Schweitzer Fachinformationen
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Neben seinen Kurzgeschichten und Romanen, die ihn berühmt machten, verfasste Truman Capote für Magazine wie Esquire oder den New Yorker unzählige Reportagen und Porträts. Angefangen bei den frühen Reiseskizzen des Zweiundzwanzigjährigen bis hin zu einem Porträt der Schriftstellerin Willa Cather, das er am Tag vor seinem Tod verfasste, versammelt dieser Band sein journalistisches Vermächtnis. »Die Hunde bellen« ist ein berührendes Porträt der sozialen Fauna des 20. Jahrhunderts, seiner Menschen und Orte - und in dieser Zeit betrachtet Capote sich zugleich selbst.Zum 100. Geburtstag des Jahrhundertgenies erscheint sein gesamtes journalistisches Werk bei Kein & Aber neu in drei Einzelbänden.
Unten im Hof stand ein Engel aus schwarzem Stein. Der Kopf des Engels erhob sich über die Elefantenblätter, und die harten, gläsernen Engelaugen, so hell wie das verwaschene Blau in den Augen von Matrosen, starrten himmelwärts. Den Engel sah man durch das verschnörkelte Schmiedewerk des grünen Balkons - meines Balkons, denn ich wohnte dahinter. Drei weiße Altbauzimmer mit Stuckdecke, breiten Schiebetüren und hohen, nach außen führenden Balkontüren. An warmen Abenden, wenn die Fenster offen standen, war es der ideale Ort für stimmungsvolle Unterhaltungen, denn eine säuselnde Brise wie der Fächerschlag einer alten Dame zog durch die Zimmer. An solchen warmen Abenden ist es still in der Stadt. Nur Stimmen: Familiengespräche auf efeuverhangener Veranda; eine barfüßige Frau in einem Schaukelstuhl auf dem Gehsteig, die ganz offen ihr Baby stillt; das Keifen einer Ausländerin, die auf dem Balkon ein Huhn rupft, wobei sich die Federn von ihrer Hand lösen und träge in die Tiefe segeln.
Eines Morgens - ich glaube, es war Dezember, ein kalter Sonntag mit einer traurigen grauen Sonne - ging ich durch das French Quarter zum alten Markt, wo es zu dieser Jahreszeit immer herrliches Winterobst gab, süße Satsumas, das Dutzend zu zwanzig Cent, und auch Winterblumen wie Weihnachtsstern und Zitronenquitte. Die Straßen von New Orleans bilden lange, einsame Fluchten. In leeren Stunden herrscht dort eine Atmosphäre wie bei de Chirico, und selbst harmlose Dinge erlangen den Charakter von etwas Gewalttätigem. (Ein erleuchtetes Gesicht in der Schraffur einer Lamellenlade; in der Ferne gehende Nonnen; ein dicker schwarzer Arm, der aus irgendeinem Fenster hängt; ein einsamer schwarzer Junge, der in einer Seitengasse hockt, Seifenblasen in die Luft pustet und ihnen traurig nachschaut, bis sie platzen.) An diesem Morgen blieb ich in der Mitte eines Häuserblocks plötzlich stehen, denn im Augenwinkel war mir etwas aufgefallen, ein dunkler Hausdurchgang mit einem verwilderten Garten dahinter. Ein bizarrer weißer Hund stand steifbeinig im grünen Farnlicht am Ende des Durchgangs, unwillkürlich ging ich darauf zu. Innen war ein Brunnen, dünn rieselte Wasser aus dem Maul eines Bronzeäffchens und verursachte auf dem Kieselbett des Beckens Laute wie von einsamen Glöckchen. Er hing am Ast einer Weide, eine Gangstervisage mit krass platinblonden Haaren. Er hing so kraftlos wie die Weidenäste. Der Schrecken hatte sich in dem lautlosen, erstickten Garten breitgemacht. Blind sahen die geschlossenen Fenster zu, die Schleimspuren von Schnecken glitzerten auf den Elefantenohren, nichts regte sich außer seinem Schatten. Leise schwang er hin und her, obwohl kein Hauch zu spüren war. Der Glaskristallring an seinem Finger blinkte kurz auf, und auf seinem Arm war ein Name tätowiert: »Francy«. Der Hund senkte den Kopf, um aus dem Brunnen zu trinken, und ich rannte weg. Francy - hatte er sich ihretwegen umgebracht? Ich weiß es nicht, N.O. ist eine Stadt voller Geheimnisse.
