Schweitzer Fachinformationen
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Anki Karlsson schloss die Tür zu ihrem neuen Heim auf und ließ sie offen. Frische Luft konnte sicher nicht schaden, das Haus hatte lange leer gestanden und fühlte sich ein bisschen trostlos an. Anki blieb im Türrahmen stehen, drehte sich um und ließ den Blick den kleinen Hügel hinauf zum Pfarrhof schweifen.
Es war ein schönes und auffälliges Haus, fast ein kleines Schloss. Aus Stein gebaut, gelb-beige verputzt und mit braun gestrichenen Sprossenfenstern versehen. Das Haus hatte zwei Eingänge, und über einem ragte hoch ein Fachwerkturm auf. An der Wand stand in schönster Fraktur Volksschule. Die gesamte Bauweise trug die Handschrift des vorletzten Jahrhunderts, und es war sicher lange her, seit zum letzten Mal Kinder in der Pause um das Haus geflitzt waren. Die rot-gelbe Flagge der Schwedischen Kirche flatterte munter an einer Fahnenstange, und Anki vermutete, dass es sich um Mullvalds Gemeindehaus handelte.
Die Frauen, die oben am Fenster standen, waren verständlicherweise neugierig. Das Leben hier war weit weniger anonym als in Stockholm, sicher würde die eine oder andere Gardine zittern, wenn sie vorbeiritt oder -spazierte.
Anki wandte sich um und betrat ihr eigenes Haus. Sie ging von Zimmer zu Zimmer, zog die Rollos hoch und schaute sich in den leeren Räumen um. Wenigstens war die Heizung aufgedreht, dafür hatte der Makler gesorgt. Ihre Möbel waren vor ein paar Tagen hergebracht worden und standen aufgereiht in dem, was die Möbelpacker offenbar zum Wohnzimmer erkoren hatten. Sie in die unterschiedlichen Teile des Hauses zu verfrachten würde mühsam werden. Am liebsten wäre sie vor Ort gewesen, als der Umzugswagen ankam. Dann hätte sie den Möbelpackern zeigen können, wohin die Möbel gehörten. Aber sie hatte im Haus in Stockholm bleiben müssen, bis ihre Sachen abgeholt wurden. Außerdem musste danach noch das gesamte Haus geputzt werden, was sie mit ihren Freundinnen hinter sich brachte, bevor sie zum Abschied gemeinsam essen gingen. Lena, Gunilla und Ingegerd, allesamt Freundinnen aus Kindertagen, hatten das eine oder andere zu Ankis Abenteuer zu sagen. Würde sie wirklich allein klarkommen auf dem flachen Land, wenn der Winter erst hereinbrach und Schneestürme ums Haus wirbelten? Und wie sehr würde sie erst ihre gewohnten Ausflüge vermissen, ganz egal, ob es sich nun um Theaterbesuche, Weinproben oder Kunstausstellungen handelte? Anki brachten die Bedenken nicht aus der Ruhe.
»Wenn es mir zu eintönig und langweilig wird, gebe ich die Pferde in Pflege und nehme die nächste Fähre zurück zu euch«, hatte sie verkündet, und damit begnügten sich die Freundinnen.
Der Einrichtung des Hauses würde sie sich nach und nach widmen und um Hilfe bitten, falls das nötig wurde. Zunächst einmal musste sie das Schlafzimmer und die Küche einigermaßen herrichten. Sobald das erledigt war, wollte sie die Sauna anstellen, ein willkommener Bonus zum Haus. Eine eigene Sauna versprach Stunden wunderbarer Entspannung nach langen Ausritten im Wald oder entlang der Küste.
Es war wirklich ein ausgezeichnetes Haus, das sie da erstanden hatte. Nicht sonderlich schön oder äußerlich ansprechend, dafür aber funktional und außerdem ganz aus Holz. Alt war es, wie die meisten Häuser hier auf der Insel, aber der Vorbesitzer hatte sowohl Küche als auch Badezimmer renovieren lassen. Bei ihrem ersten Besuch hatte Anki keine fünf Minuten gebraucht, bis sie sich zu dem jungen Makler umgewandt, ihm fest in die Augen geschaut und »Danke, ich nehme es« gesagt hatte.
Schon beim Betreten war ihr klar gewesen, dass sie hier richtig war. Während der warmen Monate käme sie ohne Probleme zurecht, schließlich hatte sie es nicht weit bis zum Meer, und Reitwege gab es in Hülle und Fülle. Und die Wintermonate? Andere wohnten ja auch hier, da würde sie das auch meistern.
»Wollen Sie sich nicht erst noch richtig umsehen?«, hatte der Makler gefragt. »Sind Sie sich ganz sicher? Sie haben erst einen kleinen Teil gesehen.«
Eine Falte erschien zwischen seinen Brauen, sein Blick huschte nervös umher. So schnell hatte er vermutlich noch nie ein Geschäft abgeschlossen, was den jungen Mann zu verunsichern schien.
»Natürlich möchte ich mich noch weiter umsehen«, antwortete Anki. »Trotzdem nehme ich es, so einfach ist das.«
Und so war es dann auch. Das Treffen hatte im Frühling stattgefunden, nachdem Christer endlich für immer eingeschlafen war und Anki machen konnte, was sie wollte. Den Sommer nutzte sie dann, um den Haushalt in Stockholm aufzulösen und ihr ehemaliges Heim zu verkaufen. Ein paarmal reiste sie nach Gotland, nicht nur, um den Hauskauf abzuschließen, sondern auch, um sich nach passenden Pferden umzusehen. In ein paar Tagen würde sie zwei schöne Islandpferde in Empfang nehmen, ihre neuen Familienmitglieder.
