Schweitzer Fachinformationen
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»Es ist lässig, mit zwanzig Single zu sein. Das ist freie Auswahl auf dem Basar. Es ist nicht lässig, mit fünfzig Single zu sein. Das ist Resterampe.«
Max Quercher seufzte. Er hatte guten Willen zeigen wollen und war mit Arzu und ihrem Sohn Max Ali zu der Badestelle in Gmund gefahren. Früh morgens, noch bevor das Schadvolk aus München kam und die Idylle zertrampelte.
Hier waren der See und das Tal in ihrer ganzen Magie zu sehen. Weiter südlich, direkt auf der Grenze zu Österreich, prangten wie eine natürliche Barriere die Blauberge, schimmerten grau im Licht der Morgensonne. Der Wallberg, der in wenigen Stunden überfüllt mit Touristen sein würde. Quercher sah die Klosterkirche von Tegernsee und seinen Heimatort Bad Wiessee, in dem er nicht mehr lebte, seitdem er vor zwei Jahren für einen Auftrag in den Norden gezogen war. Vor drei Monaten war er jedoch wieder ins Oberland zurückgekehrt, im Zuge dessen aber nach Ostin auf die Ostseite in einen alten, renovierungsbedürftigen Bauernhof gezogen.
»Also, Arzulette, ich bin nicht fünfzig, ich bin neunundvierzig Jahre alt. Ich bin glücklicher Single. Das ist für dich als Alleinerziehende, die sich auf Partnerportalen ständig jünger und kinderlos macht, nicht zu verstehen. Aber mir geht es gut.«
Der nördlichste Badestrand war flach, was für den >Sauschratz<, wie Quercher Arzus Sohn nannte, ideal war. Der konnte dank seiner Hilfe immerhin schon schwimmen.
Querchers einstige Kollegin vom LKA hatte wie er den Dienst quittiert und ihn überredet, eine gemeinsame Firma zu gründen. Das erste Gespräch dazu hatte im Café Wagner in Gmund stattgefunden. Sie hatte ihm gegenüber gesessen und auf ihn eingeredet. Auch wenn das jahrelang nie funktioniert hatte - diesmal war es anders. Ihre Idee schien schlüssig zu sein.
»Internetkriminalität ist die heißeste Branche schlechthin. Identifikationsklau, Stalking, Mobbing, Phishing. Völlig egal. Ich bin die Expertin für das Netz, du machst die Arbeit vor Ort, beschmust die Kunden beziehungsweise die Kundinnen und wir machen uns ein nettes Leben hier draußen am See. Oder noch besser: Ich bringe eine Handvoll Kunden vom LKA mit, die sehr gern Beratung und Schutz haben wollen. Die sind bereit, jeden Preis zu zahlen, damit wir die Dinge für sie richten.«
Nach zwei Kännchen Kaffee, drei Mokkatortenstücken und einem Obstler hatte er schließlich zugestimmt. In den ersten Monaten ihrer Freiberuflichkeit saßen sie mit jungen Menschen in einem sogenannten Co-Working-Office in Gmund, bis Querchers Ex-Freundin den beiden eine Bleibe in einer ihrer zahlreichen Immobilien anbot. Er hatte sich anfangs dagegen gewehrt, wurde aber von den Frauen schlicht überstimmt. Somit hatten Arzu und er jetzt eine Bleibe in einer ehemaligen Traditionsgaststätte in Gmund direkt an der Bundesstraße gefunden.
Überhaupt Regina. Sie hatten sich nach seiner Zeit in Nordrhein-Westfalen im Guten voneinander getrennt. Kein Schreien, kein Weinen. Es hatte letztendlich einfach nicht gepasst. Regina hatte keine Lust mehr auf das Unstete, das ihre Beziehung immer geprägt hatte. Sie suchte Verlässlichkeit. Er wiederum konnte oder wollte ihr die nicht geben. Reginas Leben war zudem das Verwalten des Vermögens. Quercher hingegen hatte schlicht keins, kam zwar dank der Pension gut über die Runden, aber war dennoch weit entfernt von den Summen, die seiner Freundin zur Verfügung standen. Am schwersten allerdings wogen die unterschiedlichen sozialen Erwartungen. Regina traf ihresgleichen in München, Salzburg oder in den USA. Quercher war gern allein, und wenn er sich mit Menschen traf, handelte es sich zumeist um ehemalige Kollegen aus Weyarn, Dachau und Fürstenfeldbruck, die in Reginas Beisein tendenziell eher wortkarg waren. Reginas Freunde hatten jedoch in erster Linie Interesse an spannenden Polizeischnurren, die Quercher ihnen aber keinesfalls liefern wollte. Denn seine Arbeit war nicht spaßig gewesen. Sie bestand vielmehr aus dem täglichen Umgang mit dem Abgrund menschlicher Handlungen.
