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England 1904: Vor zwei Jahren raubte ein schreckliches Unglück Captain Archie Curtis seine Zukunft beim Militär. War es ein Unfall oder Sabotage? Fest entschlossen, die Hintergründe aufzudecken, nimmt er eine Einladung auf ein abgelegenes Anwesen an. Ebenfalls zu Gast ist Daniel da Silva - dekadent, exotisch und kultiviert. Der Poet verkörpert alles, was der geradlinige Offizier fürchtet, und übt doch eine ungeahnte Anziehungskraft auf Curtis aus. Und während die elegante Fassade der Gesellschaft zu bröckeln beginnt und darunter Verrat, Erpressung und Mord zum Vorschein kommen, stellt Curtis fest, dass er den faszinierenden Daniel braucht wie keinen Menschen zuvor ...
Oktober 1904
Der Zug von London war Stunden unterwegs, eine ermüdende Fahrt für einen Mann, der zu angespannt war, um zu schlafen, und zu sehr in seine Gedanken vertieft, um zu lesen. Er wäre lieber mit dem Automobil gefahren, aber das war ihm jetzt unmöglich.
Am Bahnhof wartete ein Wagen auf ihn, das neueste Austin-Modell. Der uniformierte Chauffeur stand in militärischer Haltung daneben, machte dann aber gleich einen Satz, als Curtis auf ihn zukam, und überschlug sich fast, während sich dieser auf dem Beifahrersitz niederließ. Unermüdlich bot er ihm Decken zum Schutz vor der Kühle der abendlichen Herbstluft an, die er jedoch allesamt ablehnte.
»Sind Sie sicher, Sir? Lady Armstrong gab mir die Anweisung .«
»Ich bin doch kein Invalide.«
»Nein, Captain Curtis.« Der Chauffeur berührte salutierend seine Kappe.
»Und ich bin auch kein Offizier.«
»Ich bitte um Verzeihung, Sir.«
Es war eine lange Fahrt nach Peakholme. Sie mieden die Industriegebiete von Newcastle, obgleich er den dicken schwarzen Rauch vor dem dunkler werdenden Himmel gut ausmachen konnte. Erst ein paar Meilen zuvor hatten sie die Stadt hinter sich gelassen und fuhren jetzt übers offene Land. Aus Ackerland wurde Buschwerk, das sich über die Ausläufer der Pennines erstreckte, und schließlich bogen sie auf eine ansonsten leere, kurvenreiche Straße an einem trostlosen und unbewachsenen Hügel ein.
»Ist es noch weit?«, fragte er.
»Wir sind fast da, Sir«, versicherte ihm der Chauffeur. »Sehen Sie das kleine Licht dort vorn?«
Curtis musste etwas blinzeln, konnte dann das Licht auf dem Hügel aber ausmachen und bald darauf auch eine dunklere Form, die sich darum herum abzeichnete. »Es ist doch etwas kahl hier für einen Landsitz«, bemerkte er.
»Ja, Sir. Sir Hubert sagt immer, jetzt mag es noch kahl aussehen, aber warten wir mal hundert Jahre ab.« Der Chauffeur gluckste loyal. Curtis schloss mit sich selbst eine Wette ab, wie oft Sir Hubert diese geistreiche Bemerkung während seines Aufenthalts wohl äußern würde.
Der Austin schnurrte durch die kleinen Pflanzungen, aus denen sich eines Tages in ferner Zukunft ein berauschender Wald um das Peakholme-Anwesen entwickeln würde. Endlich kamen sie vor dem großen neuen Haus zum Stehen, und hellgelbes Licht ergoss sich aus dem Eingang. Ein Dienstbote wartete an der Auffahrt, um die Autotür zu öffnen. Curtis biss sich vor Schmerzen auf die Lippen, als er das Knie streckte. Er schüttelte sein Bein ein paarmal aus, bevor er über den knirschenden Kies bis zur Steintreppe ging, wo ihm ein Dienstbote seinen Mantel abnehmen wollte.
