergewöhnliche in einem etwas normaleren Licht erscheinen, und darum bemüht sich Federer sehr nachdrücklich. Er kann damit umgehen, auf einem Podest zu stehen, betont aber oft, dass er lieber auf Augenhöhe mit anderen verkehrt. Vielleicht hat er diese Eigenschaft von seiner Mutter Lynette geerbt. Wenn jemand ihren Nachnamen hört und sie fragt, ob sie mit dem Federer verwandt sei, bejaht sie und erkundigt sich dann direkt nach den Kindern des Gesprächspartners.
"Schau und hör dir das an", sagte er in seinem unverwechselbaren näselnden Bariton und machte eine Handbewegung in Richtung Autofenster. "Wir drängen uns hier per Polizeieskorte durch die Menge, das kenne ich nicht."
"Wirklich?", antwortete ich. "Ich hätte gedacht, dass dir das oft passiert."
"Zum Glück nicht", sagte er. "Ich halte mich eigentlich für einen ganz normalen Typen, der halt das spannende Leben eines Tennisspielers führt. Da steht man im Rampenlicht, ist in der ganzen Welt unterwegs, spielt live vor Publikum. Auf Kritik muss man nicht lange warten. Man weiß gleich, ob man gut oder schlecht war. Das ist fast wie bei Musikern, ich finde das ein wirklich gutes Gefühl. Selbst wenn man schlecht war, macht das nichts. Dann arbeite daran. Zumindest weiß man, dass man eine Aufgabe vor sich hat, und wenn man gut war, gibt es einem Selbstvertrauen, motiviert und inspiriert einen. Ich gebe schon auch zu, dass es ein wunderbares Leben ist. Manchmal ist es aber auch hart, denn das Reisen kann echt anstrengend sein. Du kennst das . Doch neulich dachte ich mir: Ich bin vor rund zehn Jahren in die Top 10 eingezogen und erlebe heute immer noch solche Dinge. Es ist irgendwie eine außerkörperliche Erfahrung, man glaubt fast nicht, dass es wirklich passiert. Ich schätze mich sehr glücklich, und das ist sicher auch einer der Gründe dafür, dass ich noch länger spielen möchte. Denn das alles ist vorbei, wenn man sich zurückgezogen hat."
Wie viel er vor seinem Rücktritt noch erleben würde, überraschte dann wohl selbst Federer .
In jener Nacht in Argentinien war er bereits 31 Jahre alt und hatte damit das gleiche Alter erreicht, in dem einer seiner Vorbilder, Pete Sampras, mit seinem 14. Titelgewinn bei einem Grand-Slam-Turnier (den US Open im Jahre 2002) einen neuen Rekord aufgestellt hatte. Es war Sampras' letztes Spiel bei einem großen Tennisturnier, und hätte er bis zu seinem offiziellen Rücktritt nicht ein weiteres Jahr gewartet, wäre das einer dieser ultimativen Tennisabschiede nach einem Heimsieg gewesen.
Stefan Edberg, auch ein Tennisheld aus Federers Jugend, trat mit 30 Jahren zurück.
Doch Federer stand eben nicht kurz vor dem Ende seiner Laufbahn, wie es viele Tennisfachleute und -Fans verständlicherweise erwarteten. Er steckte vielmehr mittendrin und blieb tatsächlich bis in die 2020er-Jahre aktiv, während andere Tennisspieler seiner Generation längst für Unternehmen oder als Kommentatoren tätig waren - oder Federers jüngere Konkurrenten coachten.
Wer Sampras in den Jahren 2001 und 2002, seinen letzten beiden Saisons, beobachtet hatte, ahnte, wie sehr ihm die Plackerei und der Druck zusetzten. "Pete war fertig, aber Roger ist aus anderem Holz geschnitzt", sagte Annacone, der beide trainiert hat. "Das viele Reisen erschöpfte Pete. Roger zieht daraus Energie."
Annacone begleitete Federer zum ATP-Turnier nach Schanghai. Am zweiten Tag ihres Aufenthalts saßen Annacone und die anderen Teammitglieder an einem Tisch in Federers Hotelsuite und unterhielten sich, als es klopfte. Vor der Tür stand eine Chinesin.
Federer verkündete, ihre Sprachlehrerin sei eingetroffen.
"Roger erklärte: 'Sie wird täglich für etwa eine halbe Stunde vorbeikommen, und wir werden versuchen, hier und da ein paar Worte aufzuschnappen, um etwas Mandarin zu lernen'", erzählte Annacone. "Und ich so: 'Mann, ich kann ja kaum...
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