Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Rafael Nadal nahm zum ersten Mal seit 19 Jahren nicht an Roland-Garros teil und zog dennoch die Massen an.
Tausende Fans strömten zum Beginn der French Open 2023 durch das Eingangstor und die breite Steintreppe hinunter, wo eine 3 Meter hohe, glänzende Edelstahlstatue des Spaniers in Aktion für viele der erste Selfie-Stopp war.
Da "schwebte" er entgegen allen Erwartungen aus reiner Willenskraft und schlug der Schwerkraft ein Schnippchen.
Warum wurde ausgerechnet ein Spanier in der Kathedrale des französischen Tennis verewigt? Und warum wurde bereits im Jahr 2021 eine Statue für einen Champion errichtet, der - zu diesem Zeitpunkt - noch aktiv war?
Aber die eigentliche Frage lautete natürlich: Wie war es möglich, dass jemand das härteste Tennisturnier der Welt 14-mal gewinnen konnte?
"Für mich ist das die erstaunlichste Bilanz in der Geschichte des Individualsports", so Feliciano López, Nadals Freund und ebenfalls spanischer Tennisstar. "Einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, davon träumt jeder Tennisspieler. Aber 14-mal denselben Titel zu gewinnen, davon träumt man nicht mal. Das ist verrückt."
Entgegen der landläufigen Meinung ist Rafael "Rafa" Nadal dem Kult um seine Person nicht ganz abgeneigt. Im Rafa-Nadal-Museum, das 2016 in der Rafa Nadal Academy in seiner Heimatstadt Manacor auf Mallorca eröffnet wurde, gibt es die volle Dröhnung Selbstverherrlichung, die im krassen Widerspruch zu Nadals bescheidenem Image steht.
Bei dieser French-Open-Statue aber hatte der Star seine Finger nicht im Spiel. Seine Erfolge an diesem Ort waren einfach derart gigantisch, dass die logische Reaktion nur ein Denkmal sein konnte. In Frankreich fügte man sich in das Unvermeidliche.
"Es stimmt schon, auch wenn ich es nicht gerne sage, aber was ich in Paris erreicht habe, ist etwas Besonderes", räumte Nadal ein. "Ich bin dankbar dafür, und ich verstehe die Geste. Ich habe etwas erreicht, das man sich nur schwer vorstellen kann."
Und so ist sein Abbild heute ein integraler Bestandteil der Roland-Garros-Landschaft und ihrer Rekorde. Die beeindruckende Statue ist ein Werk des spanischen Künstlers Jordi Díez Fernández, sie hat sich zu einer regelrechten Pilgerstätte entwickelt. Dies ist nicht der Louvre. Es gibt keine Absperrungen, keine roten Samtseile, keine Alarmanlage. Hier kann man der Kunst ganz nah kommen. Ich habe einen weiblichen Fan den stählernen Fuß Nadals küssen sehen und viele andere, die fröhlich die peitschende, über die Schulter ausschwingende berühmte Vorhand des Stars - und der Statue - imitierten.
Kevin Wu, ein junger US-Amerikaner, dem seine Eltern zum College-Abschluss Tickets für die French Open schenkten, war einer dieser Pilgernden, die sich um das Denkmal versammelten.
"Ich finde, die Statue ist absolut berechtigt, weil er hier so oft gewonnen hat. Irgendwie ist das Rafas Turnier."
Es war zweifellos sein Turnier - und auch sein Belag. Der zermahlene Ziegelstein bei den French Open und in anderen Nadal-Hochburgen wie Monte Carlo, Barcelona und Rom ist grobkörnig und tückisch. Die weite Sandfläche wird am Ende eines jeden Satzes abgezogen. Sie entlarvt den Dilettanten und Nachzügler und belohnt den Veteranen, vor allem den Sandplatzwühler Nadal, der auf diesem Belag aufgewachsen ist.
Für Nadal ist Sand, was Wasser für Michael Phelps oder Luft für Simone Biles ist: ein natürlicher Lebensraum, wie geschaffen für den Sieg in Serie. Dabei war Sand gar nicht der Lieblingsbelag des jungen Nadal, er war und wird dennoch für immer sein bester Belag bleiben.
Im Juni 2023 kehrte ich zu den Anfängen zurück und besuchte Nadals Jugendplätze. Ich verließ Paris während der French Open, flog für ein paar Tage in den Süden nach Mallorca und wirbelte auf den bescheidenen Plätzen, auf denen Rafa am Rande seiner Heimatstadt Manacor Tennis zu spielen begann, ein wenig roten Sand auf. Beim Streifzug durch die Gänge und Umkleidekabinen des Club Tenis Manacor, der schon bessere Tage gesehen hat, kommt man nicht umhin, sich zu fragen: Wie gut standen die Chancen, dass von hier ein großer Champion kommt?
Sie standen sicherlich schlecht, aber vielleicht doch nicht ganz so schlecht, wenn man bedenkt, dass Mallorca, eine Insel mit weniger als eine Million Einwohner, wenige Jahre vor Nadal einen weiteren Nummer-eins-Spieler hervorbrachte: Carlos Moyá. Ein verblichenes Banner mit dem Konterfei der beiden Jungs aus der Gegend, die es zu etwas gebracht haben, flatterte über den Plätzen des Clubs.
"Als kämen zwei Weltranglistenerste hintereinander von Rhode Island", staunte der ehemalige US-Tennisstar und spätere Sportanalyst beim TV-Sender ESPN James Blake.