Die Glasaugen meines Steinengels waren wie Sonnenuhren, denn sie verrieten einem - anhand der in ihnen gesammelten Lichtmenge - die Zeit. Das weiße Licht am Mittag verkümmerte schrittweise erst zu Dämmerungsgrau, dann zu Schwarz: nachtschwarze Augen in einem nachtschwarzen Kopf.
Die blätternden Lippen goldhaariger Mädchen strahlen verliebt von schiefen Fassaden: Drink Dr. Nutt, Dr. Pepper, NEHL, Grapeade, 7 Up, Koke, Coca-Cola. Wie alle Städte im Süden ist auch N.O. eine Stadt der Softdrink-Reklame. Vor allem die Straßen der schlechteren Viertel sind mit Cola-Kronkorken gepflastert, nach einem Regenguss glitzern sie wie verlorene Zehn-Cent-Stücke. Werbeplakate pellen sich ab, liegen zertreten da, bis der Sturm sie die Straße entlangtreibt wie haltloses Steppengesträuch. Trotzdem gibt es Leute, die diese Plakate für schön halten, die ihre Wände mit Dr. Nutt oder Dr. Pepper tapezieren, mit Coca-Cola-Schönheiten, die auf ihre Mietskasernenkojen herabblicken, Wächterinnen der Nacht und Heilige des Morgens. Botschaften überall, in Kreide, gedruckt, gemalt: Madame Ortega - Kartenlesen, Liebestränke, Magische Bücher, kein Termin erforderlich. Wenn Sie schon nichts zu tun haben . tun Sie es bitte nicht hier. Bist du bereit für deinen Schöpfer? Achtung, bissiger Hund. Haben Sie Mitleid mit den armen kleinen Waisenkindern. Bin taubstumme Witwe mit 2 Mäulern zu füttern, helfen Sie. Achtung, die Blue Wing Singers heute Abend in unserer Kirche. Gezeichnet: Der Reverend.
Ich erinnere mich auch an den Aushang an einer Tür im Bezirk Irish Channel, der da lautete: »Tritt ein und sieh, wohin schon Jesus sein Stock und sein Stab geführt.«
»Was willst du?«, fragte die Frau, die mir auf mein Klingeln öffnete. »Ich hätte gern gesehen, wohin schon Jesus sein Stock und sein Stab geführt«, antwortete ich, und einen Moment lang war sie verblüfft. Ihr Gesicht, wie mit dem Rasiermesser geschnitten, war weiß wie ein Marshmallow, sie hatte keine Augenbrauen, keine Wimpern, und sie trug einen Kimono aus bedrucktem Kattun. »Aber noch nicht in deinem Alter, Schätzchen«, sagte sie und lachte los, dass die Brüste wackelten. »Du bist noch viel zu klein für Jesus sein Stock und Stab.«
In meiner Nachbarschaft gab es ein Café, das war der traurigste Ort in ganz N.O., das leerste Café war es auf alle Fälle, ein Laden wie ein Leichenbegängnis. Die Inhaberin, Mrs. Morris Otto Kunze, schien das nicht zu stören. Sie saß den ganzen Tag hinter ihrer Bar, fächelte sich mit einem Palmwedel Kühlung zu und rührte sich nur, um Fliegen totzuschlagen. Und über einem alten, gesprungenen Spiegel hinter der Bar hingen sieben Zettel, die gleichlautend verkündeten: Über das Leben musst du dir keine Gedanken machen . du verlässt es sowieso nicht lebend.
