Schweitzer Fachinformationen
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8
Die Chefin des Raub- und Morddezernats des LAPD, Captain Barbara Blake, war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, und nach vielen Jahren bei der Polizei schockierte sie fast nichts mehr. An diesem Nachmittag allerdings saß sie totenstill und mit ungläubiger Miene in ihrem Büro im fünften Stock des PAB. Es war ein recht geräumiges Büro, an der südlichen Wand standen Regale mit gebundenen Büchern darin, die Wand gegenüber hing voller gerahmter Fotos, Urkunden und Auszeichnungen. Die Ostwand bestand aus einem vom Boden bis zur Decke reichenden Panoramafenster mit Blick auf die South Main Street. Vor ihrem Schreibtisch standen zwei bequem aussehende Ledersessel, allerdings hatte keine der drei Personen, die sich außer ihr noch im Raum befanden, darin Platz genommen.
Hunter, Garcia und Dennis Baxter standen hinter Blakes Schreibtisch und starrten genau wie sie auf ihren Monitor. Sie schauten sich an, was Baxter wenige Minuten zuvor aus dem Internet aufgezeichnet hatte. Die Zentrale hatte Hunter bereits eine Kopie des mitgeschnittenen Telefonats zwischen ihm und dem geheimnisvollen Anrufer zukommen lassen.
Captain Blake hörte sich den Mitschnitt an und sah sich das Video von Anfang bis Ende an, ohne ein Wort zu sagen. Als sie hinterher zu Hunter und Garcia aufblickte, war ihr Gesicht blasser als zuvor.
»War das echt?«
Ihr Blick ging zu Baxter. Er war ein großer Mann, aber alles andere als muskulös. Er musste ungefähr Mitte vierzig sein, hatte blonde Locken, ein Mondgesicht, das durch das Doppelkinn noch rundlicher wirkte, und einen dünnen Oberlippenbart, der eher wie der Flaum auf einem Pfirsich aussah.
»Ich meine«, setzte sie hinzu, »mir ist klar, dass man heutzutage mit Hilfe von CGI so ziemlich alles echt aussehen lassen kann. Können wir sicher sein, dass das Ganze nicht bloß digitale Manipulation oder Kameratrickserei ist?«
Baxter zuckte mit den Schultern.
»Sie sind Leiter der Abteilung Computerkriminalität.« Blakes Tonfall wurde scharf. »Machen Sie eine klare Aussage.«
Baxter legte den Kopf schief. »Ich habe das Ganze gerade erst aufgezeichnet, kurz nachdem der Anruf von Detective Hunter kam. Ich hatte noch keine Gelegenheit, es zu analysieren, aber auf den ersten Blick … So aus dem Bauch heraus würde ich sagen, es ist echt.«
Blake fuhr sich mit der Hand durch die langen, tiefschwarzen Haare, bevor sie sich wieder Hunter und Garcia zuwandte.
»Es ist zu clever gemacht und zu dreist, als dass es ein Scherz sein könnte«, meinte Hunter. »Die Zentrale konnte den Anruf nicht zurückverfolgen. Das Signal ist alle fünf Sekunden gesprungen.« Er deutete auf Baxter. »Dennis sagt, die Internetübertragung kam aus Taiwan.«
»Was?« Captain Blakes Blick richtete sich erneut auf Baxter.
»Das stimmt. Wir hatten eine IP-Adresse, das ist eine unverwechselbare Identifikationsnummer, die jedem mit dem Internet verbundenen Computer zugewiesen wird. Damit kann man leicht den Hostrechner lokalisieren. Die IP-Adresse in unserem Fall stammte von einem Server aus Taiwan.«
»Wie kann das sein?«
»Ganz einfach. Das Internet macht aus der Welt einen globalen Markt. Zum Beispiel: Wenn Sie eine Website einrichten wollen, gibt es kein Gesetz, das Ihnen vorschreibt, dass Sie dafür einen Server in den USA verwenden müssen. Sie können das beste Angebot im Netz raussuchen und Ihre Domain auf einem Server Gott weiß wo anmelden – in Russland, Vietnam, Taiwan, Afghanistan … völlig egal. Sie ist ja trotzdem für jeden zugänglich.«
Captain Blake ließ sich das eine Zeitlang durch den Kopf gehen. »Keine diplomatischen Beziehungen«, sagte sie schließlich. »Nicht nur haben die USA da drüben keinerlei juristische Handhabe, selbst eine Lösung auf diplomatischem Weg, wie etwa die Serverfirma anzurufen und sie um Auskunft zu bitten, hätte vermutlich keinen Erfolg.«
»Stimmt. Außerdem kann es auch sein, dass er die IP-Adresse gekapert hat«, fügte Baxter hinzu. »Das ist so, wie wenn man geklaute Nummernschilder an sein Auto schraubt, um nicht geschnappt zu werden.«
»Kann er so was denn machen?«, fragte Captain Blake.
»Wenn er gut ist, sicher.«
»Das heißt, wir haben nichts in der Hand.«
Baxter schüttelte den Kopf. »Obwohl ich gestehen muss, dass wir in der Abteilung Computerkriminalität nur über begrenzte Möglichkeiten verfügen.« Er schob die Drahtbrille auf seiner knolligen Nase nach oben. »Unsere Ermittlungen beschränken sich in der Regel auf Verbrechen, die mit computerverwalteten Daten verübt wurden, beziehungsweise auf Fälle von Sabotage solcher Daten. Mit anderen Worten: Angriffe auf Datenbanken oder sonstige Online-Informationssysteme – sei es bei Einzelpersonen, Schulen, Banken oder Unternehmen. Mit so was wie dem hier kriegen wir es in der Regel nicht zu tun.«
»Fantastisch«, lautete Blakes säuerlicher Kommentar.
