Schweitzer Fachinformationen
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Die letzte Tasse Kaffee hätte Officer Chuck »Skid« Skidmore sich besser sparen sollen. Und es wäre ja auch bei nur einer geblieben, würde im Diner nicht Brandy arbeiten, die neue Kellnerin. Verdammt süß, die Kleine! Also hatte er seine gesamte Pause an der Theke abgesessen und sich mit Koffein vollgepumpt wie ein Zehnjähriger mit Kool-Aid. Was Brandy ziemlich gut zu gefallen schien, denn sie hatte ihm ständig nachgeschenkt und ihn mit ihrem Girlie-Geplauder und üppigem Dekolleté unterhalten.
Seit ihn Chief Burkholder vor zwei Monaten zur Nachtschicht eingeteilt hatte, aß er jeden Abend im LaDonna's Diner. Er hasste es, nachts zu arbeiten, respektierte aber die Entscheidung seiner Vorgesetzten. Aber er wollte unbedingt wieder zurück zur Tagschicht.
Skid bog mit dem Streifenwagen in die Hogbath Road ab, einem einsamen Stück Landstraße, die von Norden her von Miller's Woods und südlich von einem Maisfeld begrenzt wurde. Mit knirschenden Reifen blieb er auf dem Schotterstreifen am Rand stehen und suchte im Handschuhfach nach seinen Marlboro Lights, als sich knisternd das Funkgerät meldete.
»Drei-Zwei-Vier. Bist du 10-8? Pause zu Ende?«
Mona arbeitete nachts in der Telefonzentrale und war der einzige Mensch, mit dem er sich um diese Zeit unterhalten konnte - jedenfalls nach Betriebsschluss des Diners. Sie hatte ihn viele Nächte vor dem Tod durch Langeweile bewahrt. »Ja, bin im Dienst.«
»Und, hast du mit ihr geredet?«
»Korrekt.«
»Habt ihr euch verabredet?«
Skid stieß die Tür auf, um den Streifenwagen nicht vollzuräuchern, und zündete sich eine Zigarette an. »Also das geht dich doch wirklich nichts an.«
»Du bist doch derjenige, der seit zwei Monaten von nichts anderem redet.«
»Sie ist zu jung für mich.«
»Seit wann hat dich das je gestört?«
»Du blockierst die Leitung.«
Mona lachte. »Du bist ein Feigling.«
Er zog an seiner Zigarette und wünschte, ihr nie davon erzählt zu haben, dass er in Brandy verknallt war. »Wie du meinst.«
»Rauchst du etwa?«
Lautlos formte er das Wort Scheiße.
»Du hast gesagt, du hörst auf.«
»Ich hab gesagt, ich höre entweder mit dem Trinken oder dem Rauchen auf. Aber ganz bestimmt nicht mit beidem auf einmal.« Er inhalierte tief. »Schon gar nicht, wenn ich zur Nachtschicht verdonnert bin.«
»Vielleicht ist der Chief ja noch sauer wegen der alten Dame, die du verprügelt hast.«
»Ich hab sie nicht verprügelt. Die alte Kuh war stockbesoffen.«
»Sie war zweiundsechzig Jahre alt.«
»Und splitterfasernackt.«
Mona kicherte. »Du kriegst immer die besten Einsätze.«
»Erinner mich bloß nicht daran. Der Anblick ihres runzligen Arsches hat bei mir bleibende Schäden hinterlassen.« Er seufzte, von seiner Blase daran erinnert, warum er überhaupt angehalten hatte. »Ich geh jetzt mal pinkeln.«
»So genau wollte ich es nun auch nicht wissen.« Sie legte auf.
Grinsend stieg Skid aus. Die Grillen verstummten, als er um den Wagen zum Straßengraben ging. Trockene Maisstängel raschelten in der leichten Brise, und ein voller Oktobermond tauchte das hohe Getreidesilo und Scheunendach einer nahe gelegenen Amisch-Farm in gelbes Licht. Es war so still, dass er sogar das Quakkonzert der Frösche vom vierhundert Meter entfernten Wildcat Creek hören konnte. Skid erleichterte sich und versuchte, nicht an die lange Nacht zu denken, die vor ihm lag. Er würde mit der Chefin reden. Er hatte die Nase voll von diesem Geisterstunden-Job. Er wollte wieder tagsüber arbeiten.
Er zog gerade den Reißverschluss zu, als ihn ein seltsames Geräusch aufhorchen ließ. Das klingt wie der Ruf eines Kälbchens nach seiner Mutter, dachte er, oder wie ein jaulender Hund, der von einem Auto angefahren worden ist. Doch als das Geräusch wiederkehrte, wusste er, dass es weder das eine noch das andere war. Seine Nackenhaare sträubten sich. Irgendwo da draußen schrie ein Mann.
Die Hand auf der .38er im Hüftholster, suchte sein Blick die Gegend jenseits des flüsternden und seufzenden Maisfeldes ab. Der dritte Schrei versetzte ihn endgültig in Panik. »Was zum Teufel .?«
Er riss die Tür des Streifenwagens auf, beugte sich hinein, stellte das Blaulicht an und ließ die Sirene ein paar Mal aufheulen. Dann tastete er nach dem Ansteckmikrophon an seinem Kragen und drückte drauf.
»Mona, bin hier draußen in der Nähe der Plank-Farm. Hab ein 10-88.« Das war der Code für verdächtige Aktivitäten.
