Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
2
Anki Karlsson unterdrückte ein Gähnen, bevor sie sich den Aufgaben im Stall zuwandte. Gestern war es spät geworden. Die Fähre hatte erst eine halbe Stunde nach Mitternacht in Visby angelegt, und bis ihre Freundinnen an Land waren, ihr Gepäck und dann sich selbst im Wagen verstaut hatten und sie alle die vierzig Kilometer bis Mullvald gefahren waren, hatten sich die Zeiger der Uhr schon auf halb zwei vorgeschoben. Glücklicherweise hatte Anki bereits vorher sämtliche Betten bezogen, sodass sie sich einfach nur hineinfallen lassen konnten. Gunilla und Ingegerd teilten sich das eine Gästezimmer, und Lena hatte ein Zimmer ganz für sich, was aber allen Freundinnen entgegenkam, schließlich war Lena Weltmeisterin im Schnarchen, und wer ein Zimmer mit ihr teilen musste, bekam nie wirklich viel Schlaf.
Anki schleppte einen Heuballen auf die Weide und löste mit einem Messer die Schnüre. Dann lockerte sie mit der Heugabel die trockenen Halme auf und verteilte sie für ihre Islandpferde. Schließlich ging sie wieder in den Stall und öffnete beide Boxen. Mittlerweile kannten Osk und Austri den Ablauf und wussten, welchen Weg sie einschlagen mussten, um zu ihrem Frühstück zu kommen. Anfangs hatte Anki sie noch am Halfter hinübergeführt, aber das war nicht länger nötig.
»Dann mal los mit euch!«, rief Anki und schlug Osk gegen die Flanke. »Das Frühstück wartet.«
In die fuchsfarbene Stute kam Leben, spielerisch schnappte sie nach Austris weißer Mähne, der sich wiederum nicht lange bitten ließ und liebevoll neckend zurückzwickte. Sie knufften sich gegenseitig, weil jedes zuerst durch die Tür wollte. Austri gewann, was Osk mit einem enttäuschten Wiehern quittierte, aber sie folgte ihm schnell auf dem Hufe. Anki ging langsam hinter ihnen her und hakte den Elektrozaun am Pfosten ein.
»Guten Hunger, meine Lieben!«, sagte sie und kehrte zurück in den Stall, um die Boxen auszumisten.
»Schönen guten Morgen!«
Anki schaute von ihrer Arbeit auf, als sie Ingegerds nur zu bekannte Stimme hörte, und stützte sich mit den Armen auf die Mistgabel.
»Na, bist du auch schon wach? Guten Morgen.«
Ingegerd schlang sich die Arme um den Oberkörper und massierte sich die Schultern.
»Mittlerweile schlafe ich morgens nicht mehr sonderlich lang. Aber wenn ich sagen müsste, ich wäre nach der Überfahrt in Topform, würde ich lügen.«
»Ja, das ist ziemlich spät geworden gestern«, stimmte Anki zu. »Die Fähren haben einen wirklich sonderbaren Fahrplan.«
Ingegerd schüttelte den Kopf.
»Ach, dann hole ich den Schlaf ein andermal nach. Kann ich dir helfen? Ich dachte, wenn ich mit anpacke, wird mir vielleicht warm.«
Anki deutete zu der Wand, an der Mistgabeln und Schaufeln hingen, und schon machte Ingegerd sich eifrig in Box Nummer zwei zu schaffen.
»Schlafen unsere Freundinnen noch?«, fragte Anki über die Trennwand.
»Nein«, antwortete Ingegerd und richtete sich auf. »Lena und Gunilla sind auch schon wach, aber die gehen den Tag etwas gemütlicher an. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass sie genau dann hier auftauchen, wenn wir die Pferde gesattelt und gestriegelt haben und sie nur noch aufsitzen müssen.«
Anki lachte. »Eindeutig keine Stallmädchen.«
»Gunilla ist ja noch immer auf dem heimischen Hof aktiv, aber Lena hat bestimmt seit unserer Jugend keinen Stall mehr betreten. Aber sie machen Brote und Kaffee, damit wir was zum Frühstücken mit in die Natur nehmen können.«
Auf dem Rückweg von der Fähre hatte Anki eher aus Spaß vorgeschlagen, dass sie einen Frühstücksausritt mit Picknick machen könnten. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie beim Wort genommen würde, aber beste Freundinnen waren nun mal beste Freundinnen.
»Das mit dem Reiten wird Lena schnell wieder lernen«, versicherte Anki. »Meist reichen ein paar Minuten auf dem Pferderücken, und schon kommt alles zurück. Als ich vor einem Jahr hergezogen bin, war ich schließlich auch ewig nicht geritten, und trotzdem war alles Wissen noch da. Sowohl im Kopf als auch in den Schenkeln.«
»Wie beim Radfahren also«, sagte Ingegerd. »Wohin kommt denn der Mist?«
Anki zeigte zu einer Hintertür, und schon verschwand Ingegerd mit der Schubkarre hindurch, während sie selbst neue Sägespäne holte und in den Boxen verteilte. Das Ausmisten war eine angenehme Beschäftigung, die sie in Bewegung und somit auch fit hielt. Mist zusammenzuharken und dann mit der Schubkarre wegzubringen war leichtes Krafttraining. Und sobald die Pferde versorgt waren, konnte Anki zu ihrem Kaffee und der Tageszeitung zurückkehren, um sich einen gemütlichen, ausgedehnten Morgen zu gönnen. Aber natürlich kostete es manchmal auch Kraft, so früh in den Stall zu müssen.
