© Stefan Seip
PHÄNOMENE DES ALLTAGS
Unsere Erde ist leider kein idealer Standort für astronomische Beobachtungen: Die Atmosphäre verschluckt einen Teil des Sternlichtes, und die Drehung der Erde sowie ihr Lauf um die Sonne erschweren zunächst die Orientierung am Himmel.
WARUM IST DER HIMMEL BLAU?
Wer einen wolkenlosen, strahlend blauen Urlaubshimmel winters im tief verschneiten Hochgebirge genießt, kann der Antwort auf diese Frage ein Stück näherkommen. Der weiße Schnee bezieht seine Farbe wie alle weiß erscheinenden Oberflächen aus dem Vermögen, das auftreffende Licht aller Farben gleichermaßen gut zu reflektieren. Auf dem Foto einer verschneiten Landschaft wird dies besonders deutlich, denn dort kann man erkennen, dass nur der sonnenbeschienene Schnee wirklich weiß erscheint; Schnee im Schatten, der nur das Blau des Himmels reflektieren kann, zeigt dagegen einen bläulichen Schimmer. Die Sonne aber leuchtet eindeutig gelblich, zumindest dann, wenn sie hoch am Himmel steht - wieso also erscheint der Schnee weiß und nicht auch gelb?
Zur Entstehung des blauen Himmels und roter Sonnenuntergänge: Bei steilem Lichteinfall ist der Weg durch die Atmosphäre vergleichsweise kurz und kurzwelliges (blaues) Licht verfärbt den Himmel. Steht die Sonne tief am Himmel, so ist der Weg durch die Atmosphäre lang und nur langwelliges (rotes) Licht bleibt übrig.
© Gerhard Weiland
SPURENSICHERUNG IM SCHNEE
Wenn der Schnee im Schatten bläulich erscheint, weil er nur das Himmelsblau reflektieren kann, der sonnenbeschienene Schnee dagegen weiß aussieht, weil er das blaue Himmelslicht und das gelbe Sonnenlicht reflektiert, dann liefert offenbar die Addition von blauem und gelbem Licht weißes Licht.
Umgekehrt wird weißes Licht gelb, wenn man den blauen Anteil ganz oder teilweise herausfiltert. Genau das passiert in der irdischen Lufthülle, wo das an sich weiße Licht der Sonne seinen Blauanteil verliert und eine gelbe Sonne zurückbleibt.
Schneelandschaft mit weißem und mit blauem Schnee
© Werner E. Celnik
Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was diese Aufspaltung des weißen Sonnenlichtes in das aus allen Richtungen gleichmäßig auftreffende Himmelsblau und die nach wie vor scharf begrenzt erscheinende Sonne bewirkt. Dazu ist uns eine weitere Beobachtung hilfreich: Die Sonne sieht nur hoch am Himmel leicht gelb aus - näher zum Horizont erscheint sie dagegen zunehmend gelborange, orange oder gar orangerot. Da kaum jemand ernsthaft behaupten wird, dass die Sonne selbst ihre Farbe verändert, muss auch hier ein anderer Prozess am Werke sein - vielleicht sogar der gleiche, der für das Himmelsblau verantwortlich ist. Dazu betrachten wir die Abbildung hier. Im rechten Teil steht die Sonne hoch am Himmel, und der Weg ihres Lichts durch die Erdatmosphäre ist auffallend kurz - erst auf den letzten rund 50 Kilometern bis zum Erdboden muss es durch eine Gasschicht von nennenswerter, nach unten deutlich zunehmender Dichte hindurch. Im linken Teil steht die Sonne dagegen für den gleichen Betrachter tief über dem Horizont. Oberhalb der Atmosphäre kommt nach wie vor weißes Sonnenlicht an, der Betrachter am Erdboden dagegen sieht die Sonne rötlich, und auch der Himmel ist nun in ein rotes Licht getaucht. Auch ohne eine exakte geometrische Betrachtung sieht man sofort, dass der Weg des Sonnenlichtes durch die dichteren Schichten der Erdatmosphäre jetzt wesentlich länger ist als im ersten Fall, denn es trifft nur noch streifend auf die Lufthülle und muss entsprechend schräg durch die Atmosphärenschichten hindurch. Wenn jetzt aber Sonne und Himmel rötlich leuchten (und entsprechend auch der sonnenbeschienene Schnee im Hochgebirge in der Abendsonne einen deutlichen Rotschimmer zeigt), ist offenbar der gesamte Rest des ursprünglich weißen Sonnenlichtes auf dem langen Weg durch die Atmosphäre verloren gegangen. Dafür spricht auch, dass die Sonne jetzt bei Weitem nicht mehr so grell leuchtet und so stark wärmt wie um die Mittagszeit. Der Blauanteil färbt einige Hundert Kilometer weiter westlich, wo die Sonne noch etwas höher über dem Horizont steht, den Himmel weiterhin blau, und wenn aus dem verbleibenden gelben Licht der Sonne dann auch noch die mittleren Wellenlängen herausgefiltert werden, bleibt am Ende ein orangeroter Glutball übrig.
