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Claire hielt Damiens Hand. Ganz fest. Ihr Herz klopfte, ihre Knie zitterten. Gewisse andere Regionen ihres Körpers zitterten ebenfalls. Sie konnte kaum glauben, was sie gleich tun würde.
Nicht sie allein - sie beide. Sie beide würden es tun. Endlich.
Sie sah zu Damien. Betrachtete sein Profil im Licht der Abenddämmerung. Gott, er sah so unfassbar gut aus. Vielleicht war er nicht jedermanns Typ. Er war nicht attraktiv im klassischen Sinn, aber er löste etwas bei ihr aus. Berührte etwas in ihr, wie niemand sonst es konnte. Ganz bestimmt nicht Gareth. Das war schon seit Jahren vorbei.
Sie wandte sich ab und richtete den Blick wieder auf ihre Füße. Sie kamen nur langsam voran, der Sand am Flussufer war noch nass von der auslaufenden Flut.
Hinter ihnen lag der Weg zur Hauptstraße, wo sie das Auto geparkt hatten. Was in Wrabness so als Hauptstraße durchging. Zwischen Colchester im Süden und Ipswich im Norden gelegen, war es nicht einmal ein richtiges Dorf. Eine Handvoll verstreuter Häuser, ein paar Gehöfte, ein Streifen Strand mit einigen Stelzenhütten und morschen Bootsrümpfen am steinigen Ufer: Das war Wrabness.
Und ein Wald. Ein dunkler Wald. Ein Wald, in dem zwei Menschen leicht vom rechten Weg abkommen konnten. Wenn sie es denn wollten. Und sie wollten. Sie wussten, was hier draußen passiert war. Die Morde. Der Wahnsinn. Die Babys. Der Stoff, aus dem Albträume, reißerische True-Crime-Bücher und effekthascherische Dokus auf Kanal 5 gemacht wurden. Und von allen dreien hatte es reichlich gegeben. Sicher, sie hätten auch in ein Hotel gehen können, so wie andere Leute, die eine Affäre hatten. Sie hätten Sex in einem Bett haben können, das sie bezahlt hatten, in dem sie aber nie schlafen würden. Aber wo blieb da das Abenteuer, der Nervenkitzel? Sie wollten etwas Aufregendes. Und wo war es aufregender als an einem der unheimlichsten Orte, die die Umgebung zu bieten hatte? Hier hatte ein gefährlicher, perverser, transsexueller Serienkiller sein Unwesen getrieben. Das machte die Sache noch aufregender: der kombinierte Kitzel von Sex und Tod.
Mit der freien Hand zog sich Claire die Bluse und den Rock zurecht, die verrutscht waren, als sie im Auto geknutscht hatten. Sie waren schon während der Fahrt so scharf aufeinander gewesen, dass sie kaum die Finger voneinander lassen konnten. Dass sie sich die Bluse jetzt wieder in den Rock steckte, war nur für den Fall, dass sie jemandem begegneten. Nicht dass das wahrscheinlich war. Nicht an einem Ort wie diesem und nicht um diese Zeit. Und wenn doch, dachte sie, während ein Schauer sie durchlief und ihr ganz schwindlig wurde vor Vorfreude auf das, was gleich passieren würde, dann hat er ja vielleicht Lust zuzuschauen?
Erneut sah sie sich um. Keine Menschenseele. Statt also ihre Bluse in Ordnung zu bringen, öffnete sie sie noch weiter. Damien beobachtete sie dabei. Beäugte ihren schwarzen Spitzen-BH, den sie extra für ihn angezogen hatte. Er war Teil eines Wäschesets, das er besonders gern mochte. Er hatte es ihr selbst gekauft. Sie sah sein Gesicht. Merkte, wie sich seine Schritte beschleunigten.
Seine plötzliche Eile rief etwas in ihr wach. Etwas Dunkles, Hungriges, Primitives.
Sie konnte es gar nicht mehr erwarten.
»Und hier wurde die Leiche gefunden.« Malcolm wies auf eine Stelle weiter vorn. »Genau hier, meine Damen und Herren .«
Er versuchte sie zu begeistern, wurde jedoch das Gefühl nicht los, dass er sich umsonst bemühte. Ganze sieben Leute waren zu seiner Führung gekommen, und zwei von ihnen hatten sich bereits beschwert, weil sie so weit laufen mussten. Drei simsten ununterbrochen, als wären sie in der Schule und er hielte gerade eine besonders langweilige Unterrichtsstunde ab. Obwohl er sich redlich bemühte, seinen Vortrag durch theatralische Ausschmückungen lebendiger zu gestalten, war sein Mörder-Spaziergang durch Colchester beileibe nicht der durchschlagende Erfolg, den er sich ausgemalt hatte.
»Genau hier«, rief er, während ihm bereits der nächste blumige Ausdruck auf der Zunge lag. Er würde diesen Schwachköpfen etwas für ihr Geld bieten. »Vor dem Lichtmast auf dem Feuerschiff. Die Frau war splitternackt. Brutal zugerichtet - ja, beinahe gespalten .« Das letzte Wort brüllte er fast, als wäre er ein Jahrmarktschreier aus einem viktorianischen Groschenroman. Irgendjemand lachte - nicht gerade die Reaktion, die er sich erhofft hatte. Doch er fuhr unbeirrt fort: »Vergewaltigt. Ihr Körper trug die Spuren von Messern, Ketten, Peitschen .« Mit großen Augen beugte er sich nach vorn. »Der Täter hatte ihr ein Wort in die Stirn geritzt. Das Wort . HURE .«
Er riss die Augen noch weiter auf. Seine Zuhörer kicherten.
