Schweitzer Fachinformationen
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KAPITEL 1
KATHLEEN
Unerfüllte Wünsche hinterlassen ein Gefühl der Traurigkeit. Nach dreißig Jahren auf dieser Erde habe ich mehr zu betrauern, als ich an Fingern und Zehen abzählen kann, und das meiste davon hat mit einem einzigen Mann zu tun. Den ich verjagt habe. Jetzt bin ich allein. Ohne Mann, ohne Kinder, ohne Hoffnung auf mehr.
Es heißt, Einsamkeit sei eine Entscheidung, und wahrscheinlich stimmt das auch. Menschen schwirren in mein Leben herein und wieder hinaus wie summende Bienen und bedienen sich so lange an meinem süßen Nektar, bis nichts mehr übrig ist und ich mich leer fühle. Diese Lücke hat er einmal mit Freude gefüllt, mit Lachen und mit etwas, was ich für Liebe gehalten habe. Ich habe sogar daran geglaubt. Bis es fort war. Jetzt existiert nur noch eine leere Schale, die Hülle der Frau, die ich einmal war. Eine Frau, die ich so gern wieder sein würde.
Mein Therapeut meint, dass ich wegen des Brandes im Theater und der Verletzungen, die ich dabei erlitten habe, unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, und vielleicht hat er recht. Die Menschen um mich herum scheinen die Lösung für meine Probleme zu kennen, aber ich bin es, die in der Hölle gefangen ist. Die jede Nacht aufwacht, weil der Schmerz mir in die Seite, durch den rechten Arm und in die Fingerspitzen schießt. Dann wird mir jedes Mal aufs Neue bewusst, wie allein ich wirklich bin. Kein Mann wird neben mir wach, hält mich im Arm, flüstert mir liebe Worte ins Ohr, bis ich friedlich wieder einschlummere.
Die Zeiten, als ich darauf bauen konnte, dass ein Mann mich voller Wärme umarmt, sind vorbei. Eines der vielen Dinge, die ich betrauere. Trotzdem würde ich meine Entscheidung nicht rückgängig machen. Ohne mich ist er besser dran. Zumindest ohne die kaputte, leere Hülle, die ich jetzt bin.
Aber darauf kommt es eh nicht an. Er hat mich schon nicht geliebt, als ich körperlich und geistig perfekt war. Jetzt könnte er mich erst recht nicht lieben. Warum schaffe ich es dann nicht, ihn zu vergessen? Ihn aus meinem Kopf, meinem Herzen und meinem Leben zu verbannen. Wieso hängt mein Glück von jemandem ab, der nicht mehr da ist?
Drei Jahre sind eine lange Zeit, um jemandem hinterherzutrauern, den man absichtlich aus seinem Leben vertrieben hat. Drei lange Jahre voller Verbrennungsbehandlungen, Transplantationen, Reha und Therapie. Therapie. Was für ein Witz. Dr. Madison kann mir nicht helfen. Nichts und niemand kann das. Jeder neue Eingriff weckt in mir die Hoffnung, dass ich wieder so aussehen kann wie vor dem Abend, an dem sich mein ganzes Leben veränderte. Und dass ich mich dann wieder wie früher fühle. Aber so ist es nie. Manchmal bekomme ich ein paar glattere Hautstellen. Einige Narben weniger hier, dafür einige neue da. Die Transplantationen hinterlassen ebenfalls Narben, wenn auch weniger auffällige. Trotzdem bin ich nicht mehr ich.
Kathleen Bennett, die echte Kat, wurde in dem Feuer bildlich gesprochen zu Asche verbrannt. Alles, was mich ausmachte, was mich zu der Frau machte, auf die ich stolz war - unbeschwert, verliebt in das Leben, verliebt in Carson Davis . Diese Frau ist gestorben. An ihre Stelle ist eine verbitterte, vernarbte Frau getreten, die Komplexe hat und sich am liebsten in Luft auflösen würde.
Vielleicht sollte ich verschwinden und jemand anderes werden. Aber sie könnte ich niemals verlassen. Meine Seelenschwestern sind mein Lebensnerv. Sie sind die Wurzeln, dank derer dieser Baum hier zu etwas werden konnte, auf das ich einmal stolz war. Jetzt kommt mir dieser Baum meines Lebens vor wie eine verschrumpelte Masse aus abgestorbenen Blättern und dürren, hässlichen Ästen. Trotzdem reichen die Wurzeln, die mich mit diesen drei Frauen verbinden, tiefer, als Außenstehende es sich vorstellen können. Unsere Verbindung ist aus Liebe, Lachen, Entbehrungen, Not, Schmerz und Wiedergeburt erwachsen. Meine Seelenschwestern verstehen mich, selbst mein neues, verkorkstes Ich. Und sie versuchen, den Menschen wieder zum Vorschein zu bringen, der ich einmal war - und der sich unter den Wunden verbirgt.
Jetzt sind drei Jahre vergangen und ich habe diesen Menschen noch nicht gefunden. Ich fürchte, das werde ich auch nicht mehr.
»Kathleen, bist du fertig?«, ertönt die Stimme, auf die ich mich inzwischen voll und ganz verlasse. Der einzige Mensch, dem gegenüber ich völlig ehrlich sein kann. Chase Davis, der Mann meiner Seelenschwester Gillian, klopft an meine Schlafzimmertür. »Bist du angezogen? Wenn du nicht fertig bist, kommen wir noch zu spät.«
»Immer mit der Ruhe. Und ja, ich bin angezogen. Komm rein.« Ich seufze und puste mir gegen den Pony in meiner Stirn. Ist im Grunde völlig egal. Mich schaut eh keiner an. Und wenn doch, sieht er nur ein entstelltes Monster.