DES RÄTSELS LÖSUNG
Mit anderen Worten entsteht das Blau des Taghimmels durch einen Ausleseprozess, der innerhalb der Erdatmosphäre abläuft und umso stärker wirkt, je länger der Weg des Lichtes durch diese Lufthülle ist. Dieser Prozess macht sich darüber hinaus bei blauem Licht besonders stark bemerkbar. Beobachtungen des britischen Physikers Lord John William Rayleigh lieferten im 19. Jahrhundert eine Erklärung für diesen Vorgang: Es sind die Atome und Moleküle der Erdatmosphäre selbst, die für die himmlischen Farbkompositionen verantwortlich gemacht werden können. Wenn sie vom Sonnenlicht getroffen werden, werden sie kurzzeitig gleichsam elektrisiert, müssen aber diese überschüssige Energie unmittelbar danach wieder an die Umgebung zurückgeben. Und da diese "Rückgabe" der von außen auf sie eingeprasselten Energie in alle möglichen Richtungen denkbar ist, wird ein Teil des Lichtes aus dem ursprünglichen Strom herausgefischt und in alle anderen Richtungen "gestreut".
An dieser Stelle ist es hilfreich, auf eine Modellvorstellung der Physiker für die Beschreibung des Lichtes zurückzugreifen: Sie betrachten Licht (und andere Formen der elektromagnetischen Strahlung) als Wellen mit unterschiedlicher Frequenz oder Wellenlänge. Dabei entsprechen die einzelnen Farben verschiedenen Wellenlängen: Blaues Licht zum Beispiel besitzt Wellenlängen von etwa 420 bis 480 Nanometer (1 Nanometer = 1 Milliardstel Meter), während Licht von 640 bis 800 Nanometer Wellenlänge als rot bezeichnet wird. Die betroffenen Luftmoleküle sind noch etwa 50- bis 100-mal kleiner.
Lord Rayleigh fand 1861 heraus, dass der beschriebene Streuprozess stark wellenlängenabhängig ist und damit eine klare Farbauslese begünstigt: Je kürzer die Wellenlänge des auftreffenden Lichtes, desto stärker wird das Licht gestreut - blaues Licht etwa 16-mal so stark wie rotes. Kein Wunder also, dass der Himmel tagsüber blau erscheint.
So schön ein strahlend blauer Himmel auch aussehen mag - für astronomische Beobachtungen hat er einen entscheidenden Nachteil: Er ist so hell, dass man die Sterne am Tag mit bloßem Auge nicht sehen kann. Allenfalls Mond und Venus - in Ausnahmesituationen auch Jupiter - können sich gegen diesen hellen Himmel abheben. Daraus kann man ableiten, dass der Taghimmel rund 10.000-mal heller als der Nachthimmel erscheint.
Venus und Jupiter in der Abenddämmerung. Manchmal kann man Venus selbst am Taghimmel erkennen, wenn man weiß, wo sie steht.
© Werner E. Celnik
Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang dringt vom eigentlich weißen Sonnenlicht nur dessen roter Anteil durch die Erdatmosphäre.
© Stefan Seip
ATMOSPHÄRISCHE ERSCHEINUNGEN
Dass sich das an sich weiße Sonnenlicht aus verschiedenen Farben zusammensetzt, wird auch beim Regenbogen deutlich. Er entsteht, wenn das Sonnenlicht auf Regentropfen trifft und von diesen reflektiert wird. Dabei vollzieht sich die Reflexion aber nicht an der Außenhülle der Regentropfen - dann gäbe es nämlich nur eine Vielzahl von Lichtpunkten, die zu einem weißen Lichtbogen verschmelzen.
In Wirklichkeit dringt das Licht in die Tropfen ein und wird dabei wie von einer Glaslinse "gebrochen", das heißt, vom geraden Weg abgelenkt. Und weil diese Lichtbrechung auch wellenlängenabhängig ist, wird blaues Licht stärker abgelenkt als rotes - es trifft also weiter unten im Regentropfen auf die Rückseite, wo es schließlich reflektiert wird. Wenn das solchermaßen vorsortierte und reflektierte Licht an der "Vorderseite" des Regentropfens wieder austritt, wird es erneut gebrochen, und auch diesmal ist das blaue Licht stärker betroffen als das rote Licht. Das führt dann dazu, dass der Beobachter einen in die typischen Regenbogenfarben aufgefächerten Licht-bogen sieht, der innen blau und außen rot erscheint. Seit alters her, als die Zahl Sieben aus mancherlei Gründen mit der Vollkommenheit der Welt in Verbindung gebracht wurde, kennt man sieben Regenbogenfarben: Violett - Indigo - Blau - Grün - Gelb - Orange - Rot.
Eine ähnliche Ursache haben andere atmosphärisch-optische Erscheinungen wie etwa Nebensonnen und weitere Halo-Formen, Lichthöfe oder auch irisierende Wolken. Jedes Mal gibt es ein "Medium", das das auftreffende Sonnen- oder auch Mondlicht in seine Farbbestandteile aufspaltet und unter einem bestimmten Winkel reflektiert oder beugt.
Der 22-Grad-Ring als Sonnenhalo entsteht durch Lichtbrechung an Eiskristallen in großer Höhe.
© Stefan Seip
Nebensonnen zählen zu den häufigsten Formen der Sonnenhalos.
© Stefan Seip
Halos, zu denen außer den auffälligen und häufig beobachteten Nebensonnen auch noch der sogenannte 22-Grad-Ring, der (seltene) 46-Grad-Ring, die Lichtsäule und der Horizontalkreis sowie weitere Formen gehören, werden durch Lichtbrechung an sechseckig geformten Eiskristallen verursacht, wobei die jeweilige Ausrichtung dieser Kristalle bestimmte Haloformen bevorzugt: Voraussetzung für Nebensonnen...