Schweitzer Fachinformationen
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Leise sang Manuel mit, trommelte den Rhythmus aufs Armaturenbrett, während Andres einen neuen Joint mit etwas Kokain drehte. Sie wirkten entspannt und locker, die Leiche im Laderaum war in weite Ferne gerückt, schien gar nicht mehr zu existieren, auf jeden Fall nicht im Sinne einer klassischen Existenz, welche die drei Freunde in irgendeiner Weise emotional oder kognitiv berührt hätte. Wie drei Männer auf dem Heimweg von einer Party oder von der Arbeit steuerten sie ihren klapprigen VW Bully durch das nächtliche Barcelona und beschallten die meist leergefegten Strassen mit ihrer Musik. Nach einigen Minuten bogen sie in die >Avinguda del parallel< ein, folgten ihr in Richtung >Montjuïc<, wandten sich wieder nach links, um schliesslich in der Nähe der >Piscines Bernat Picornell< einen kurzen Stopp einzulegen. Sie stiegen aus, vertraten sich die Beine, liessen Whiskyflasche und Joint herumgehen und blickten auf das Lichtermeer des nächtlichen Barcelonas. Um sie herum war es still, nur vereinzelte Motorroller störten die beinahe sakrale Ruhe, die sich über die drei Freunde gelegt hatte. Die Nacht war klar und wolkenlos und der Mond und die Sterne verliehen dem Himmel etwas Leuchtendes, Gespenstisches.
»Erinnerst du dich daran, als wir das letzte Mal hier waren?«, fragte Manuel zwischen zwei Zügen des Joints.
»Aber klar doch«, antwortete Arturo und nahm den Joint aus Manuels Hand entgegen, »das war vor einigen Jahren an dieser legendären Party.«
»Was für eine Party?«, schaltete sich Andres ein, der es sich auf dem Dach des Busses gemütlich gemacht hatte. »Es war während des Sonar-Wochenendes«, begann Manuel zu erzählen, »Arturo und ich waren damals Teil eines anarchistischen Künstlerkollektivs, das berühmt war für seine illegalen Partys. In jenem Jahr hatten wir uns etwas besonderes überlegt. Wir besetzten für zwei Tage die kompletten olympischen Pool-Anlagen, stellten eine riesige Musikanlage und zwei kleine Bars auf und feierten bis zum Umfallen, beziehungsweise bis die Polizei kam. Aus Angst vor einer Eskalation drang diese jedoch nicht in die Anlage ein, sondern blieb vor dem Eingang in Bereitschaft und suchte das Gespräch mit den Organisatoren, ergo mit uns. Sie versuchten uns dazu zu bringen, das Gelände zu verlassen, was natürlich unzählige Festnahmen und Anzeigen wegen Landfriedensbruch und illegalem Drogenbesitz nach sich gezogen hätte. Doch da schlug die Stunde, die Arturo zum Helden der gesamten Halbwelt Barcelonas machte. Er stellte sich demonstrativ vor dem Eingang auf und verlangte mit dem verantwortlichen Leiter des Polizeieinsatzes zu sprechen. Diesem stellte er anschliessend ein Ultimatum, welches es in sich hatte. Er verlangte den sofortigen Abzug aller Polizeieinheiten, im Austausch dafür, dass die Party auf der Stelle beendet würde. Er verlangte weiter, dass alle Teilnehmer und Organisatoren der Party unbehelligt das Gebiet verlassen und nach Hause gehen konnten, dass also niemand mit irgendwelchen Konsequenzen zu rechnen hatte. Der verantwortliche Polizist war zuerst verblüfft, reagierte dann jedoch mit einem höhnischen Lachen und fragte Arturo, wie er sich das vorstellen würde und wieso er glaube, dass die Polizei auf diesen Deal eingehen solle. Arturo antwortete ebenfalls mit einem Lächeln, zog demonstrativ an seinem Joint, den er während des gesamten Gespräches im Mundwinkel hatte, blickte dem Polizisten fest in die Augen und erklärte ihm seelenruhig, dass, falls die Polizei den Deal ausschlagen würde, kein Stein der Pool-Anlage auf dem anderen bleiben würde, dass die gesamten >Piscines Bernat Picornell< in Flammen aufgehen würden und dass es kein Problem darstellen würde, diese Unruhen blitzschnell auf die gesamte Stadt auszuweiten.«
Manuel legte eine kurze Pause ein und nahm einen tiefen Zug von der Whiskyflasche.
»Und dann?«, fragte Andres gespannt, während er vorsichtig vom Dach des Busses herunterkletterte und sich zu den beiden anderen auf den Boden setzte.
»Dann ging es vielleicht 15 Minuten und alle Bullen waren abgezogen. Weitere 30 Minuten später hatten wir das Gelände geräumt. Kein Einziger von uns wurde dafür irgendwie belangt.«
Er wandte sich zu Arturo und gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
»Der wahnsinnige Glanz in deinen Augen hat es ausgemacht. Die Bullen glaubten dir jedes Wort und trauten dir zu, dass du die ganze Stadt eigenhändig in Schutt und Asche legen würdest. Nur deshalb liessen sie uns in Ruhe.«
Arturo sagte nichts. Er nahm den letzten Zug vom Joint, drückte ihn anschliessend mit der Sohle seines Schuhes aus, erhob sich und stieg gemächlich in den Bus. Seine Freunde erhoben sich ebenfalls und folgten ihm.
