Schweitzer Fachinformationen
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Danny Ray alias Big Black, ein Congaspieler aus South Carolina, der seit vielen Jahren in Hollywood lebt, tauchte eines Tages Ende September in der Sporthalle in N’Sele auf, und mit dem Segen von Muhammad Ali fing er an, für ihn zu spielen, in der Hoffnung, damit Alis Gefühl für Rhythmus und Timing zu verstärken. Mehr als einen Monat lang spielte Big Black jeden Tag für Ali. Big Black ist achtunddreißig, und wir haben in dieser Zeit viele Stunden freundschaftlich zusammen verbracht. Er erzählte gern von der Zeit, als er mit Dizzy Gillespie auf dem Newport Jazz Festival 1968 spielte und sie das Ding aufmischten. An einem Tag Ende Oktober versammelten sich eine Menge Sportjournalisten aus der ganzen Welt im Trainingscamp in N’Sele, denn der Kampf sollte, jetzt schon zum zweiten Mal, in Kürze stattfinden. Einer der Schreiber, ein Typ aus London, ging zu Big Black und sagte: »Pardon, Citoyen, Ihr Name, bitte; vous prenom?« Und Big Black drehte sich zu ihm um, ohne einen Beat zu verpassen, und antwortete: »Big Black, Mann, aus L.A.« Der Londoner war fassungslos, setzte aber nach einem angemessenen Schweigen nach und fragte: »Und wie nennt man die Trommeln, die Sie spielen?« Und Big Black antwortete: »Congas, Mann – und das mit ‘nem K.« Mit dem Gefühl, seine Pflicht erfüllt zu haben, kehrte der Schreiber ins fünfzig Meilen entfernte Kinshasa zurück, und im Pressezentrum des Hotel Memling in Downtown schrieb er über seine wunderbare Begegnung mit einem Amerikaner, den er fälschlicherweise für einen hochgewachsenen Zairois gehalten hatte. Der Bericht, den der Londoner bei der Telex-Stelle ablieferte, wurde natürlich von Citoyen N’golo abgefangen, dem Sous-Chef de Presse, oder schlicht Zensor des Gastgeberlandes. Der Schreiber hatte geschrieben, Big Black spiele die Kongo-Trommeln; was vielleicht was über den Stellenwert aussagt, den Trommeln in London haben. Es war klar, dass N’golo das inakzeptabel fand. »Nein, nein, nein, nein«, ermahnte er den Londoner. »Das Sie können nicht sagen – heißt Zaire-Trommeln!« Und am nächsten Tag konnten die Leute in London etwas über Zaire-Trommeln lesen. In Zaire bekommen sie’s auch nicht anders serviert, denn das ist Authenticité.
Authenticité ist etwas, das du in diesem Moment erkennen kannst, im nächsten jedoch nicht. Es ist irgendwas Altes, irgendwas Neues, was Entliehenes oder Blaues. Es ist das, was eben grade passt … und mach dir keine Gedanken über die Karten, die schon abgelegt wurden. Es war vor drei Jahren, als Präsident Joseph Desire Mobutu eines Tages seinen Namen änderte, zu Mobutu Sese Seko Kuku Ngbendu wa Za Banga, was soviel heißt wie, wurde mir jedenfalls gesagt: Der Hahn mit Feuer in seinen Augen, der Blah-Blah und Bloo-Bloo macht und keine Henne unberührt lässt. Und Mobutu befahl allen seinen 19,5 Millionen (oder 22,5 Millionen) Bürgern, ihre christlichen Namen abzulegen, was natürlich die Missionare aufbrachte, die inzwischen seit etwa hundert Jahren im Land waren; sie haben jedoch nicht mehr viel zu sagen, Gott sei Dank. Zusätzlich befahl Mobutu, dass das Land, das in der Vergangenheit viele Namen gehabt hatte, seinen bis zuletzt benutzten Namen Demokratische Republik Kongo, oder auch Kongo-Kinshasa, im Interesse der Authenticité in Zaire änderte. Manche vermuten jedoch, dass