KAPITEL 1
SKYLER
»Bitte wach auf, Süßer. Bitte, biiitte. Ich brauche dich doch . so sehr.« Ich fahre mit der Zunge über meine trockenen, rissigen Lippen und konzentriere mich voll auf Parkers Gesicht. Seine schönen Wangenknochen, der markante Kiefer mit dem Zweitagebart, der an meiner Hand kratzt, aber ich muss ihn trotzdem immer wieder berühren.
Ich muss ihn anfassen. Sonst gehe ich kaputt. Dann kann ich mich sofort als kleines Häufchen Elend zusammenrollen. »Du musst aufwachen. I-ich schaffe das nicht alleine. Und du hast verspro .« Ich schlucke meine Emotionen herunter, Tränen steigen mir in die Augen und rinnen in einem Aufruhr der Gefühle über meine Wangen, den ich nicht mehr bremsen kann.
»Süßer, du hast es versprochen. Du, ich und die Hunde. Sie vermissen dich auch, aber ihnen geht es gut, ihnen ist bei der Explosion nichts passiert. Wendy hat sie bei sich aufgenommen. Mick hat einen Tierarzt gerufen, der sie untersucht hat. Wendy kümmert sich wirklich toll um sie. Und Baby .« Ich streiche mit den Fingerspitzen über seine Stirn und betrachte den dicken Verband an der Seite seines Kopfes, wo er mit achtzehn Stichen genäht wurde. Dazu kommt noch die Riesenbeule an seinem Hinterkopf, wo er mit dem Kopf auf den Asphalt geknallt ist, was die Gehirnerschütterung verursacht hat. Er ist zum zweiten Mal gestürzt, als er bewusstlos wurde, und jetzt, sechs Stunden später, ist er immer noch nicht wieder aufgewacht. Die lokale Betäubung und die Schmerzmittel müssten bald ihre Wirkung verlieren, und die Ärzte haben mir versichert, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er wieder zu sich kommt. Seine Gehirnscans waren optimal, doch bei einer Gehirnerschütterung besteht immer ein Restrisiko. Brust und Rippen sind übel geprellt, aber innere Verletzungen hat er keine. Mein Kerl muss sich jetzt ausruhen und es langsam angehen lassen.
Wenn er doch nur aufwachen würde!
Ich nehme seine Hand und streichele seinen Unterarm, was hoffentlich beruhigend wirkt. Er soll wissen, dass ich hier bin und darauf warte, dass er die Augen aufmacht. Ich weiche nicht von seiner Seite.
Hinter mir geht die Tür auf, und Wendy kommt herein. »Hey, wie geht's ihm?« Ihr normalerweise vergnügtes Gesicht sieht besorgt und traurig aus.
Ich schüttele den Kopf. »Unverändert. Wieso wacht er nicht auf, Wen?«, presse ich hervor und schlage meine Hand vor den Mund, als die Gefühle mich überwältigen und ein Schluchzen hervorbricht.
Sie eilt an meine Seite, legt ihren Arm um meine Schultern und setzt sich auf den Stuhl neben mir. »Sein Körper und sein Geist müssen dazu bereit sein. Er hat zwei harte Schläge abbekommen. Einen gegen die Schläfe und einen gegen den Hinterkopf. Das Gehirn und der Körper sind jetzt im Schutzmodus. Hab einfach etwas Geduld. Die Ärzte haben gesagt, dass er aufwachen wird, und du hast selbst gesagt, dass er noch bei Bewusstsein war und Nate geholfen hat, bevor er umgekippt ist. Das ist doch ein gutes Zeichen.« Sie drückt meine Schulter. »Das wird schon wieder.«
Ich schließe die Augen und nicke, wobei ich ein stilles Gebet spreche, Gott möge auf Parker aufpassen. Ich habe schon so viel verloren, ihn auch noch zu verlieren könnte ich nicht ertragen.
»Gibt es was Neues von Nate?«, fragt Wendy.
Eine gewaltige Welle des Schmerzes erfasst mich und lässt mich in ihren Armen erbeben, während ich von Schluchzern durchgeschüttelt werde. »Ich weiß es nicht. Er ist noch im OP. Und das ist alles meine Schuld. Er wollte mich beschützen .«
Wendy umfasst meine Wangen. »Sieh mich an. Was passiert ist, ist nicht deine Schuld. Er hat seinen Job gemacht. Er kennt das Risiko. Du konntest doch nicht wissen, dass dieser Irre deine Wohnung anzünden und einen Sprengsatz in Parkers hochgehen lassen würde.«
»Ach, das war es?« Ich kneife die Augen zusammen und schaue Wendys kristallblaue Augen und die feuerroten Haare an, die sich von ihrer schimmernd weißen Haut abheben.
Wendy beißt sich auf die Unterlippe und blickt zur Tür, als wolle sie sichergehen, dass uns niemand belauscht.