Mein Gott, ermahnte er sich im Stillen. Schalt mal einen Gang runter. Du klingst ein bisschen zu enthusiastisch. Er seufzte. Hätte ich doch noch meine Stelle in der Bücherei.
Als der Etat für die öffentlichen Bibliotheken gekürzt wurde, war Malcolm einer der Ersten gewesen, die entlassen wurden. Danach war ihm die Idee zu diesem Mörder-Spaziergang durch Colchester gekommen. Er hatte einmal an einer Jack-the-Ripper-Tour im Londoner East End teilgenommen und war tief beeindruckt gewesen. Ihr Führer hatte sich als überaus belesen herausgestellt, seine Tour aber dennoch unterhaltsam und lebendig gestaltet. Er hatte die Verbrechen innerhalb ihres historischen Kontextes erläutert und den Opfern eine Stimme gegeben. Seine Ausführungen waren kein bisschen reißerisch gewesen, sondern echte Geschichte zum Anfassen.
Auf der Zugfahrt nach Hause hatte Malcolm nachgedacht. Colchester hatte in den vergangenen Jahren einen deutlichen Anstieg an Gewalttaten zu verzeichnen gehabt, darunter sogar eine beachtliche Anzahl von Mordserien.
Warum also nicht .?
Und nun stand er hier, an einem trüben, kalten Dienstagabend, unten am Kai des Flusses Colne. Er hatte sich so extravagant gekleidet, wie seine Garderobe es hergab. Er versuchte nach Kräften, einen echten Charakter darzustellen, rang verzweifelt um die Gunst seiner winzigen Zuhörerschar. Am liebsten hätte er die Führung abgebrochen und wäre in den Pub gegangen.
»Gibt es dazu noch irgendwelche Fragen?«, wollte er wissen.
»Ja«, sagte ein Typ. Groß, rasierter Schädel, Tattoos. Die Frau an seiner Seite war solariumsgebräunt und trug Schuhe mit hohen Pfennigabsätzen. Ihre Beine waren dünn wie Zahnstocher, und jedes Mal, wenn sie auf ihren Schuhen vorwärts stöckelte, fürchtete Malcolm, sie könnten durchbrechen.
»Ja?«, sagte Malcolm.
»Was ist denn jetzt genau mit ihr passiert?«
»Dazu komme ich gleich.«
»Es ist nämlich so: Ein Kumpel von mir, der hatte früher mal einen Imbisswagen da oben.« Der Mann deutete die Straße hinunter. »Und er meinte, er hätte der Polizei geholfen. Hat mir ein paar Sachen über den Fall erzählt.« Der Mann lächelte genüsslich bei dem Gedanken an das, was er gleich sagen würde. »Zum Beispiel, dass .«
»Das ist ja ganz wunderbar«, schnitt Malcolm ihm das Wort ab. »Für Ihren Freund, meine ich. Und keine Bange, ich werde Ihnen nichts Wichtiges vorenthalten. Wenn Sie mir jetzt bitte folgen wollen .«
Er wandte sich um und ging den Kai entlang auf ein altes, leerstehendes Lagerhaus zu, neben dem ein rostiger Verladekran aufragte.
»Hier wird die Geschichte erst richtig interessant«, sagte er und wünschte, er könne seinen eigenen Worten Glauben schenken.
Josh war froh über die Dunkelheit. So konnte keiner sehen, wie viel Angst er hatte.
Zu dem Haus zu gehen war seine Idee gewesen. Mehr oder weniger jedenfalls. Es war eine Art Mutprobe. Er musste es tun - zumindest wenn er von den coolen Kids an seiner Schule akzeptiert werden wollte.
Er sah zu den anderen beiden hinüber. Kyle war klein, immer perfekt frisiert und hatte ein Gesicht, das manchmal aussah wie das eines Engels, aber meistens eher wie das eines irren Psychopathen, mit Augen, die die ganze Zeit auf Unheil zu lauern schienen. Tom war Kyles bester Freund und vergötterte ihn regelrecht. Der typische Mitläufer eben. Er machte alles, was Kyle sagte. In der Schule ging er immer in seinem Windschatten oder blieb genau hinter seiner linken Schulter stehen und lachte dreckig vor sich hin, als hätte er gerade einen wahnsinnig komischen Witz gehört.
Josh wollte dazugehören. Warum, das wusste er selbst nicht so genau. Normalerweise hing er eher mit den Strebern rum. Den Mathecracks und Bücherwürmern.
Aber aus irgendeinem Grund schienen sich Kyle und Tom für ihn zu interessieren und hatten beschlossen, ihn eventuell in ihren erlesenen Kreis aufzunehmen.
Joshs Freunden war das auch aufgefallen; sie waren alles andere als begeistert von den Typen, mit denen er sich neuerdings abgab, und zogen sich mehr und mehr vor ihm zurück. Er war traurig deswegen, klar, aber im Moment gab es da ohnehin jemand anderen, der praktisch seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm: Hannah Cresswell. Sie stand auf Bad Boys, und seit Josh mit Kyle und Tom enger war, hatte sie ein...
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