Fröhliches Gelächter hob vor dem Stall an, und schon kamen zwei unverschämt muntere Frauen herein. Die kurze Nacht hatte keinerlei sichtbare Spuren bei diesen Rentnerinnen hinterlassen, oder aber sie hatten diese schnell wie der Blitz unter Make-up versteckt. Auch Anki achtete auf ihr Aussehen, selbst wenn sie an manchen Tagen nicht weiter als bis zum Stall ging. Sie legte stets Wert darauf, sich hübsch zu machen. Nicht um irgendeinem Mann zu gefallen, falls das jemand glauben sollte, nein, sich selbst zuliebe wollte sie sich einfach nicht gehen lassen.
»Dann werden wir heute also ausreiten«, sagte Gunilla. »Wie lustig!«
»Bei mir ist das schon eine Weile her«, gestand Lena und biss sich auf die Lippe, »aber ich will es versuchen. Wie lösen wir denn das Problem, dass wir zu viert sind, aber nur zwei Pferde haben?«
»Islandpferde sind doch stark«, lachte Gunilla. »Du setzt dich einfach hinter mich.«
Da Lena nur noch erschrockener aussah, musste Gunilla schnell hinzufügen, dass sie bloß einen Scherz gemacht hatte.
»Zuallererst können wir uns ja dabei abwechseln, die Pferde zu striegeln«, erwiderte Anki. »Beide sind staubig, und nach der Nacht im Stall müssen die Mähnen und Schweife ausgebürstet werden. Wenn wir damit fertig sind, reiten Ingegerd und ich los. Lena, weil du dich erst wieder daran gewöhnen musst, reitest du zurück. Den Weg laufen die Pferde von allein. Ihre Losung ist definitiv: Zu Hause ist es am schönsten.«
»Und wo treffen wir uns? Beziehungsweise, wie kommen wir dann dorthin?«, fragte Gunilla. »Also wir, die nicht reiten?«
»Ihr könnt den Wagen nehmen. Ich habe schon eine Idee, wo wir schön frühstücken könnten«, sagte Anki. »Bis dorthin sind es nur vielleicht vier Kilometer. Dann tauschen wir, und ihr könnt zurückreiten. Ich zeige euch auf der Karte, wie ihr fahren müsst.«
»Vier Kilometer?«, fragte Gunilla. »Das können wir doch auch zu Fuß gehen, oder, Lena? Wird uns guttun.«
Da stimmte ihre Freundin durchaus zu.
»Wenn es für Anki und Ingegerd in Ordnung ist, dass auch sie spazieren gehen, statt zurückzufahren, dann bin ich einverstanden«, antwortete sie.
»Das klingt doch vernünftig«, fand Ingegerd. »Die Bewegung wird mir sicher helfen, wenn ich ganz steif vom Pferd steige, weil ich die Belastung nicht mehr gewöhnt bin.«
»Und ich freue mich einfach, mal wieder Gesellschaft zu haben«, sagte Anki. »Ich bin hier schließlich fast immer allein unterwegs.«
Nachdem die Pferde gestriegelt und gesattelt waren, saßen Anki und Ingegerd auf. Zunächst begleiteten sie Gunilla und Lena ein Stück, doch schon bald wollten sowohl Reiterinnen als auch Pferde das Tempo steigern.
»Herrlich!«, rief Ingegerd, als sie schon ein Stück im weich wogenden Tölt hinter sich gebracht hatten. »Was für ein tolles Tier!«
Anki hatte Ingegerd den hübschen Austri überlassen. Sein schwarzes Fell glänzte nur so, und die weiße Mähne flatterte, weil er die Vorderbeine zum Tölten so hochzog.
»Ich wusste, dass er dir gefallen würde«, rief Anki zurück. »Wollen wir noch einen Zahn zulegen?«
Sie trieben die Pferde an, und schon galoppierten sie nebeneinander über den Weg. Osk und Austri waren begeistert, stachelten sich gegenseitig an und wurden in ihrem kleinen Wettkampf von sich aus immer schneller, um bloß vorn zu bleiben.
Nach einer Weile drosselte Anki das Tempo wieder, und Ingegerd folgte ihrem Beispiel. Sie bogen auf einen Weg ab, der in den Wald führte, und nach ein paar hundert Metern offenbarte sich die Lichtung, die Anki für das Picknick auserkoren hatte, inmitten eines Naturreservats mit einer alten Wallburg.
»Wer kommt denn da?«, fragte Ingegerd und stieg ab.
Ein großer Hund hielt direkt auf sie zu. Schnell sprang Anki ebenfalls vom Pferd, umklammerte fest die Zügel und hob eine Hand.
»Stopp!«, rief Anki, während Osk erschrocken wieherte und zu steigen drohte.
»Stopp!«, wiederholte Anki, und tatsächlich setzte sich der Hund auf die Hinterbeine.
Mit großen Schritten kam ein Mann aus der gleichen Richtung, aus der auch der Hund gekommen war.
»Behalten Sie Ihren Hund an der Leine!«, schimpfte Anki. »Sie sind nicht allein im Wald!«
Der Mann antwortete nicht, griff nur nach dem Halsband seiner Bestie und zog sie mit sich.
»Puh«, sagte Anki und atmete auf. »Das war knapp. Wie geht es dir?«
»Gut«, antwortete Ingegerd. »Was ist denn das für ein Idiot, und warum hat er seinen Hund nicht unter Kontrolle?«
Anki zuckte mit den Schultern.
»Er ist neulich erst hergezogen, und sein Hund ist ihm schon ein paar Mal abgehauen. Er beißt, hab ich gehört. So verantwortungslos. Seit sie hier wohnen, ist es nicht mehr so sicher, in dieser Gegend zu...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.