»Die Abteilung für Cyberkriminalität des FBI hingegen«, fuhr Baxter fort, »hat wesentlich mehr Möglichkeiten. Dort befasst man sich mit jeder Art von digitaler Kriminalität. Da hat man sogar die Befugnis und die Mittel, jede Internetübertragung innerhalb der USA zu blockieren.«
Captain Blake verzog das Gesicht. »Wollen Sie damit sagen, wir sollten das FBI um Hilfe bitten?«
Es war kein Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen dem FBI und normalen Polizeidienststellen, gleich in welchem Bundesstaat, nicht gerade das beste war – auch wenn Politiker und Abteilungsleiter gerne etwas anderes behaupteten.
»Nicht unbedingt«, gab Baxter zurück. »Ich habe einfach nur eine Feststellung gemacht. Im Moment könnte das FBI sowieso nichts tun. Der Link ist tot. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.« Er wies zum Rechner auf Blakes Schreibtisch. »Darf ich?«
»Nur zu.« Captain Blake schob ihren Stuhl einen Meter zurück.
Baxter beugte sich über die Tastatur, tippte die IP-Adresse in die Adresszeile des Internetbrowsers ein und betätigte die Return-Taste. Gleich darauf erschien eine Seite mit der Meldung: ERROR 404 PAGE NOT FOUND.
»Die Seite existiert nicht mehr«, erklärte Baxter. »Ich habe schon ein kleines Programm installiert, das die Adresse alle paar Sekunden überprüft. Wenn sie wieder online geht, wissen wir sofort Bescheid.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Aber falls es dazu kommt, sollten Sie vielleicht wirklich darüber nachdenken, mit der Abteilung Cyberkriminalität vom FBI wenigstens Kontakt aufzunehmen.«
Captain Blake belegte ihn mit einem strafenden Blick und sah dann zu Hunter, der jedoch nichts dazu sagte.
»Die Leiterin der Abteilung hier in L. A. ist eine gute Bekannte von mir, Michelle Kelly. Sie ist nicht die typische FBI-Agentin. Glauben Sie mir, wenn es um den Cyberspace geht, ist sie unsere Frau. Das FBI ist viel besser ausgerüstet als das LAPD, um Verbrecher im Internet aufzuspüren. Wir von der Computerkriminalität arbeiten oft mit denen zusammen. Das sind keine versnobten Agenten in schwarzen Anzügen mit dunklen Sonnenbrillen und Knopf im Ohr. Das sind Computer-Nerds.« Baxter grinste. »Wie ich.«
»Ich würde sagen, darüber denken wir nach, wenn es so weit ist«, meinte Hunter mit Blick zu Baxter. »Wie Sie gesagt haben, im Moment könnten sie ohnehin nichts für uns tun. Außerdem deutet nichts darauf hin, dass es sich um einen Fall für die Bundespolizei handelt, von daher sehe ich im Augenblick keinen Sinn darin, das FBI einzuschalten. In diesem frühen Stadium würde das nur alles verkomplizieren.«
»Sehe ich genauso«, pflichtete Blake ihm bei. »Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt notwendig werden, Verbindung zu ihnen aufzunehmen, werden wir das tun, aber fürs Erste kein FBI.« Dann richtete sie das Wort wieder an Baxter. »Könnte noch jemand anders die Übertragung gesehen haben? Irgendjemand aus der Bevölkerung?«
»Theoretisch ja«, antwortete Baxter. »Es war keine sichere Übertragung, soll heißen, man brauchte kein Passwort, um Zugang zur Seite zu bekommen. Falls irgendjemand zufällig über die Website gestolpert ist, hätte er sich die Übertragung ansehen können, genau wie wir. Allerdings halte ich das für ziemlich unwahrscheinlich.«
Captain Blake nickte und wandte sich an Hunter. »Okay, wir müssen also davon ausgehen, dass die Sache echt ist. Meine erste Frage lautet: Warum Sie? Der Anruf ist auf Ihrem Apparat gelandet, und der Kerl hat am Telefon ausdrücklich nach Ihrem Namen gefragt.«
»Die Frage habe ich mir auch schon gestellt, und im Moment lautet meine Antwort: Ich weiß es nicht«, erwiderte Hunter. »Es gibt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, wie ein Anruf von draußen bei einem Detective landen kann. Entweder der Anrufer wählt die Nummer des Raub- und Morddezernats und gibt die Durchwahl des Detectives ein, wenn er von der automatischen Ansage dazu aufgefordert wird, oder aber er ruft in der Zentrale an und bittet darum, dass man ihn zu einem bestimmten Detective durchstellt.«
»Und?«
»Der Anruf kam nicht über die Zentrale. Das habe ich schon nachgeprüft. Der Anrufer hat direkt meine Nummer gewählt.«
»Das beantwortet nicht meine Frage«, beharrte Blake. »Warum ausgerechnet Sie? Und wie ist er überhaupt an Ihre Nummer gekommen?«
»Vielleicht ist ihm irgendwo mal eine meiner Visitenkarten in die Hände geraten«, mutmaßte Hunter.
»Oder er hat ganz...
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