man’s eher umbenannt hat, um die Verwirrung im Rest der Welt zu beenden, zwischen diesem Land und dem Land auf der anderen Seite des Flusses Zaire (ursprünglicher Name: Kongo), das Volksrepublik Kongo genannt wird, oder auch Kongo-Brazzaville, der erste maoistische Staat Afrikas und der Erzfeind dieses Landes.4 Zum Beispiel war George Foreman in Brazzaville einfach nur deshalb extrem beliebt, weil Ali in Kinshasa so beliebt war. Ich glaube auch, dass George Foreman taktisch gesehen großen Mist gebaut hat, als er seinen Deutschen Schäferhund Daggo mit in dieses Land brachte, weil ich sicher bin, dass die Leute dabei an die Belgier denken mussten, die dieses Land einmal besessen hatten und es Belgisch-Kongo nannten zu der Zeit als Kinshasa Léopoldville hieß. Der erste dokumentierte Name für dieses Gebiet lautete Nsadi, was auf Kikongo Fluss heißt, eine Sprache, die heute in der Gegend nicht mehr oft benutzt wird. Das sagte man damals, als das Königreich Bakongo blühte, zu dem eine Menge Gebiete des heutigen Angola, Cabinda, Kongo-Brazzaville, Zaire, Ruanda, Burundi und Uganda gehörten. Eines Tages im Jahre 1482 war der portugiesische Schiffskapitän Diego Cao (Cao heißt auf portugiesisch Hund) der erste Weiße, dessen Augen diesen Strom erblickten, den siebtlängsten der Welt, der von der Quelle nahe der Grenze zu Sambia auf einer Länge von 4374 Kilometer bis zum Atlantik fließt, dabei zweimal den Äquator überquert und die (nach dem Amazonas) zweitgrößte Wassermasse ins Meer entlädt, und zu dem mehrere Streckenabschnitte gehören, die wegen der langen und gefährlichen Stromschnellen noch nie befahren wurden, einige sind bis zu hundert Meilen lang und behindern seine Reise zum Meer. Dieser Fluss, der durch Sümpfe und dichten Dschungel fließt, wurde nie ganz erforscht und niemand hat ihn je von seinem Ursprung bis zum Meer befahren. Und die am Fluss liegenden Gebiete wurden zwar kartographiert, zu Fuß jedoch bis heute nicht vollständig erforscht, sie haben immer noch Geheimnisse vor den Menschen, und auch ihren Reichtum an Bodenschätzen hat man noch nicht vollständig erfasst. Viele indigene Krankheiten führen bis heute immer noch zu großem Elend, und das Verkehrsnetz könnte, wie schon in den Tagen von Diego Cao, verbessert werden. Als Cao das erste Mal auf den Fluss starrte, wandte er sich an König Bakongo und sagte: »Vass dis?« Und Bakongo sagte: »Das ist der Nsadi, mein Freund.« Da zückte der Schiffskapitän seinen Bic-Kugelschreiber und den Spiralblock und trug nicht Nsadi ein, sondern Nzadi, was nachfolgende Portugiesen dann weiter verunstalteten, zu Zaire, und fragen Sie nicht, wie’s dazu kam, denn wie ich Ihnen schon sagte, hat dieses Land immer noch Geheimnisse vor der Menschheit. Nichtsdestoweniger ist also Zaire der authentische Name, für den sich Präsident Mobutu entschieden hat. Und ich bin mir sicher, das sagt etwas aus über Authenticité und Bullshit.
Es gibt jedoch zwei Erscheinungsformen von Authenticité, die meinen uneingeschränkten Beifall haben: dass Mobutu die Schlinge per Gesetz verboten hat (aber führt es zu mehr Authenticité, wenn die Krawatte durch das Ascot-Halstuch ersetzt wird?), und die Anerkennung, dass das seit uralten Zeiten beliebte Rauchen von wildem Hanf authentisch ist … solange es keine Ausmaße annimmt, die der Schaffung eines vereinigten Zaire, eines großen Zaire im Weg stehen.
