Schweitzer Fachinformationen
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Heute war der Tag gekommen, an dem ich Kaia Gonzales endlich fragen würde.
Wir marschierten schleppend im Kreis, um gegen das neue Schaubecken mit einem großen weißen Hai im Channel Islands Aqua-Park zu protestieren. Der Park war Venturas Variante von SeaWorld, eben nur kleiner und mit einem schlechteren Ruf.
Ich hielt den Blick auf Kaias Pferdeschwanz gerichtet, der hypnotisierend hin und her schwang, während sie »Rettet! Den! Hai!« skandierte. In meinen Augen konnte sie gar nicht noch schöner werden, aber der Wind vom Meer her hatte ein paar Locken gelöst, und nach mehr als dreistündigem Protest glitzerten winzige Schweißperlen auf ihrer Haut. Wir hatten gemeinsam drei Sprechchöre angestimmt (»Freiheit statt Gefangenschaft«, »Hai, Hai, Hai - lasst ihn endlich frei!« und »What do we want? Free the shark! When do we want it? Before it gets dark!«) Sie hatte natürlich das Banner gesehen, an dem ich die ganze Nacht gebastelt hatte, und ich war ziemlich sicher, dass sie beeindruckt war. Sie schaute es immer wieder an und lächelte mir dann zu. Flirtete sie etwa mit mir?
Wieder kam sie an mir vorbei. Moment mal! Hatte sie mir gerade zugezwinkert? Vielleicht war es eine Allergie? Führten Allergien dazu, dass Leute nur ein Auge zukniffen? Nein. Sie hatte gezwinkert. Sie hatte mir eindeutig zugezwinkert. Das musste ein Zeichen sein, dass sie darauf wartete, von mir gefragt zu werden. O Gott. Was, wenn sie schon seit Monaten darauf wartete, dass ich etwas sagte? War es irgendwie komisch zwischen uns, weil da dieses große unausgesprochene Ding war, das ich aus unerfindlichen Gründen einfach nicht über die Lippen brachte? Aber heute würde ich sie definitiv fragen. Es war offensichtlich, dass sie nur darauf wartete.
»Hey, Cam, geh weiter!«, sagte eine Stimme und ich merkte, dass ich - ganz in Gedanken - vergessen hatte zu gehen. Hinter mir schob sich die Gruppe wie eine Ziehharmonika zusammen. Todd Moon, ein alternder Surfer-Typ mit Pferdeschwanz und Anführer der Non-Human Rights Group, die diesen Protestmarsch organisiert hatte, scheuchte mich mit einer freundlichen Geste vorwärts. Er war immer besonders nett, wenn Leute von der Highschool auftauchten. Er meinte, durch uns bekäme der Protest einen »schrägen Vibe«. Noch nie hat mich jemand als »schräg« bezeichnet, aber es gefiel mir gar nicht so schlecht.
»Sorry«, sagte ich entschuldigend und eilte weiter, diesmal ohne einen Blick zu Kaia hinüber zu wagen. Ich musste mich eindeutig mehr auf das Marschieren konzentrieren. »Rettet! Den! Hai!«, skandierte ich und ließ mich von der winterlichen Brise kühlen.
»Trau dich, Mann.« Todd deutete auf Kaia. »Du checkst die Kleine doch schon seit Stunden aus. Nirgendwo kann man so gut abschleppen wie auf Demos.«
»Abschleppen?« Patrice schob sich die geflochtenen Zöpfe über die Schulter und bedachte Todd mit einem strengen Blick. »Echt jetzt? Du sprichst immer noch von >abschleppen<?« Patrice Woodson war zweite Vorsitzende der Gruppe und ließ sich nichts gefallen, weder von Todd noch von sonst irgendjemandem.
Der wiederholte Gebrauch des Wortes abschleppen schürte meine Angst nur noch mehr und ich bemühte mich, das klarzustellen: »Sie ist nicht - ich versuche nicht - das ist . Ich will sie einfach nur fragen, ob wir mal was zusammen machen.« Todd zuckte angesichts dieser Erklärung enttäuscht die Schultern.
»Hey!«, tönte Kaias leidenschaftliche Stimme vom Eingang des Parks herüber. Ich blickte mich um und sah, wie sie ein Paar mittleren Alters zurechtwies, das gerade an ihr vorüberging. »Mit dem Kauf dieser Eintrittskarten unterstützen Sie den langsamen Tod einer komplexen und intelligenten Form des Lebens! An Ihren Händen klebt Blut!« Die beiden ignorierten sie einfach und Kaia streckte ihr Protestschild vor, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen.
O mein Gott. Sie war einfach vollkommen.
»Wisst ihr was? Wir machen Schluss für heute«, verkündete Todd an die Gruppe gewandt, was offenbar erleichtert zur Kenntnis genommen wurde, denn der Kreis löste sich umgehend auf.
Mist. Ich war noch nicht so weit. Ich meine, ich hatte mich den ganzen Tag darauf vorbereitet. Eigentlich schon das ganze Schuljahr über. Aber . jetzt war ich nicht so weit. Glücklicherweise verfolgte Kaia weiter mit finsterer Miene, wie das Paar seine Eintrittskarten kaufte, sodass mir zumindest noch ein kurzer Augenblick blieb. Ich versuchte mich zu fassen und einmal tief Luft zu holen, bevor sie sich umwandte.
»Also, worauf wartest du noch? Die Welt wird nicht kälter.« Todd gab mir einen Schubs in ihre Richtung.
