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Wie du fortfahren willst, so beginne.
Das sagten sich Tom und Megan alljährlich an Silvester, nachdem sie sich um vierundzwanzig Uhr geküsst hatten und kurz bevor sie von der Party verschwanden, zu deren Besuch man sie überredet hatte, während die anderen Gäste, nicht unbedingt textsicher, noch das obligatorische »Auld Lang Syne« sangen. Denn eigentlich wollten sie das neue Jahr viel lieber zu zweit in ihrer gemütlichen Wohnung begrüßen, wo sie sich den Bauch mit Käse und Champagner vollschlagen und ihre Zweisamkeit genießen konnten.
Insofern war es wohl angemessen, dass dies die ersten Worte waren, die Megan in den Kopf kamen, als sie am Tag vor ihrer Hochzeit die Augen aufschlug. Im nächsten Moment fiel ihr ein, was bis dahin noch alles zu erledigen war, doch sie schob den Gedanken energisch beiseite. Zu diesem Zeitpunkt lagen sämtliche Details in den überaus fähigen Händen des hoteleigenen Hochzeitsplaners. Allein an diesem langen Septemberwochenende, das aufgrund des Feiertags ein beliebter Zeitpunkt für private Veranstaltungen war, hatte er fünf Trauungen zu organisieren. Da würde er sicherlich auch noch die Hochzeitsfeier Givens/Prescott stemmen können.
Megan rekelte sich noch einen Augenblick lang zwischen den luxuriösen Laken, ehe sie die Beine aus dem Bett schwang und mit nackten Füßen über den kühlen Parkettboden tappte, um so schnell wie möglich ins Bad zu kommen. Dort waren die Fliesen warm von der Fußbodenheizung, und wenn ihre Zehen erst einmal kalt waren, dauerte es ewig, bis sie wieder auftauten.
Innen an der Badezimmertür hing der flauschige weiße Hotelbademantel. Sie schlüpfte hinein, schob ihre marginal angewärmten Füße in die ebenfalls vom Hotel bereitgestellten Pantoffeln und kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo sie die Vorhänge vor dem großen Fenster öffnete. Sie blinzelte ins helle Morgenlicht. In der Hochzeitssuite zu übernachten hatte gewisse Vorzüge. Der schönste war für sie der Ausblick auf Roche Harbor.
Es war noch früh, trotzdem herrschte draußen bereits reges Treiben. Kleine Kinder, noch in Schlafanzügen, Badetücher und Mini-Shampooflaschen in der Hand, gingen zusammen mit ihren Eltern über den hölzernen Steg der Marina zu den öffentlichen Duschen.
Vom Fenster aus konnte sie sogar das alte Segelboot ihrer Großeltern, die Happy Accident, mit ihrem verblichenen smaragdgrünen Rumpf und den morschen Holzverzierungen sehen. Unwillkürlich musste sie an die zahlreichen Sommerferien denken, die sie früher auf diesem Boot verbracht hatte. Solche Erinnerungen wärmten noch besser als die Fußbodenheizung. Segeln bedeutete für Megan die ultimative Freiheit. Dabei hatte sie ihre heimliche Abenteuerlust ausleben und wenigstens für eine Zeit lang alle Verantwortung an ihre Großmutter abgeben können, die an Bord das Kommando führte.
Auch deshalb war sie jetzt auf die Insel zurückgekehrt, auf der sie früher mit ihrer Familie jeden Sommer verbracht hatte. Sie war zwar in Montana aufgewachsen, hatte jedoch San Juan Island stets als ihr wahres Zuhause betrachtet und zeitlebens den Wunsch gehegt, eines Tages hier zu heiraten.
Die Insel bot in jeder Hinsicht die perfekte Kulisse für eine Traumhochzeit. Das Einzige, was noch fehlte, war ihr Verlobter.
Megan warf einen Blick auf ihr Handy und spürte ein Kribbeln der Vorfreude, als sie sah, dass Tom ihr eine Nachricht geschickt hatte, während sie noch geschlafen hatte.
Maschine gelandet. Bin auf dem Weg zur Fähre.
Unwillkürlich musste sie lächeln. Wenn sie sich erst wieder auf derselben Landmasse befanden, würde es ihr noch besser gehen. Sag dem Fährmann, er soll auf die Tube drücken, schrieb sie ihm zurück und schickte gleich noch ein Selfie hinterher, weil sie wusste, dass er über ihre vom Bett verstrubbelten Haare lachen würde. Nach dem Aufstehen sah sie immer aus wie so eine Trollfigur aus den 90ern (»nur hübscher«, wie Tom zu betonen pflegte).
Von draußen drang das gedämpfte Piepsen einer Schlüsselkarte an ihr Ohr. Dieser hinterlistige Kerl, dachte sie überglücklich. Er war bereits angekommen und hatte sie mit seiner Textnachricht bloß in die Irre führen wollen. Megan ließ den Vorhang los und war drauf und dran, sich den Bademantel von den Schultern gleiten zu lassen, um ihren Verlobten mit einem Hauch vorhochzeitlicher Nacktheit zu empfangen, als ihre Mutter in die Suite gewirbelt kam. Hastig zog Megan den Bademantel wieder zu und verknotete den Gürtel.