Chase tritt auf die Schwelle zum Zimmer und drückt die Tür weiter auf. Sein marineblauer Anzug sitzt ihm wie auf den Leib geschneidert. Dafür habe ich gesorgt. Meine neue Herrenmodekollektion nimmt langsam Gestalt an. Wenigstens diese eine Sache in meinem Leben läuft gut, und das, obwohl ich mit der rechten Hand nicht mehr anstellen kann, als in der Therapie einen Stressball zusammenzudrücken. Zugegeben, die Hand wird allmählich stärker, aber ich werde nie wieder die Feinarbeiten ausführen können, für die ich in meinem früheren Leben als Kostümbildnerin bekannt war. Der Zug ist längst abgefahren und er kommt auch nicht wieder.
»Kathleen, du stellst meine Geduld auf die Probe.« Chase hebt den Arm und tippt stumm auf seine Rolex.
Ich lächele und greife mit der linken Hand nach meiner Handtasche auf dem Nachttisch. »Und deine Frau und die Kinder nicht?«
Er runzelt die Stirn, aber seine Mundwinkel zucken nach oben. Chase muss immer lächeln, wenn er über Gillian spricht. Er kann nicht anders. Meine temperamentvolle, rothaarige beste Freundin und die süßen Zwillinge sind sein Ein und Alles, und er genießt jeden Augenblick mit ihnen.
Immer noch leicht lächelnd, spitzt er die Lippen. »Wie dem auch sei, wir müssen los, sonst bekommen wir die Testergebnisse nicht rechtzeitig. Ich bin schon gespannt zu erfahren, was diese neue Technologie zu bieten hat.«
Chase Davis, mein Optimist. Seit dem Brand im Theater hat er sich zum Ziel gesetzt, mich wieder hinzukriegen. Na ja, nicht nur mich, alle Seelenschwestern seiner Frau. Er fühlt sich persönlich dafür verantwortlich. Hat Bree sogar mit ihrem Yogastudio und Maria das erste Jahr mit ihrem Apartment geholfen, bis sie und Eli zusammenkamen. Aber für mich ist er noch mehr gewesen. Mein privater Held, auch wenn ich ihm das nie gesagt habe. Meistens tue ich so, als würde mich alles nerven, was Chase macht. Dann muss ich mir nicht eingestehen, was ich wirklich empfinde.
Erleichterung.
Er ist in einer Weise für mich da, die ich bei meinen Freundinnen nicht zulassen kann. Ich weiß nicht, wieso. Chase hat sich langsam, aber sicher an meiner zerstörten Seite festgesetzt, und ihm gestatte ich diese Invasion. Den Mädels nie im Leben. Sie sollen mich als die starke Frau sehen, für die sie mich halten. Die Illusion von Stärke ist so ziemlich das Einzige, was mir noch geblieben ist.
Am Anfang, als ich gerade aus der Verbrennungsklinik kam, habe ich Chase' Hilfe abgelehnt und wollte alles allein schaffen. Bis ich merkte, dass ich es nicht konnte. Nach der zweiten Behandlungsrunde suchte er mich in meiner Bruchbude am anderen Ende der Stadt auf. Zum Glück. Er fand mich auf dem Boden liegend, unfähig, mich zu bewegen. Die Schmerzen in meinem Arm und der ganzen Seite waren unerträglich. Ich war immer wieder bewusstlos geworden. Später stellte sich heraus, dass sich eine der transplantierten Stellen entzündet hatte. Chase hob mich auf, brachte mich ins Krankenhaus und blieb dort, bis ich wieder gehen durfte. Bei meiner Entlassung erfuhr ich, dass Chase in der Zwischenzeit kurzen Prozess gemacht hatte. Er hatte mich gegenüber dem Gebäude einquartiert, in das eigentlich Maria einziehen sollte, nachdem ihr Ex ihre Wohnung verwüstet hatte. Letzten Endes brauchte sie das Apartment gar nicht, weil sie mit ihrem neuen Mann, Elijah Redding, zusammenzog.
Chase Davis, Milliardär, Alphamann und erbitterter Beschützer aller Menschen, die er zu seiner »Familie« zählt, hatte mein Leben in die Hand genommen. Er überließ mich nicht einfach mir selbst. Zu der neuen Wohnung gehörten auch ein paar nagelneue Krankenschwestern, die mehrmals am Tag vorbeikamen, um mir die Verbände zu wechseln, Masseure zur Muskeltherapie und wöchentliche Termine bei Dr. Madison, meinem Seelenklempner. Zu demselben Psychiater waren auch Gillian und Chase gegangen, während der Irre sie heimgesucht hatte, der Stalker, dem ich meine jetzige Situation zu verdanken habe.
»Ach Chase, die werden uns auch nichts Neues zu erzählen haben. Das Gewebe ist zu stark beschädigt. Sie hatten zu viele Operationen, Ms Bennett. Da ist nicht mehr viel, mit dem wir arbeiten können. Blablabla. Vielleicht noch ein paar mehr Tests, weitere Versuchsreihen .«, imitiere ich irgendjemanden und gestikuliere mit der gesunden Hand.
Chase fasst meinen Ellbogen, führt mich aus meiner Wohnung und schiebt mich in die Limo. Die ganze Zeit hält er mich unnachgiebig fest. Er ist verärgert. Na so was. Wie immer.
»Hey, Austin, wie geht's?«, frage ich den...
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