Viele Dinge mussten zusammenkommen, um Nadal zu seinem Riesenerfolg zu verhelfen: ein Onkel Toni, der sich mit Tennis auskannte und mit der Familie unter einem Dach wohnte, ein weiterer Onkel, Miguel Ángel, der ein Weltklassefußballer war, die Eltern Sebastián und Ana María, die ihrem Sohn Spielraum ließen, Carlos Moyá als Vorbild und Carlos Costa als Agent und gelegentlicher Hitting Partner und vor allem der Junge selbst, der über das ideale Temperament verfügte, um sein außergewöhnliches Talent und seine überbordende Energie optimal zu nutzen.
"Es ist der perfekte Sturm", urteilte Emilio Sánchez, der ehemalige spanische Tennisstar und spätere Trainer.
So viel hätte Nadal vom Kurs abbringen können: Verletzungen, Familiendynamiken, Fußball, das große Geld, Langeweile, Druck, die azurblaue Verlockung des nahen Mittelmeers jenseits aller sandrot gefärbten Socken, schweißgetränkten Bandanas und täglichen Entbehrungen.
Wie gut standen die Chancen?
Ich weiß noch, wie mir ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen, als ich das bescheidene Skiresort Kopaonik in Serbien besuchte, wo der spätere Erzrivale Nadals, Novak Djokovic, seine erste Tennisstunde direkt gegenüber der Familienpizzeria bekam - so wie Nadal seine erste Stunde von Onkel Toni direkt gegenüber der Familienwohnung in Manacor erhielt.
Als ich 2010 auf diesen serbischen Hartplatz trat, der rissig und vernachlässigt dalag, konnte ich mir leicht vorstellen, dass alles auch ganz anders hätte kommen können. In Djokovics Familie gab es keine ambitionierten Tennisspieler, nur Skifahrer. Wären diese Plätze nicht genau an dieser Stelle gebaut worden und hätte Jelena Gencic, die charismatische Tennislehrerin mit einem ausgezeichneten Auge für Talente, nicht gerade in jenem Sommer auf diesen abgelegenen Plätzen in den serbischen Bergen Tennisstunden gegeben, hätte Djokovic nie den frühen Start und die soliden Grundlagen bekommen, um ein zukünftiger Tennisprofi zu werden.
Gencic jedoch war zufällig dort und auch bereit, den jungen Novak auf unbekanntes Terrain zu führen. Wie sich herausstellte, war dieser Typ mit den borstigen Haaren genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und er schaffte es trotz Krieg, wirtschaftlicher Not und Isolation bis an die Spitze der Tenniswelt.
Wenn man Nadal besser verstehen möchte, muss man seinem Beispiel folgen. Man muss schwitzen und leiden, die Extrameile gehen, auch an den freien Tagen. Als ich dieses Buch schrieb, fühlte ich mich wie Rafa zu Ritualen hingezogen - Spaziergänge am frühen Morgen, Kaffeemahlen, Atemübungen -, um mich von der Zielgeraden abzulenken. In der Art von Method Acting entwickelte ich ein Method Writing.
Je mehr man über Nadal erfährt, desto weniger leicht möchte man es sich machen, möchte man die Spreu vom Weizen trennen. Als ich das Buch Der Maestro über Roger Federer schrieb, war mein Idealzustand definitiv ein Flow-Zustand. Wenn man über Nadal schreibt, hat man das Gefühl, die Anstrengung körperlich spüren zu müssen, das Brennen, während man die Erzählung Ziegelstein für Ziegelstein aufschichtet und gelegentlich an seiner Jogginghose herumzupft, damit es am Laptop rundläuft.
Lange vor Nadals Aufstieg reiste ich in einen anderen Teil Spaniens - in das verschlafene Monzón in der Region Aragonien - und strich mit der Hand an der Wand der Fabrik entlang, wo Conchita Martínez ihre Liebe zum Tennis entdeckte. Wände haben schon so manche Tenniskarriere ins Rollen gebracht, und die schüchterne Conchi schlug stundenlang gegen diese Wand und zeigte bald so vielversprechende Leistungen, dass ihre Familie, die nur über geringe Mittel verfügte und so gut wie nichts über Tennis wusste, sie schweren Herzens im Alter von zwölf Jahren nach Barcelona ziehen ließ, damit sie dort trainieren konnte. Martínez war die erste Spanierin, die Wimbledon gewann, als sie im Finale die alternde Rasenkönigin Martina Navratilova bezwang. Später beriet sie als spanische Davis-Cup-Kapitänin Nadal und seine Teamkollegen.
"Natürlich gehört auch eine Portion Glück dazu, aber ich glaube, das Wichtigste ist Leidenschaft für das, was man macht. Und es zu genießen", sagte mir Martínez. "Ich erinnere mich, dass ich damals einen Schläger in die Hand nahm und ihn nie wieder loslassen wollte, und ich bin mir sicher, dass Rafa nicht nur eine Leidenschaft für Tennis hat, sondern auch leidenschaftlich gern lernt, um sich ständig zu verbessern. Das ist der Schlüssel. Natürlich ist Rafa ein Champion auf einem anderen Niveau. Was er alles erreicht hat, ist ein wahrgewordener Traum, und man kann nur 'Wow' sagen. Aber wenn du anfängst, weißt du nie, wohin es dich führen wird."
Noch eine weitere, viel längere Reise habe ich unternommen, in die Außenbezirke von Harare in Simbabwe, auf eine familiengeführte Avocado-Farm, die in...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.