3. Juli. Im Briefkasten ein formelles Kärtchen von Miss Y., also ging ich sie am Nachmittag besuchen. Auf ihre altmodische Art kann sie sehr unterhaltsam sein, aber das geschieht eher unbeabsichtigt. Als ich sie das erste Mal sah, dachte ich: Edna May Oliver, die Ähnlichkeit ist verblüffend. Miss Y. spricht immer sehr bedächtig, aber was sie sagt, geht durcheinander, und ihre sherryfarbenen Augen irren suchend in der Umgebung herum. Sie hält sich militärisch aufrecht und hat stets ein Rattanstöckchen dabei, denn ihr eines Bein ist kürzer als das andere, was ihrem Gang etwas Pinguinartiges verleiht. »Als ich in Ihrem Alter war, war ich darüber sehr traurig, ja, das kann man sagen, traurig, denn Papa hat mich wirklich auf alle Bälle geschleppt, wo wir dann auf diesen kleinen, zierlichen Goldstühlchen saßen . und saßen . und saßen, bloß dass keiner der Herren je mit Miss Y. tanzen wollte, tanzen auf gar keinen Fall, außer einem jungen Mann aus Baltimore, einem Mr. Jones, der einen Winter lang hier war, aber dann - herrje! - von einer Leiter fiel, der Ärmste, und sich den Hals brach und, na ja, sofort tot war.«
Mein Interesse an Miss Y. ist eher wissenschaftlicher Natur. Ich bin also, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, nicht ganz der gute Hausfreund, den sie in mir vermutet, denn einer Miss. Y. kann man nicht wirklich nahe sein. Sie ist viel zu sehr Märchengestalt, irreal, unwahrscheinlich. Sie ist wie das Piano in ihrem Wohnzimmer, elegant, aber etwas verstimmt. Ihr Haus, das selbst nach N.O.-Maßstäben als alt gelten muss, umgibt ein kaputter, schwarzer, schmiedeeisener Zaun. Die Gegend ist arm, an jeder Ecke sieht man Schilder »Zimmer zu vermieten«, es gibt viele Tankstellen und Jukebox-Cafés. Und doch gab es, als ihre Familie erstmals hierher zog - aber das ist wirklich sehr lange her -, kaum ein vornehmeres Viertel als dieses. Inzwischen ist das Haus ergraut und wird von schiefen Bäumen bald erdrückt. Im Innern allerdings ist die alte Märchenwelt noch spürbar. Wenn etwa das Geräusch ihres Stöckchens auf der breiten geschwungenen Treppe Kristall zum Zittern bringt. Wenn ihr Gesicht, jenes Herz aus zerknitterter Seide, wie ein Schemen in den deckenhohen Spiegeln erscheint. Wenn sie sich vorsichtig (man beachte, wie sehr sie auf ihre alten Knochen achtgibt), übervorsichtig in den Urururgroßvatersessel niederlässt, eine unnachsichtige Sitzgelegenheit mit löwenköpfigen Armlehnen. Denn in der dunklen Kühle ihres Hauses ist sie schön - und sicher. Denn das sind die Wände und die Möbel ihrer Kindheit. »Manche Menschen sind die geborenen Alten. Ich zum Beispiel war ein schreckliches Kind ohne irgendwelche Vorzüge. Aber das Altsein gefällt mir. Ich habe irgendwie das Gefühl, es passt zu mir, oder .«, sie legt eine kleine Pause ein und weist auf das dämmrige Wohnzimmer, ». oder ich passe hierhin.«
Miss Y. glaubt nicht an eine Welt außerhalb von N.O. Zuweilen, so wie heute, äußert sich ihr Inseldasein in ziemlich unheimlichen Sätzen. Als ich zum Beispiel meine Reise nach New York erwähne, fragt sie mit erhobener Braue lediglich: »Oh, und wie steht's bei denen da draußen?«
1. Ich frage mich, warum sich die Taxifahrer von N.O. immer so anhören, als hätte man sie direkt aus Brooklyn importiert.
2. Von Essen ist immer viel die Rede in N.O. Und das nicht ohne Grund, Restaurants wie Arnaud's und Kolb's sind die besten von ganz Amerika. Das liegt nicht zuletzt an der gelassenen Atmosphäre unter den gemächlichen Deckenventilatoren, den riesigen Tischen, der Abwesenheit jeglichen Gedränges, der Stille, den ungezwungenen, aber äußerst professionellen Kellnern, die immer so aussehen, als seien sie Söhne des Patrons. Bei einem Vergleich von N.O. und New York meinte ein Freund von mir einmal, dasselbe Menü komme in New York nicht nur wesentlich teurer als in New Orleans, sondern auch immer mit sehr...
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