»Mr Curtis!«, rief Lady Armstrong, während sie durch die hell erleuchtete Halle schritt, um ihn zu begrüßen. Ihr Kleid war ein Traum in Blau, der ihre nackten Schultern umspielte und ihr blondes Haar perfekt zur Geltung brachte. In London hätte sie umwerfend ausgesehen, ganz zu schweigen davon, wie sie in dieser abgelegenen Region wirkte.
»Wie wundervoll, dass Sie da sind. Hierher zu gelangen hat schon beinahe etwas von einer Pilgerfahrt, nicht wahr? Ich bin so froh, dass Sie kommen konnten.« Sie streckte ihm beide Hände entgegen, Ausdruck ihrer charakteristischen, charmant informellen Begrüßung.
Er reichte ihr seine linke Hand und hielt die rechte zurück, woraufhin er einen Anflug von Mitleid in ihrem Gesicht wahrnehmen konnte. »Vielen Dank, dass Sie zu unserer kleinen Gesellschaft stoßen. Hubert!«
»Hier, meine Liebe.« Sir Hubert war hinter ihr in den Gang getreten. Er war ein stämmiger, kahlköpfiger Mann, gut drei Jahrzehnte älter als seine Gattin, mit einem gütigen Blick, der in Widerspruch zu seinem professionellen Ruf stand. »Na sieh mal einer an, Archie Curtis.« Sie gaben sich so etwas wie einen Händedruck, wobei Sir Huberts Hand die von Curtis zwar umfing, aber kaum berührte. »Es ist mir ein großes Vergnügen, Sie zu sehen. Wie geht es Ihrem Onkel?«
»Er ist in Afrika, Sir.«
»Um Himmels willen, schon wieder? Er hatte schon immer Fernweh, dieser Henry. Schon in der Schule hat er alle Verbindungen abgebrochen, müssen Sie wissen. Ich würde mich freuen, den alten Kerl irgendwann einmal wiederzusehen und diesen Kameraden von der Marine, den er da hat. Ich schätze, die beiden ziehen noch immer gemeinsam durch die Gegend?«
»Wie gewöhnlich, Sir.«
Sir Henry Curtis hatte sich um das verwaiste Kind seines jüngsten Bruders kümmern müssen, als Archie gerade einmal zwei Monate alt gewesen war. Sir Henry und sein enger Freund und Nachbar Captain Good hatten den Jungen zusammen großgezogen und ihre Reisen in die entferntesten Winkel der Welt jahrelang eingeschränkt, damit sie jeden Sommer da sein konnten, wenn er aus der Schule kam. Er war mit der Annahme aufgewachsen, dass eine ungezwungene, unkomplizierte Kameradschaft die natürlichste Sache der Welt war. Jetzt schien es ein verlorenes Paradies zu sein.
»Nun, ich denke, wir werden dafür sorgen, dass Sie sich hier wirklich wohlfühlen. Dann müssen Sie den beiden einfach einen Besuch bei uns ans Herz legen. Und wie geht es Ihnen, mein lieber Kamerad? Es tat mir sehr leid, von Ihrer Verletzung zu hören.«
Das war nicht nur so dahingesagt, denn Sir Huberts Augen drückten echtes Bedauern aus. »Das war eine schlimme Sache, ein schrecklicher Fehler. Es hätte Ihnen nicht passieren dürfen.«
Lady Armstrong fiel ihm mit einem perlenden Lachen ins Wort. »Mein Lieber, Mr Curtis hat eine schrecklich lange Reise hinter sich. Und wir essen in einer Stunde. Wesley wird Sie nach oben geleiten. Der Ostflur, Wesley«, sagte sie zu einem gut gebauten Dienstboten, der in der dunkelgrünen Livree des Peakholme-Anwesens gekleidet war.
Curtis folgte dem Mann über die breite Treppe nach oben, wobei er sich ein wenig über das Treppengeländer lehnte, um das Haus besser bewundern zu können. Sir Hubert, ein reicher Industrieller, hatte Peakholme nach seinen eigenen Vorgaben vor etwa fünfzehn Jahren bauen lassen. Zu dieser Zeit war es ein außergewöhnlich moderner Bau gewesen, ausgestattet mit den neuesten Annehmlichkeiten, mit fließendem Wasser in allen Badezimmern, beheizten Warmwasser-Heizkörpern und elektrischem Licht durch einen eigenen hydroelektrischen Generator. Solchen Luxus war man immer mehr von Londoner Hotels gewohnt, ihn aber in einem derartigen Ausmaß in einem Privathaushalt vorzufinden, weit weg von der Hauptstadt, war durchaus eine Überraschung.
