Schweitzer Fachinformationen
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Kaum ein Thema beschäftigt Eltern so sehr wie der Medienkonsum ihrer Kinder. Was? Warum? Ab wie vielen Jahren? Und was war gleich Fortnite noch mal?In ihrer typisch humorvollen Art beantwortet Patricia Cammarata die dringendsten Elternfragen zu moderner Medienerziehung.
Wie lange sollen Kinder digitale Medien nutzen?Machen Videospiele aggressiv?Ist YouTube besser als Fernsehen?Wie wirkt sich Instagram auf die Körperwahrnehmung Pubertierender aus?Was mache ich, wenn mein Kind (virtuell) gemobbt wird?
tl;dr YouTube
Videoplattformen gibt es einige im Internet, so zum Beispiel Vimeo, Twitch TV und Clipfish. Allerdings wird es eher selten vorkommen, dass Kinder sich auf einer anderen Plattform als auf YouTube aufhalten. Schon 2016 hatte YouTube rund 81 Prozent Marktanteil. 12 Tendenz steigend.
90 Prozent der 12- bis 19-Jährigen schauen sich mehrmals pro Woche Videos auf YouTube an. 13 Im Schnitt verbringt diese Altersgruppe täglich drei Stunden im Internet - den Großteil davon auf YouTube. Dabei wird die beliebte Plattform hauptsächlich mobil genutzt, also per Smartphone abgerufen.
Wie man Kinder konsequent von Smartphones fernhalten kann
Wenn man kein Smartphone hat Wenn man keine Kinder hat
@katjaberlin für #nur30min
Würde ich gefragt, über welche Plattform ich gerne krückstockwedelnd schimpfen möchte, käme die Antwort wie aus der Pistole geschossen: YouTube!
Allerdings habe ich den festen Vorsatz, mich nicht in die Reihe der Kulturpessimisten einzureihen. Damit mir das gelingt, musste ich erst mal der Frage nachgehen, warum ich mich mit YouTube so unwohl fühle.
Die erste Teilantwort ist ganz einfach. YouTube ist einfach nicht meine Plattform. Als Jahrgang 1975 bin ich schlichtweg zu alt. Mit Computerspielen, Messengern, Chats und Blogs bin ich aufgewachsen. YouTube gibt es erst seit 2005. Doch selbst 14 Jahre später habe ich noch nie aktiv etwas auf dieser Plattform gemacht, habe noch nie kommentiert, folge dort niemandem und schaue lediglich sporadisch kurze Clips. Aktuelle Entwicklungen bekomme ich von alleine gar nicht mit. Mein Zugang sieht bildlich übersetzt so aus, dass ich im Ohrensessel sitze und dort in einer Zeitung lese, dass YouTuber*in XY gerade sehr angesagt ist, weil er oder sie drei Fantastillionen Follower*innen hat.
So war es zumindest bis 2014. 2014 ist das Jahr, in dem Simon Unge das YouTube-Netzwerk Mediakraft Networks verließ, was für unser ältestes Kind ein ernstzunehmendes Ereignis in seinem Lebensalltag darstellte. Erst jetzt wurde mir klar, welch große Vorbildwirkung YouTube-Stars haben und dass deren Inhalte auch in unserer Familie regelmäßig konsumiert werden.
Also habe ich gemacht, was ich regelmäßig empfehle: Ich fragte mein Kind, was es sonst noch so schaut und warum. Danach quälte ich mich stichprobenartig durch die Videos und fühlte mich unendlich alt: Was reden die da? Warum reden die so schnell? Wieso blinkt und wackelt alles? Und muss man wirklich alle drei Sekunden einen Schnitt machen?
Engagiert, wie ich bin, habe ich dann mal geschaut, welches die YouTuber*innen mit der größten Reichweite sind, mir exemplarisch deren Beiträge zu Gemüte geführt und mich plötzlich in längst überwunden geglaubten Klischeewelten wiedergefunden. Frauen reden über Lifestyle, gehen shoppen, zeigen dann, was sie eingekauft haben (Hauls), geben Schmink- und Stylingtipps und reden darüber, wie man die Boys klarmacht, ohne zu bitchy rüberzukommen. Große Teile der Jugendsprache musste Oma Patricia übrigens im Urban Dictionary nachschlagen.
Die Jungs wiederum erzählen ihre Heldengeschichten, stellen sich irgendwelchen haarsträubenden Herausforderungen (Challenges), verarschen sich gegenseitig (Pranks) oder unterhalten sich darüber, was an Mädchen nervt oder wie kurz der Rock sein darf.
Plötzlich wurde mir klar: Die großen YouTube-Kanäle transportieren inhaltlich eigentlich nichts anderes als früher Bravo Girl! und Mädchen, nämlich widersprüchliche Botschaften (»So kaschierst du deine Problemzonen« und »10 Regeln, damit ER dich wahrnimmt« versus »Sei ganz du selbst«) sowie widerliche Körperbilder (»Mit dieser Diät zum Beach-Body«, »Diese 5 Tricks lassen deine Cellulite verschwinden«).