Anki ging in die Küche, um die Einkaufstaschen auszupacken. Während sie die Sachen verstaute, ließ sie noch einmal ihren ersten Besuch in Mullvalds Lebensmittelladen Revue passieren.
Kaum hatte sie ihren Wagen vor dem Laden geparkt und die Autotür geöffnet, starrte sie in die dunklen Augen eines riesigen schwarzbraunen Hundes. Die Zunge hing ihm blutdürstig aus der Schnauze, und Sabberfäden hingen von seinen Lefzen. Anki hatte nicht direkt Angst vor fremden Hunden, aber in jedem Fall Respekt, besonders wenn sie so groß waren. Bei diesem Exemplar handelte es sich um einen Rottweiler, eine Rasse, der sie nicht gerade traute. Außerdem trug sie eine weiße Jeans und einen nagelneuen Pullover. Das hätte ihr gerade noch gefehlt, dass dieses Riesenvieh sie vollsabberte.
»Hoppla«, sagte Anki. Vorsichtig schälte sie sich aus ihrem Auto und schaute, wer sich am anderen Ende der Leine befand.
Ihr Blick fiel auf einen grauhaarigen Mann, der nicht besonders groß und dazu vielleicht eine Ahnung zu rundlich um die Hüften war. Wettergegerbte Gesichtszüge, ernste stahlgraue Augen und nicht die Spur eines Lächelns. Er trug eine schicke Jeans und einen moosgrünen Pullover, unter dem ein weißer Hemdkragen hervorlugte, darüber ein Tweedjackett. Außerordentlich gepflegt, könnte man sagen, außerdem schien alles von hoher Qualität.
»Der tut nichts«, sagte der Mann tonlos.
Genau, das behaupteten sie alle, diese Hundehalter. Anki versuchte, ruhig zu bleiben.
»Schön. Dass er nichts tut, meine ich. Guten Tag, ich bin Anki Karlsson und gerade hergezogen.«
Sie streckte die Hand aus, und der Mann drückte sie fest, ließ sie aber gleich wieder los, als hätte er sich verbrannt.
»Tryggve Fridman. Sie sind nicht von Gotland, nicht wahr?«
»Nein«, lachte Anki. »Ist das ein Nachteil?«
Ihr Versuch zu scherzen ging nicht auf, der Mann reagierte nicht einmal.
»Und wie heißt der Hund?« Sie nickte in Richtung der Bestie.
Für Tryggve Fridman war die Unterhaltung jedoch offenbar beendet. Er zog den Hund heran, wandte sich von ihr ab und spazierte davon.
Einen Moment lang sah sie dem Paar noch hinterher, der eine zweibeinig, der andere vierbeinig, und wunderte sich darüber, dass manchen Menschen sozialer Kontakt so schwerfiel.
Dann schloss sie den Wagen ab und betrat den Laden. Trotz dieses Miesepeters empfand sie ein überschäumendes Gefühl der Freude, endlich hier zu sein. Nach all den Jahren, in denen sie sich um Christer kümmern und gleichzeitig ihrer Lehrtätigkeit nachgehen musste. Zehn Jahre ihres Lebens hatte es sie gekostet, bis er endlich entschlafen war und sie sich langsam wieder entspannen konnte. Wie passend, dass sein Tod mit ihrer Pensionierung zusammenfiel. Es war eine Befreiung auf allen Ebenen. Zwar wagte sie nicht, nach außen zuzugeben, wie es in ihr aussah, aber als Christer endlich seinen letzten Atemzug getan hatte, war sie von einem Gefühl der Erleichterung überwältigt worden.
Im Laden befanden sich eine ganze Menge Kunden, was an einem Freitagnachmittag nicht weiter erstaunlich war. Anki hielt einen Moment inne und überlegte, was sie eigentlich brauchte. Joghurt natürlich und Eier. Letztere konnte sie allerdings auch in einem der Hofläden in der Umgebung holen, auf dem Hinweg war ihr ein Schild aufgefallen, das frische Eier anpries. Kaffee war ein Muss, deshalb suchte sie als Erstes danach, und schon bald lag eine Packung in ihrem Korb. Was wollte sie heute zu Abend essen? Sie stöberte in der Tiefkühltruhe und stieß auf eine Reihe von Lammgerichten. Was bot sich besser an als erste Mahlzeit auf Gotland? Anki schob ein paar Beutel mit Lammblut beiseite und hob eine Packung Lammrücken heraus, begutachtete den Preis, legte sie wieder zurück und griff stattdessen zum Hackfleisch, das sowohl köstlich als auch leicht zuzubereiten war.
Dann suchte sie nach Pappbechern. Solange ihre Umzugskartons noch nicht ausgepackt waren, würde sie sich damit begnügen. In dem kleinen Regal mit Papierwaren, Messern, Käsehobeln und Mausefallen fiel ihr Blick auf ein paar hübsche blau-weiße Teetassen. Lustig, auf so etwas in einem einfachen Dorfladen zu stoßen. Wobei man in solchen Geschäften natürlich häufig auf Unerwartetes stieß, Dinge, die man einfach brauchte. Oder auch nicht. Die Teetassen waren richtig fein und aus Großbritannien, genau solche hatte Anki sich schon lange gewünscht. Und hier standen sie und warteten auf sie für nur 249 Kronen pro Stück. Ein ziemlich guter Preis, andernorts kosteten sie sicher das Doppelte, wenn nicht noch mehr. Sie nahm eine der Tassen aus dem Regal und strich nachdenklich mit dem Zeigefinger über die Glasur. Entschlossen legte sie dann beide Exemplare in den Einkaufskorb und gleich noch eine Spitztüte mit Schokolade aus der Region, die verlockenderweise direkt...
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