»Es heißt doch immer, Amazon liefert am selben Tag, aber bei allen Kleidern, die ich mir angesehen habe, stand: Lieferzeit ein bis zwei Wochen.« Eine Hand ins Kreuz gestützt, die andere an den Busen gepresst, machte Donna Givens ihrem Ruf, gerne überzureagieren, alle Ehre.
»Mom.« Megan schlug den besänftigenden Tonfall an, den sie ausschließlich für den Umgang mit ihrer Mutter reserviert hatte. Donna mochte sie zur Welt gebracht haben, trotzdem nahm sie in ihrer Beziehung grundsätzlich die Rolle des Kindes ein. »Wieso hast du einen Schlüssel für mein Zimmer?«
»Beim Einchecken haben sie dir zwei gegeben, Liebes, also wirklich.« Donna riss die Vorhänge vollständig auf, sodass sie - und Megan ebenfalls - vom grellen Morgensonnenschein geblendet wurde.
»Die andere Karte ist eigentlich für Tom.«
»Aber Tom ist nicht hier, oder?« Donna ließ sich auf die Chaiselongue neben dem Kamin sinken. Man hätte ihre knallroten Haare tatsächlich für Flammen halten können.
»Er hatte gestern noch ein Geschäftsessen, das sich nicht verschieben ließ«, sagte Megan abwehrend. Sie selbst war auch nicht gerade erfreut über Toms verzögerte Ankunft, aber sie beide hatten anstrengende Berufe, die viel Zeit in Anspruch nahmen, und waren übereingekommen, dass die Arbeit im Zweifelsfall vorging. Tom hatte den Nachtflug genommen und würde eben etwas später eintreffen. Es war wirklich keine große Sache.
Donna rümpfte schnippisch die Nase und zupfte an ihrem Halstuch. »Wer zieht denn bitte die Arbeit seiner Frau vor? Das ist ein Verhalten à la Ehemann Nummer drei.«
Megans Ärger wuchs. Und das hatte nicht nur damit zu tun, dass ein solches Verhalten in Wahrheit eher an Donnas Ehemann Nummer vier erinnerte (einen Workaholic, der mittlerweile im benachbarten County eine brandneue Bilderbuchfamilie hatte) als an Nummer drei (den jähzornigen Alkoholiker, den Donna bereits nach zwei Wochen rausgeschmissen hatte und von dem sie oft vergaß, dass sie überhaupt mit ihm verheiratet gewesen war). Sie ärgerte sich, weil Tom nichts, aber auch gar nichts, mit den Ehemännern oder Liebhabern gemein hatte, die in Donnas Leben ein und aus gingen. Denn - und das war der noch viel wichtigere Punkt - Megan hatte ebenfalls nichts mit Donna gemein.
Sie rieb gedankenverloren ihren Verlobungsring mit dem Daumen. Tom arbeitete viel, ja, aber er war kein Workaholic. Er hatte einfach nur einen wichtigen Termin gehabt. Sie wusste nicht genau, was daran so wichtig gewesen war, und ehrlich gesagt, hatten Toms Antworten auf ihr Nachfragen hin ein bisschen ausweichend geklungen, aber sie vertraute ihm blind. Wenn er sagte, dass er einen Termin hatte, den er nicht aufschieben konnte, dann war das so.
»Was meintest du vorhin mit Kleidern und Amazon?«
»Ich brauche was zum Anziehen für das Probedinner heute Abend.« Donna blickte aus dem Fenster. »Man kann von hier aus Grans und Granddads Boot sehen.«
»Ich weiß. Ist mir auch schon aufgefallen.« Es war mühsam, ihre Mutter dazu zu bringen, sich so lange auf ein Problem zu konzentrieren, dass es auch tatsächlich einer Lösung zugeführt werden konnte. Aber Megan war kampferprobt und hatte im Laufe der Jahre eine ganze Kiste voller Tricks zusammengestellt, aus der sie nun den passenden heraussuchte, ehe sie sich neben Donna auf die Chaiselongue setzte. Sie nahm die Hände ihrer Mutter und wartete geduldig, bis diese ihr wieder ihre Aufmerksamkeit zugewandt hatte.
Donna schaute sie an.
»Du hast doch ein Kleid«, sagte Megan sanft.
»Es ist viel zu gewöhnlich.« Donna entzog sich ihrem Griff und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich brauche was Schickeres.« Donna sprach mit einem seltsamen Akzent - das tat sie manchmal, wenn sie aufgewühlt oder durcheinander war.
»Was klingst du so britisch heute Morgen?«
Das hätte Megan lieber nicht sagen sollen. Donna stieg die Röte ins Gesicht. Wenn sie eine ihrer Launen hatte, war es am besten, die Abwärtsspirale möglichst schnell zu unterbrechen, solange sie noch nicht allzu viel Fahrt aufgenommen hatte. Da Donna in der Regel nicht widerstehen konnte, wenn man ihr ein Kompliment machte, beschloss Megan, genau das zu tun. »Mom, dein Kleid ist wunderschön. Du bist wunderschön darin. Wickelkleider lassen jede Frau zehn Jahre jünger aussehen.«
»Ich habe es heute Morgen...
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