Schweitzer Fachinformationen
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Sein ganzes Leben hat der sechzehnjährige Peter in Angst vor den Untoten am Lake Wranglestone verbracht. Jetzt stellen die Ruhelosen keine Gefahr mehr dar, denn die »Rückkehrer«, zu denen auch Peters Freund Cooper gehört, können die Menschen mit ihrem Körpergeruch vor den Horden beschützen. Als die Schutzprogramme in den Nationalpark für beendet erklärt werden, bereitet sich die Seegemeinschaft auf ihre Umsiedelung in die nahegelegene Stadt vor. Peters Traum von einem normalen Leben mit Kinoabenden und nächtlichen Streifzügen durch bunt beleuchtete Straßen, wie er es nur aus Erzählungen kennt, scheint endlich in Erfüllung zu gehen. Aber Cooper verabscheut die Enge des Apartments, ver- misst die endlose Weite der vereisten Hoch- ebene. Und er hütet ein dunkles Geheimnis mit dem Codewort »Timberdark«. Als ein brutaler Geisterjäger das Leben der Rückkehrer bedroht, ist Peter fest entschlossen, das Rätsel um Timberdark zu lösen - und nicht nur seinen Traum von einem Leben in der Stadt zu retten, sondern auch seine Zukunft mit dem Jungen, den er liebt.
Einige Gemeinschaften schützten sich vor den Toten, indemsie auf Inseln lebten. Andere hatten sich hinter großen Gletschern und Bergen in Sicherheit gebracht. Einmalig war das Nationalpark-Zufluchtsprogramm in Arizona, wo lange schwarze Straßen wie Lakritzstangen in der Wüste glänzten. Aus dem Weltraum sah der Grand Canyon aus, als hätte die Erde an der Stelle einen Riss - eine klaffende Wunde bis auf die Knochen. Nur dass hier keine Klinge am Werk gewesen war, ein Fluss hatte sich über Millionen von Jahren tief in den Fels geschnitten und bot den Überlebenden, die sich dort niedergelassen hatten, Verstecke in den Felswänden und bildete einen hohen Wasserfall, der die Toten zu Knochenmehl mahlte.
In Yellowstone weiter im Norden gab es keinen solchen natürlichen Schutz. Das Land war flach und ungeschützt, und die umherziehenden Horden hätten problemlos dort einfallen können, wenn die Erde hier nicht ein Geheimnis hüten würde.
Während die Luft so kalt war, dass sie wie Diamantenstaub glitzerte, brodelte es knapp unter der Erdoberfläche. Eine teuflische Säure ließ Bäume zu Zunder werden. Sie brannte das Gras ab und ließ die Landschaft mit kupferfarbenen Lachen zurück, die wie frisch gehäutete Schädel aussahen. Ohne Stege wären die Bewohner von Yellowstone verloren gewesen. Sie verliefen kreuz und quer durch den Park und verhinderten, dass die Leute mit ihren schweren Stiefeln in die dünne Erdkruste einbrachen. Von einer Hütte zur anderen gelangte man über Holzklötze und bewegliche Bohlen, wodurch man die Toten fernhalten konnte.
Tief im Innern von Yellowstone befand sich ein Vulkan, dessen glühend heiße Hülle die tödlichste aller natürlichen Verteidigungsmechanismen des Parks war. Dennoch war dieser Ort von unvergleichlicher Schönheit, wenn die großen Geysire ausbrachen, heiße Fontänen in die Luft spuckten und mit ihnen krächzende Habichte in den Himmel jagten.
Eine Schande nur, dass das Leben unter dem allumspannenden Blau kurz davor war zu erlöschen.
Wyatt hob den Topf von der blauen Flamme und schwenkte ihn, um den Kaffeesud vom Rand zu lösen. Dabei beobachtete er die vor dem Fenster tanzenden Schneeflocken. Gähnend kratzte er sich am Hintern. Kurz fragte er sich, ob er in die Spüle pinkeln sollte, während Daisy noch schlief, weil er keine Lust hatte, zum Klohäuschen zu gehen. Dann überlegte er es sich doch anders. Er schenkte den Kaffee ein und genoss den Moment, als der heiße Dampf aus den Tassen aufstieg, ehe er einen weiteren Scheit Holz ins Feuer warf. Die Flammen knackten. Vielleicht kam das Geräusch aber auch aus einer der Pfützen unter der Hütte - wie sollte man das zu dieser frühen Stunde schon wissen? Er stellte sich auf Zehenspitzen, um über den Schnee hinwegzuschauen, der sich auf dem Fenstersims türmte.