»Ich habe mich ein bisschen in den Polizeicomputer rein-gehackt. Das Feuer in deinem Penthouse wurde mithilfe eines Brandbeschleunigers gelegt, der sich mitten auf dem Bett befand. Bei Parker war es viel komplexer. In Laiensprache ausgedrückt hatte der Mensch, der die Bombe platziert hat, dem Bericht und der Einschätzung des Sprengstoffkommandos nach echt Ahnung. Aus irgendeinem Grund vermuten sie, dass derjenige sein Wissen von staatlichen Stellen hat. Der Bauplan für die Bombe wird anscheinend in der Ausbildung von Black-Ops-Soldaten und bestimmten CIA-Agenten durchgenommen.«
»CIA? Black-Ops?« Ich presse die Hand gegen meine Stirn. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst. Ich kenne weder jemanden, der für die Regierung arbeitet, noch weiß ich, warum irgendein Elitesoldat mich oder meinen Freund umbringen sollte!« Meine Stimme wird vor lauter Panik immer lauter. Mein Herz rast, das Blut, das durch meine Adern schießt, fühlt sich eiskalt an, und ich zittere am ganzen Körper.
»Hey, hey, ganz ruhig. Du wirst mir jetzt nicht durchdrehen!« Wendy streicht mir über Arme und Rücken. »Wir gehen der Sache auf den Grund. Ich, äh, habe auch schon Paul angerufen, Parkers Bruder, damit er sich die Informationen anschaut. Er versteht das Polizeilatein über die Black-Ops und hat rausgekriegt, dass der Attentäter Verbindungen zur Regierung oder hochrangigen Militärs haben muss.«
»Heißt das .?«
»Dass es ein Auftragskiller war? Vielleicht. Paul ist sich nicht sicher, aber es sieht wohl nicht gut aus. Er ist sogar so besorgt, dass er draußen vor Parkers Tür Wache hält. Ich muss schon sagen: Der Junge sieht echt heiß aus. Er trägt Tarnhosen, Kampfstiefel und ein schwarzes T-Shirt, das wie eine zweite Haut sitzt, dazu noch die Hundemarken um den Hals.« Wendy beißt sich auf den Fingerknöchel. »Den würde ich zum Frühstück, Mittag und Abendessen vernaschen. Meine Güte, ist der heiß!« Sie fächelt sich Luft zu.
»Echt jetzt? Du erzählst mir gerade allen Ernstes, wie gut Parkers Bruder aussieht? Obwohl wir hier voll in der Scheiße sitzen? Mein Leben geht total in die Brüche, alle, die ich liebe, sind entweder tot, in Gefahr, verletzt oder kämpfen um ihr Leben.« Meine Stimme bricht. »Irgendwelche Gestalten von der CIA sind hinter mir her, irgendjemand hat wahrscheinlich einen Killer auf mich oder Parker oder uns beide angesetzt .« Langsam drehe ich wirklich durch. Ich raste völlig aus. Kreischend stehe ich auf und balle meine Hände zu Fäusten; ich bin so wahnsinnig wütend, dass ich kaum noch geradeaus sehen kann. »Und du willst mir erzählen, wie geil Parkers Bruder aussieht!«
Wendy grinst breit. »Sehr gut!« Sie klatscht sich auf den Oberschenkel. »So gefällst du mir schon besser.« Sie wischt sich dramatisch über die Stirn. »Puh! Ich dachte schon, ich müsste Verstärkung holen, um dich von deinem Selbstmitleid zu erlösen und die irische Kämpfernatur herauszukitzeln!« Sie reckt die Faust in die Höhe und hält mir die Hand hin, damit ich einschlage.
»Ich bin doch gar keine Irin!« Ich raufe mir die Haare und wirbele herum, damit ich neben dem Bett auf und ab tigern kann. Parker hilft das immer, vielleicht klappt es ja auch bei mir. »Okay, okay. Wen kenne ich denn, der für die Regierung arbeitet?« Ich hebe die Hand und zeige auf Wendy. »Kendra kennen wir!«, rufe ich, als hätte ich gerade den Jackpot geknackt und eine Million im Lotto gewonnen.
Wendy blickt finster drein. »Nö. Hab sie schon ausgefragt. Sie hat keine Verbindungen zur CIA.«
»Die CIA. Und Parkers Bruder?«
Sie verzieht eigentümlich den Mund. »Äh, der schon. Er war jahrelang bei den Special-Ops.«
»Könnte die Bombe gegen Parker gerichtet gewesen sein und nicht gegen mich?«
Wendy lässt die Schultern hängen. »Das glauben wir nicht. Alles deutet auf den Absender der verdammten SMS hin. Die Polizei hat einen Profiler herangezogen, der die Nachrichten durchgegangen ist und eine Einschätzung abgegeben hat.«
»Haben die Cops Benny gefunden?«
»Singleton? Noch nicht, aber da er ein Verdächtiger ist und eine Bombe im Spiel ist, ganz zu schweigen von dem Brand in einem öffentlichen Gebäude, haben sie einen Durchsuchungs-beschuss erwirkt und seine Wohnung unter die Lupe genommen. Sie haben nichts in Richtung Sprengstoff gefunden, dafür waren seine Wände mit Fotos von dir in allen Lebensphasen zugekleistert. Der hat dich eindeutig gestalkt. Sie suchen mit mehreren Einheiten nach ihm.«
»Also könnte er der Attentäter sein und ist auf jeden Fall der Stalker.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Sieht so aus. Bis neue Beweise auftauchen, ist das die Richtung, in die die Cops ermitteln. Sie werden noch mal mit dir und Parker reden wollen, wenn er wach ist. Im Moment halten die Ärzte sie noch auf Abstand.«
Nachdem ich...