»Was ist passiert?«
»Irgendein Irrer schreit wie am Spieß.«
»Seltsam.« Sie schwieg einen Moment. »Wer ist es?«
»Keine Ahnung, aber ich glaube, es kommt vom Haus. Ich fahr hin und sehe mal nach.«
»Verstanden.«
Skid stieg in den Wagen, fuhr los und bog auf die Schotterstraße ein, die zum Haus führte. Die Planks waren Amische, und die Amischen lebten für gewöhnlich ruhig und zurückgezogen. Die meisten begannen ihr Tagewerk vor Sonnenaufgang und waren im Bett, bevor andere Leute ihr Abendessen beendet hatten. Skid konnte sich niemanden vorstellen, der um diese Uhrzeit noch draußen sein könnte, um Lärm zu machen. Wenn zu dieser Stunde jemand so rumschrie, war es entweder ein besoffener Teenager in seiner Rumspringa - der Zeit, die man Jugendlichen zum Austoben zugestand, bevor sie der Glaubensgemeinschaft beitraten -, oder es hatte einen Unfall gegeben.
Auf halber Strecke zum Haus tauchte aus dem Schatten plötzlich ein Mann auf der Straße auf, und Skid musste voll abbremsen. Der Wagen schlingerte und verfehlte ihn nur knapp. »Verdammte Scheiße!«
Der Mann tastete sich am Wagen entlang und blieb mit den Händen auf der Motorhaube stehen, die Augen so groß wie Tennisbälle. Skid kannte ihn nicht, doch der volle Bart und flachkrempige Hut zeigten eindeutig, dass er der Amisch-Gemeinde angehörte. Er schob den Schalthebel auf Parken und stieg aus. »Was zum Teufel machen Sie denn da? Ich hätte Sie fast überfahren!«
Der Mann atmete schwer und zitterte wie Espenlaub, und obwohl es Oktober war, glänzten seine Wangen schweißnass. Skid fragte sich, ob er vielleicht auf einem Drogentrip war.
»Mein Gott!«, sagte der Mann auf Pennsylvaniadeutsch.
Skid verstand den Dialekt der Amischen nicht, was in dem Fall völlig unwichtig war, so verängstigt wie der Kerl schien. Ganz egal, was hier vor sich ging, er durfte diesen abgedrehten Typen keinesfalls näher kommen lassen. Wer wusste schon, ob er auf Crack war oder irgendwo ein Messer einstecken hatte. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck, Kumpel. Und die Hände bleiben da, wo ich sie sehen kann.«
Der Mann hob die Hände. Er zitterte noch immer, was selbst aus zwei Metern Entfernung nicht zu übersehen war. Seine Brust hob und senkte sich, und es waren Tränen - kein Schweiß -, die auf seinen Wangen glänzten. »Wie heißen Sie?«, fragte Skid.
»Reuben Zimmerman!«, stieß er hervor.
Angst und Entsetzen standen ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Mund bewegte sich, aber es kamen keine Worte heraus.
»Beruhigen Sie sich, Sir. Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Zimmerman zeigte zum Farmhaus, wobei seine Hand flatterte wie eine Fahne im Wind. »Amos Plank. Die Kinder. Da ist überall Blut. Sie sind tot!«
Der Typ war bestimmt verrückt. »Wie viele Leute?«
»Ich weiß es nicht. Ich hab . Amos und die Jungen gesehen. Auf dem Fußboden. Tot. Ich bin weggelaufen.«
»Sonst haben Sie niemanden gesehen?«
»Nein.«
Skid blickte zum Farmhaus. Es lag still da, alle Fenster waren dunkel. Er drückte auf sein Ansteckmikrophon. »Mona, ich hab vielleicht ein 10-16 hier.« 10-16 stand für häusliche Gewalt. »Ich sehe mir das mal an.«
»Meinst du die Planks?«
»Soll ich das Sheriffbüro anrufen, dass sie einen Deputy schicken?«
»Ich guck mir das erst mal selber an. Kannst du Reuben Zimmerman durch LEADS laufen lassen?« LEADS war die Abkürzung für eine Datenbank der Polizeibehörden, in der alle noch nicht vollzogenen Haftbefehle aufgelistet waren.
»Verstanden.« Im Hintergrund hörte er das Klappern einer Tastatur. »Sei vorsichtig, ja?«, sagte Mona.
»Klar.«
Skid wollte so schnell wie möglich zum Haus und forderte den Mann auf, die Hände wieder auf den Wagen zu legen.
Zimmerman wirkte irritiert. »Ich hab nichts Verbotenes gemacht.«
»Das ist Vorschrift. Ich taste Sie ab, und die Handschellen sind zu Ihrem und zu meinem Schutz. Okay?«
Als wäre ihm klar, dass er keine Wahl hatte, drehte Zimmerman sich um und stützte die Hände auf den Streifenwagen. Skid tastete ihn rasch ab, Taschen, Socken und sogar zwischen den Beinen. Dann legte er ihm die Handschellen an. »Was machen Sie um diese Uhrzeit hier draußen?«
»Ich helfe beim Melken. Die Arbeit fängt um vier Uhr an.«
»Und ich dachte immer, meine Arbeitszeit wäre beschissen.«
Der Mann sah ihn verwirrt an.
»Vergessen Sie's.« Skid öffnete die hintere Wagentür und ließ ihn einsteigen. »Auf geht's.«
Er selbst glitt hinters Steuer, startete den Motor und fuhr los. Im Rückspiegel sah er Staub aufwirbeln, der im Schein des Rücklichts rot leuchtete, und vor ihm zeichneten sich die Umrisse des massiven Farmhauses und Getreidesilos in der einsetzenden Morgendämmerung ab. Von dieser Bilderbuchfarm hätte Skid nun wirklich keine Probleme erwartet. Er lebte schon seit vier Jahren in Painter's Mill, und...
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