Der Dampf aus den Geysiren stieg durch die Spalten in den Bodenbrettern der kleinen Veranda vor der Hütte. Er war heute Morgen so dicht, dass er die Luft erstickte wie Septemberschnee jede Hoffnung auf einen Spätsommer. Die umliegenden Stege und Hütten waren nicht zu sehen, als befände man sich hoch oben mitten in den Wolken. Nur die tief stehende Wintersonne schimmerte matt durch das Weiß wie ein Mond. Und die kleine hölzerne Brücke war zu erkennen, die von der Hütte in den Nebel ragte, als wollte sie ihm entgegenkommen.
Wyatt verlor das Gleichgewicht und verschüttete Kaffee auf dem Herd. Wenigen Gesetzen beugte man sich in Yellowstone mehr als denen des Winters, aber daran zu denken, abends die Brücke vor der Hütte hochzuziehen, war mindestens so wichtig. Wann immer die Toten kamen, erschienen sie ohne Vorwarnung. Plötzlich standen sie auf den Stegen wie Geister aus der Unterwelt. Nicht, dass sich die Toten noch sehr für Daisy oder ihn interessierten. Seit dem Biss waren sie so gut wie unsichtbar für sie. Aber andere taten es durchaus. Sobald sich herumgesprochen hatte, dass Leute wie sie die Toten davon abhalten konnten anzugreifen, war das Zufluchtsprogramm sofort gestoppt worden. Die meisten, die in den letzten Wochen vom Glacier-Nationalpark hier vorbeigekommen waren, waren guter Dinge und berichteten, dass es in einer Stadt, die die Leute aus den Parks aufnehmen sollte, sogar schon Strom gab. Andere hingegen waren besorgt und erwähnten die sogenannten »Bleichen Reiter«, die sich noch hier herumtrieben und die Aufgabe hatten, die Toten abzuwehren. Daisy und er waren die einzigen, die beschlossen hatten, in Yellowstone zu bleiben. Sie konnten nichts anderes tun, als sich unauffällig zu verhalten, um zu verhindern, dass plötzlich einer von diesen Jägern vor ihrer Tür stand.
Wyatt starrte auf die kleine hölzerne Winde. »Daisy, mein Schatz«, rief er hinter sich, »hab ich etwa gestern nach dem Pinkeln vergessen, die Brücke wieder hochzuziehen? Oder du vielleicht?«
Daisy antwortete nicht. Mit großen Schlucken trank Wyatt seinen Kaffee und ging mit beiden Tassen ins Schlafzimmer. Das ungemachte Bett war leer. Wahrscheinlich war sie losgegangen, um in einer der heißen Quellen Eier zu kochen. Auch wenn sie gar nicht dran war. Seufzend betrachtete Wyatt den Pokal mit dem silbernen Pferd auf der Fensterbank. Er hatte früher mehr Wettbewerbe im Kälber-Rodeo gewonnen als irgendein anderer Cowboy diesseits der Teton Range. Und auch Daisy wäre eine Rodeo-Queen geworden. Die Strasssteine auf ihrem Hemd hätten geglitzert wie der Sternenhimmel, wenn sie nur die Gelegenheit bekommen hätte, für sie beide zu reiten. Das Zeug dafür hatte sie jedenfalls. Wer glaubte, eine Frau bräuchte dafür nicht mehr als ein schönes Lächeln und einen ordentlichen Vorbau, der irrte sich. Es verlangte richtig Mumm. Sie hatte sich das Westernreiten selbst beigebracht, und sie hätte damals, als sie mit ihren siebzehn Jahren noch unverheiratet war und keine Kinder hatte, alle Voraussetzungen erfüllt. Doch es hatte nicht sollen sein. Dafür hatten die Toten gesorgt. Wie für vieles andere auch.