Die langen Gänge, in die die elektrischen Lampen ihren hellgelben Schein warfen, zuverlässig und sauber, aber so viel greller als Gaslicht, wären ansonsten herkömmlich erschienen. Sir Huberts Sohn war dafür bekannt, dass er für sein Leben gern jagte, und das schien in der Familie zu liegen, denn die Durchgänge hingen voller Ölgemälde von Fuchsjagden und waren zugestellt mit ausgestopften Trophäen in dramatischen Posen, allesamt sicher verwahrt in Glasvitrinen. Eine Eule in gebückter Haltung, die Flügel heftig gekrümmt in dem Versuch, eine Maus zu fangen. Ein Habicht, der sich von einem Ast neigt, bereit zum Angriff. Ein Adler, ausgestattet mit Glasaugen. Curtis würde sie als Orientierungspunkte in einem Haus nutzen, das insgesamt gesehen nicht sehr überschaubar war.
»Das ist doch eine recht ungewöhnliche Anordnung«, bemerkte er gegenüber dem Dienstboten.
»Ja, Sir«, stimmte Wesley ihm zu. »Das Haus wurde so entworfen, dass es einen Servicekorridor hinter den Schlafzimmern gibt. Dort sind die elektrischen Kabel verlegt, und dort verläuft auch die Zentralheizung.« Er sprach diese technischen Begriffe mit sichtlichem Stolz aus. »Eine fabelhafte Sache. diese Elektrik. Ich weiß nicht, ob Sie mit der Bedienung vertraut sind, Sir?«, fragte er hoffnungsvoll und öffnete die Tür zu einem Raum am Ende des Korridors.
»Nein, zeigen Sie es mir bitte.« Curtis war ein praktischer Mann und recht vertraut mit der Elektrizität, aber diese Tour war für den Dienstboten offensichtlich der Höhepunkt des Tages. Also ließ er sich von Wesley die Wunder der Knöpfe erklären, die andere Dienstboten herbeiriefen, und Schalter, die für Licht sorgten oder einen Deckenventilator in Betrieb setzten. Angesichts der an diesem kalten Oktobertag vorherrschenden Kühle, und ganz zu schweigen von der Lage des Hauses im Norden Englands, bezweifelte er, dass er Letzteres benötigen würde.
An der Innenwand des Raums, gegenüber vom Bett, stand ein großer, goldgerahmter Spiegel. Curtis betrachtete sich darin, um zu prüfen, wie sehr ihm die Reise zugesetzt hatte, und fing dabei Wesleys Blick auf.
»Willkommen in Peakholme, Sir, wenn ich so frei sein darf.« Der Dienstbote schaute sein Spiegelbild an, ohne die Augen zu senken. »Wenn es irgendetwas gibt, das ich während Ihres Aufenthalts für Sie tun kann, läuten Sie bitte, Sir. Sie haben keinen Diener dabei, nehme ich an?«
»Nein.« Curtis wandte sich vom Spiegel ab.
»Darf ich Ihnen dann jetzt behilflich sein, Sir?«
»Nein. Vielen Dank! Bitte packen Sie später aus. Ansonsten werde ich nach Ihnen läuten, wenn ich etwas brauche.«
»Das hoffe ich, Sir.« Wesley nahm den Schilling, den Curtis ihm zusteckte, zwar entgegen, zögerte aber einen Moment. »Gibt es sonst noch etwas .?«
Curtis fragte sich, worauf der Mann wartete; das Trinkgeld war mehr als großzügig gewesen. »Das ist dann alles.«
»Ja, Mr Curtis.«
Wesley ging aus dem Zimmer, und Curtis ließ sich schwer auf das Bett sinken. Er wollte einen Moment lang in sich gehen, bevor er sich umziehen und für die Begegnung mit den anderen Gästen...
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