Mit über vierzig weiß ich natürlich, was für ein Unsinn das alles ist. Mit 13 war das anders. Da war ich unsicher und empfänglich für solche Botschaften. Am Ende blieb das Gefühl: Ich bin auf jeden Fall falsch. Zu aktiv, zu passiv, zu dick, Nase zu groß, Haare zu zottelig, Style kacke. Die nächsten anderthalb Jahrzehnte habe ich damit verbracht, diese Komplexe zu überwinden. Dabei hat es mir sehr geholfen, keine Mädchen- bzw. Frauenmagazine mehr zu lesen und den Fernseher abzuschaffen. Denn dort wird nichts anderes vermittelt: Für Frauen zählt vor allem das Aussehen, und wenn das nicht perfekt ist, hilft es vielleicht noch, gut kochen zu können. Ansonsten sind Hopfen und Malz verloren. Allein die Werbung! Ohne Werbeeinblendungen würde ich zum Beispiel niemals die sieben Zeichen der Hautalterung kennen:
Die Werbung macht mir klar: Ich bin ein einziger Makel. Eine Schande. Der Archetyp des Unperfekten.
Genau da habe ich verstanden: YouTube ist nichts anderes als Fernsehen. Die Rückkehr der Mädchenmagazine, der Untergang des Abendlandes!
Ob die meisten Erwachsenen, die noch altmodisch Fernsehen schauen, YouTube vielleicht deshalb gar nicht so schlimm finden und sich eher um computerspielende Kinder sorgen?
Doch Moment mal! Hat da etwa Manfred Spitzer Besitz von mir ergriffen? Ich blase gerade voll in das Erwachsenenhorn: »YouTube ist dumm, oberflächlich und niveaulos!«
Die Befunde der MaLisa-Studie 2019 14 - »Weibliche Selbstinszenierung in den neuen Medien« - bestätigen diese Einschätzung auf den ersten Blick: In den Top 100 von YouTube, Instagram und Musikvideos sind feinste Genderstereotype vertreten: »Während Frauen sich überwiegend im privaten Raum zeigen, Schminktipps geben und ihre Hobbys präsentieren (Basteln, Nähen, Kochen), bedienen Männer deutlich mehr Themen: von Unterhaltung über Musik bis zu Games, Comedy und Politik.«
In den Musikvideos sieht es nicht anders aus. Frauen als Eye-Candy, sexy inszeniert, passiv. »Auch auf Instagram sind insbesondere die Frauen erfolgreich, die einem normierten Schönheitsideal entsprechen. Sie sind dünn, langhaarig und beschäftigen sich hauptsächlich mit den Themen Mode, Ernährung und Beauty. Weibliche Selbstinszenierung findet hier nur in einem sehr begrenzten Korridor statt.« Weil die Influencerinnen das selbst so wollen? Mitnichten. In der anschließenden Befragung einzelner YouTuberinnen gibt eine von ihnen zu Protokoll: »Eine starke eigene Meinung schmälert deinen finanziellen Wert, weil sich dann bestimmte Firmen nicht mehr mit dir zeigen wollen.« Werbepartner erwarten von Frauen also keine inhaltlichen Statements, sondern ein schön inszeniertes Bild.
Wer tiefer in das Thema »Rollenklischees auf YouTube« einsteigen möchte, dem sei der hörenswerte Beitrag von Almut Schnerring und Sascha Verlan im Deutschlandfunk empfohlen: »10 Dinge, die an Mädchen nerven. Geschlechterklischees in der YouTube-Szene«. 15
Allerdings ist YouTube nicht gleichzusetzen mit den 100 meistabonnierten Kanälen. Im Übrigen gibt es selbst unter denen Ausnahmen wie den Broadcaster LeFloid, der diese rückwärtsgewandte Entwicklung reflektiert, unter anderem in dem Beitrag »Schw*nze, Är*che & Geld - SO WIDERLICH SIND DIE YOUTUBE-TRENDS & was sonst noch so abgeht«. 16 Also bitte nichts über einen Kamm scheren!
Über die Reproduktion von Geschlechterklischees sollten sich Eltern allerdings Gedanken machen und ihre Kinder dafür sensibilisieren, damit diese nicht einfach alles für bare Münze nehmen, sondern hinterfragen. Für jene Eltern, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben und immer noch rätseln, was eigentlich so problematisch ist, wenn Mädchen Rosa mögen, hier die Erläuterung in Kürze:
Natürlich ist es überhaupt kein Problem, wenn Mädchen die Farbe Rosa, Barbies und Prinzessinnenkleider mögen oder YouTuberinnen Schminkvideos machen. Das Problem liegt in den Konnotationen, die transportiert werden (süß, niedlich, hübsch, zart, sensibel, passiv), und dass diese gegenüber den typisch männlichen Eigenschaften (durchsetzungsstark, mutig, cool, aktiv) als weniger wertvoll gelten.
Dazu ein Gedankenexperiment: Wie begegnen Menschen in der Regel einem Jungen, der als Fee verkleidet Nagellack tragen will? Und wie finden dieselben Menschen es, wenn sich ein Mädchen als Astronautin, Feuerwehrfrau oder Polizistin verkleiden...
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