Wyatt blickte auf die alte Obstkiste, die er zu einem Bettchen umfunktioniert hatte. Etwas darin rührte sich. Eine kleine Hand mit Fingern wie Cocktailwürstchen kam zum Vorschein, und Wyatt lächelte. Mable war sein Ein und Alles, und er wünschte sich eine Welt voller rauschender Flüsse und blühender Felder für sie als Spielwiese. Davon würden Daisy und er sich nicht abbringen lassen, in eine Stadt zu ziehen, käme für sie nie infrage.
Etwas landete mit einem Knall auf der Brücke. Wyatt stellte Daisys volle Tasse ab und eilte nach draußen. Es war eine tote Maus. Ein Rabe hatte sie abgeworfen und ließ auch nicht lange auf sich warten. Er hüpfte über die Holzbohlen und kreuzte die glänzenden schwarzen Flügel auf dem Rücken wie jemand, der sich verbeugt, um eine Frau zum Tanz aufzufordern. Dann machte er sich über seine Beute her. Er würgte ein Stück Fleisch hinunter, öffnete den Schnabel und gab diesen schrecklichen schnarrenden Laut von sich. Teuflisch. Wyatt wischte den Schnee von der Sitzfläche des Schaukelstuhls vor der Hütte, ließ sich darin nieder und setzte ihn mit der Fußspitze in Bewegung, während der Vogel ungestört weiter an der Maus pickte. Sie war ziemlich klein, das Fleisch hätte wahrscheinlich fast in einen Fingerhut gepasst, aber Wyatt fing trotzdem an zu zittern. Als der Rabe weiter rohe Fleischfetzen aus dem Kadaver zerrte, trat Wyatt mit dem Fuß auf und hielt den Stuhl an.
»Verdammt!«, rief er. »Nicht jetzt.«
Er umklammerte seine Kaffeetasse mit beiden Händen, um sie ruhig zu halten. Seine gräuliche Haut bildete einen starken Kontrast zu dem blendenden Weiß der langen Unterhose. Er verfluchte sich selbst, dass er so nach dem Fleisch gierte. Er zählte bis zehn und hoffte, dass es vorbeigehen würde. Doch es änderte nichts. Die Spucke lief ihm im Mund zusammen, und sein Magen knurrte laut, weil er sich nichts Besseres vorstellen konnte, als diese Maus und noch tausend andere kleine Kadaver zu verschlingen.
Er beugte sich vor und warf die Tasse nach dem Raben. Sie streifte seine Flügel und landete dann scheppernd auf der Brücke, wo sie weiterrollte und im Nebel verschwand. Und auch der Rabe verschwand mit seiner Beute. Wyatt wischte sich die Spucke aus dem Mundwinkel. Seine Hand zitterte. Durch den Biss für die Toten nicht mehr sichtbar zu sein, war ein Segen. Dass sie damit aber auch ihre Gier nach Fleisch übernommen hatten, ein Fluch.
Der Schlamm unter der Veranda blubberte und spritzte. Dann beruhigte sich alles wieder, und Wyatts Hunger ließ nach. Er umfasste die Armlehnen des Schaukelstuhls, um aufzustehen und die Tasse wieder zu holen, hielt dann jedoch inne.
Die Tasse kam von selbst zurückgeflogen. Sie tauchte aus dem Nebel auf, überschlug sich auf dem Verandaboden und knallte schließlich gegen die Hüttenwand.
Wyatt grinste schief. »Daisy, du zielst schlechter als 'n Besoffener vorm Pinkelpott.«
Auch wenn die Sonne nicht sehr grell war, legte er schützend eine Hand über die Augen und wartete darauf, dass Daisy mit den Eiern zum Vorschein kam. Doch sie kam nicht. Er rief nach ihr. Niemand antwortete. Plötzlich fiel ihm auf, dass die Sonne viel tiefer am Himmel stand als noch gerade eben. Es war früh am Morgen, aber so wahr er hier saß, die Sonne war dabei unterzugehen. Nicht langsam wie in echt, sondern wie in diesen alten Naturfilmen, wo es immer aussieht, als würde sie hinter einen endlosen Horizont fallen. Er ging bis vor die Brücke und blinzelte, um die letzte Schläfrigkeit loszuwerden. Die Sonne stand noch tiefer. Nur dass es gar nicht die Sonne war. Es war eine Lampe.
Wyatt stolperte vorwärts. »Was ist hier los?«
Der Dampf, der sich...
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