Davon abgesehen ist alles, woran ich mich erinnern kann, dass ich im Hotel Memling Zimmer 263 hatte und meine Telefonnummer 601 war; und ich bin davon überzeugt, dass sogar das irgendwas über Zaire sagt. Ich kann mich auch daran erinnern, dass die Mitglieder der Pressetruppe aus der ganzen Welt, wenn sie zurückkamen, ihre Berichte ausnahmslos mit den Hyazinthenbüscheln und anderem Strandgut anfingen, das auf dem Zaire unaufhaltsam dem Meer entgegenströmte … so gut wie jeder schrieb dieses Zeug, und versäumte es dabei, den Leser zu informieren, dass unter jedem Hyazinthenbüschel ein Krokodil grinste. Dies hier sollte – zumindest gab’s die Hoffnung – eine Story über den größten »Kampf des Jahrhunderts« aller Zeiten werden, der am bizarrsten Schauplatz aller Zeiten ausgetragen wurde, mit der größten Kampfbörse aller Zeiten, nie dagewesene zehn Millionen amerikanische Dollar, das Doppelte der alten Rekordsumme. Ich hatte geplant, euch mit lustigen Liedern von meinen äquatorialen Krankheiten aufzuwärmen … meine Malaria, meine Gonorrhoe, Ruhr, Hepatitis, Lebensmittelvergiftung; vom stärksten Marihuana der Welt, das Bangi auf Lingala heißt, der Verkehrssprache in Kinshasa und der offiziellen Militärsprache im französisch sprechenden Zaire, und das eine Verballhornung des nordafrikanischen arabischen Worts Bhang ist; von Ritalin und Opium, die in den Apotheken von Kinshasa über den Tresen verkauft werden; von der seltsam funktionierenden Gang, die ich während der Flaute mit Cassius Clay Senior bildete, und wie wir uns Bar um Bar und Nacht um Nacht näherkamen und uns durch die Diskotheken tanzten bis zur Morgendämmerung; wie ich aus Versehen mit Alis Trainer Angelo Dundee Affenschädel verspeiste, bis Gene Kilroy, Alis weißer Knecht für alles (»My boy, Gene Kil-roy!«), bemerkte, dass die mageren Hühnerbrüste, über die wir uns beschwerten, während wir sie abnagten, Augenhöhlen hatten und Zähne und uns angrinsten; vom Aufwachen an meinem siebenunddreißigsten Geburtstag – 24. September, der Termin, an dem der Kampf ursprünglich angesetzt war – in einem Pool in Zairehea, und wie ich ihn damit beendete, dass ich im Kinshasa-Casino bewusstlos wurde, weil Tshimpumpu wa Tshimpumpu (was »Sohn von« heißt), der oberste Pressechef des Gastgeberlandes, ein Stammesmitglied der Buluba aus dem zweitausend Meilen entfernten, früher so genannten Katanga, ehe es authentisch in Provinz Shaba umbenannt wurde, mir zu oft mit Champagner zugeprostet hatte, weil es an diesem Tag wegen dem verschobenen Kampf und dem ganzen Drumherum sowieso nicht allzuviel anderes zu tun gab, und weil ich mir zwischen dem Zuprosten zuviele Bangi-Hits verpasste; davon, wie mich ein Musiker von Veve, der besten Band des Landes, mitnahm, um mir eine fauchende Kobra zu zeigen, die es ein paar Tage zuvor irgendwie geschafft hatte, ihr Lager in einem Abwasserkanal in Zone Lemba aufzuschlagen, einem der vierundzwanzig Stadtbezirke von Kinshasa, zehn Meilen vom Zentrum entfernt; davon, wie es mir mit den guten Beziehungen...
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