»Weiter geht's.«
Er startete den Motor und steuerte den Bus vom Gehsteig, bog nach rechts ab und folgte der Strasse den Hügel hinunter Richtung Hafen.
Durch die geöffneten Seitenfenster drang die kühle Meeresluft vom Hafen den Hügel hinauf direkt in ihr Cockpit und legte sich beruhigend über ihre Sinne. Andres hatte seine Augen geschlossen und genoss sein Flash, den Kopf an den Türrahmen gelehnt, während Manuel im Chaos des Handschuhfachs herumwühlte, um eine neue Kassette zu finden. Arturo war vollständig auf die Strasse konzentriert, was ihm aufgrund aller Drogen in seinem Körper immer schwerer fiel. Laternen, Schilder, Häuser und Strassenmarkierungen zogen als blosse Impulse an der Peripherie seiner Wahrnehmung vorbei. Trotzdem lenkte er den Bus in traumwandlerischer Sicherheit die kurvige Strasse entlang und näherte sich entschlossen dem Hafen, dessen rötliche Beleuchtung immer stärker wurde und die Illusion einer aufgehenden (oder untergehenden?) Sonne erzeugte. Manuel schob eine Kassette ins Kassettendeck, worauf sich das Fahrzeug aufs neue mit Musik füllte.
»I feel you, your sun it shines
I feel you, within my mind
You take me there, you take me where
My kingdom comes
You take me to and lead me through
Babylon
This is the morning of our love
It's just the dawning of our love.«
Arturos Wahrnehmung verschmolz immer stärker mit den Bildern und Eindrücken in seinem Kopf. Am Horizont erhob sich ein riesiges Abbild von Futuras Kopf aus der Dunkelheit, die kurvige Strasse, die genau zu ihr hinzuführen schien, verwandelte sich in den überdimensionalen, sich windenden Körper einer Schlange. Ihm trat Schweiss auf die Stirn und seine Hände begannen zu zittern. Er schloss die Augen und zählte langsam bis drei. Vor ihm lag wieder die wohlbekannte Strasse.
»Alles bloss Gespenster«, dachte er sich, während seine Hände sich langsam beruhigten, der Schweiss jedoch unaufhaltsam aus seiner Stirn quoll, sich über seinen Augenbrauen sammelte, um endlich in kleinen Rinnsalen über seine Schläfen in die Stoppeln seines Bartes zu fliessen, welche dort wieder versiegten wie Flüsse in der Wüste.
Der Hafen rückte näher und näher und langsam war es an der Zeit, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie das weitere Vorgehen in etwa aussehen würde. Jedenfalls liess sich diese Frage in den von Minute zu Minute unruhigeren Ausdrücken in Manuels und Andres Gesichtern erkennen. Immer häufiger wanderten irritiert fragende Blicke in Arturos Richtung, welcher den Bus seelenruhig in Richtung Hafen lenkte, den Blick geradeaus auf die Strasse gerichtet, eine Zigarette im äussersten Mundwinkel, damit ihm der Rauch nicht in die Augen stieg. In seinem Kopf war das weitere Vorgehen bereits klar, seit Andres in Juans Wohnung mit blutigen Händen vor ihm stand. Doch er konnte und wollte seinen Plan nicht mit den anderen teilen, sie würden noch genug erfahren, so viel, dass es für sie und für ihn wirklich gefährlich werden konnte. Gezielt umfuhr er die Gebiete des Hafens, die trotz der späten Stunde belebt waren und in denen eine emsige Geschäftigkeit herrschte und steuerte den VW-Bus immer tiefer hinein in die Hafenanlagen, welche mehr und mehr einen zerfallenen und verlassenen Eindruck hinterliessen und von Minute zu Minute stärker in sich zusammenzufallen schienen. Als sie beinahe am äussersten Ende des Hafens angekommen waren, stoppte Arturo vor einem Dock, dessen schäbiges Gebäude von einem hohen Metallzaun umfasst war, auf dessen Spitze eine Krone aus Stacheldraht thronte. Er öffnete die Wagentüre, wies seine beiden Begleiter an auf keinen Fall den Bus zu verlassen bis er zurückkehrte, zündete sich eine Zigarette an und machte sich langsam auf den Weg zum Tor, an dessen rechter Seite ein schiefes Pförtnerhäuschen lehnte. Das neu glänzende Metall des stabilen Zaunes und die gut sichtbar angebrachten Überwachungskameras standen in einem Widerspruch zum verfallenen Zustand des dadurch gesicherten Gebäudes, welcher nur eine Lösung zuliess. Trotzdem (oder gerade deswegen?) ging Arturo sicheren Schrittes auf das mit blauer und roter Farbe, sowie einem grossen Logo des FC Barcelona verzierten Pförtnerhäuschen zu und klopfte ans Fenster. Es...
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