Ich machte ein paar zaghafte Schritte. War jetzt der richtige Augenblick? Ich studierte das Setting. Da war zwar ein Brunnen in Form einer vollgekackten Riesenmuschel, aber der Aqua-Park lag an einer weitläufigen Bucht und die Luft war erfüllt vom sanften Rauschen der Wellen und dem Rufen der Möwen, so sanft und süß wie in einem Bon-Iver-Song. Die Sonne war schon fast im Meer untergegangen und am dunkelblauen Himmel hingen rosafarbene Fetzen von Kondensstreifen. Kaia stand neben einem Pflanzkübel voller Blumen, deren Namen ich nicht kannte, die aber wunderbar dufteten. Es hatte etwas Magisches. Und mein Plakat hatte ihr auch gefallen. Vermutlich hatte sie mir sogar zugezwinkert. Und wieder waren wir gemeinsam unterwegs, um etwas zu retten, genau wie bei den Wetlands.
Aber je mehr ich mich vorwärts zwang, desto mehr spannte sich mein Körper an, während eine gewaltige, unlösbare Frage drohend über mir hing, dieselbe Frage, die jedes Mal, wenn ich mich fast getraut hatte, sie anzusprechen, über mir zusammengebrochen war: Was war, wenn sie nein sagte? Ich versuchte, mir ein Leben danach vorzustellen, konnte aber nichts als endlose Leere vor mir sehen. Vollkommene Auslöschung.
Mir zog sich der Magen zusammen. Meine Beine gaben nach. Mein Brustkorb krampfte. Die Atmung setzte aus. Ich biss die Zähne zusammen. Sonnenuntergang, Blumen, Möwen - diesen Augenblick konnte ich mir nicht entgehen lassen. Ich würde sie fragen. Sobald mir wieder einfiel, wie sich meine Zunge bewegen ließ
Und dann drehte sie sich um.
»Oh, hey, Cam.«
Worte. Sag einfach Worte. »Hey .« Okay, nicht gerade die stärkste Einleitung, aber durchaus noch zu retten.
»Weißt du, dein Plakat . das wollte ich dir schon den ganzen Tag sagen .«
»Was ist damit?« Das waren schon drei Worte. Ein Fortschritt.
». da ist ein Schreibfehler.« Kaia lächelte und deutete nach oben. Meine Augen folgten ihrem Blick, bis ich zum ersten Mal bemerkte, dass die Wörter »Rettet den weißen Hai« so verschmiert waren, dass man sie kaum noch entziffern konnte und es eher aussah wie »Scheiß Hai«. Und das Schlimmste war, dass die Zeichnung des Hais, bei der ich mir so viel Mühe gegeben hatte, ihn möglichst harmlos und sympathisch aussehen zu lassen, jetzt einen Fleck hatte, den man als dicken, fetten Scheißhaufen interpretieren konnte.
Kaia unterdrückte ein Lächeln. »Ich glaube nicht, dass die anderen es bemerkt haben, aber mich hat es den ganzen Tag irritiert!« Ich nahm das Plakat runter, wollte es verstecken, es zerstören, es verschwinden lassen. »Ich finde es irgendwie witzig.«
»Ja, total witzig.« Ich bemühte mich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und wischte wie wild an dem Fleck herum. Ich hoffte, es war irgendwelcher Dreck, der während unseres Protestmarsches aus der Luft gekommen war, und ärgerte mich, dass ich es nicht selbst bemerkt hatte. Aber je mehr ich daran herumwischte, desto mehr verschmierte ich alles. Und je mehr es verschmierte, desto weiter entfernte sich der Augenblick, auf den ich den ganzen Tag . das ganze Jahr . gewartet hatte.
Kaia nahm einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche und seufzte. »Tja, ich glaube, ich habe für heute genug geschrien.«
Sie war dabei, unsere Unterhaltung zu beenden. Ich musste mich wieder ins Spiel bringen, bevor sie ging. »Allerdings. Bestimmt brauchst du heute Abend einen Tee mit Honig. Für deinen Hals.« Na toll, Cam. Jetzt hörst du dich an wie ihre Mutter.
»Ich bezweifle allerdings, dass es so was bei Steve Stevensons Party geben wird. Aber man weiß ja nie. Kommst du auch?«, fragte sie, während sie den Deckel auf ihre Wasserflasche schraubte.
»Zu Steve Stevenson? Du meinst, den Typ, der es nicht schafft an einem Schließfach vorbeizugehen, ohne einen Penis draufzumalen? Als ob. Alkoholvergiftung und Date Rape sind eigentlich nicht so mein Ding.« Ich lachte und war mir sicher, sie würde einstimmen.
Doch das tat sie nicht.
Stattdessen griff sie einfach nach ihrer Tasche und fuhr fort: »Ja, ich weiß. Nicht deine Welt. Aber, äh, vielleicht kommst du trotzdem? Dann hätte ich wenigstens jemanden zum Reden.«
Moment mal. Hatte sie etwa vor, zu Steve Stevensons Party zu gehen? Und hatte sie eben .? Wollte sie, . dass ich mitkam?
»Dein Plakat .«, warnte Kaia mich. Ich schaute nach unten und sah, dass ich ganz in Gedanken mein Schild losgelassen hatte. Ein Windstoß hatte es erfasst und durch die Luft zum Wasser hinübergeweht.
»O mein Gott. Nein. Halt!«, flehte ich das Schild an. Aber es war schon zu spät. Es landete im kalten Wasser und trieb dort wie ein giftiges, vollgeschissenes Surfboard.
»Umweltverschmutzer!«, brüllte einer der anderen Demonstranten.
»Du solltest es lieber zurückholen. Die Bucht ist ohnehin schon verdreckt genug durch die ganzen Abwässer.« Kaia verzog das Gesicht. Sie schämte sich offensichtlich für mich.
Ich war hin- und...
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