Einmal, ziemlich am Ende ihrer Beziehung, hatte er auf einer Party in einer Münchner Penthouse-Wohnung ein wenig die Nerven verloren. Eine Tochter aus reichem Hause hatte ihm ihr Manuskript für einen Krimi aufs Auge drücken wollen. Konstruierte Fälle, idiotische Dialoge - wie eben die meisten dieser Machwerke berufsfremder Schreiber. Quercher hatte sich eine Weile schweigend angehört, wie die Frau euphorisch von ihren Recherchen berichtete, ehe er sie irgendwann unterbrach und begann, ihr von seinem ersten Fall als Polizist zu erzählen. Interessiert hatten die anderen Anwesenden ihre Gespräche am Tisch beendet und auf eine reißerische Story gehofft.
»Wir kamen in eine Wohnung in einem sogenannten Problemviertel am Rande Nürnbergs. Jemand hatte sich anonym über das Bellen eines Hundes beschwert. Die Eltern waren Drogenabhängige. Eines der beiden Kinder, ein Junge, nicht einmal vier, hatte der Vater im Rausch auf den Balkon gezerrt. Mitten im Winter, draußen herrschten Temperaturen unter zehn Grad. Das zweite Kind, ein Säugling, war von der Mutter im Badezimmer eingesperrt worden, zusammen mit dem Kampfhund der Nachbarn. Wir haben alles getan, um das Baby zu retten. Haben Sie schon einmal versucht, ein von einem Hund zerfleischtes Stück Mensch zu reanimieren? Das hat unsere komplette Aufmerksamkeit erfordert. So vergaßen wir, auch den Balkon zu kontrollieren. Was dazu führte, dass der Junge erfror, während wir vergeblich versuchten, dem Säugling zu helfen.«
Der Rest des Abends verlief für Quercher eher schlecht.
Hinzu kam ein Wendepunkt, der weniger persönlich als politisch motiviert war. Regina hatte im letzten Sommer die Einladung zu einem Salon angenommen. Bei dem Vorstand eines börsennotierten Fernsehsenders hatten sich Schriftsteller, Journalisten und Wirtschaftsbosse versammelt. Sogar der eitle grüne Bürgermeister einer südwestdeutschen Stadt war dabei gewesen. Quercher war zudem die Enkelin eines bekannten Klavierunternehmers vorgestellt worden. Alles in allem eine Mischung, die Quercher schon auf dem Hinweg Magenschmerzen verursacht hatte.
Dennoch begann der Abend unerwartet witzig. Die Menschen waren locker, konnten mit Querchers Garstigkeit gut umgehen, zollten ihm für vergangene Ermittlungserfolge, von denen sie wohl durch Regina erfahren hatten, ihren Respekt. Es wurde etwas Fingerfood gegessen, ein junger Mann aus Eritrea servierte - für den Gastgeber eine der wenigen »gelungenen Integrationen«.
Aber dem Herrn des Hauses ging es an diesem Tag um mehr: Man wollte diskutieren, sich »austauschen« über die aktuellen Themen. Querchers Tischdame war eine attraktive Mittfünfzigerin, die er aus dem Fernsehen als Gerichtsreporterin und bekennende Feministin kannte. Sie hielt ein Eingangsreferat, nannte Zahlen über die Zunahme von Kriminalität unter Migranten und beschrieb Fälle von staatlichem Versagen, die, so sie denn der Wahrheit entsprachen, tatsächlich haarsträubend waren.
Das alles war zu erwarten. Denn reiche Menschen hatten grundsätzlich Angst vor Menschen, die nicht reich waren - Quercher kannte das von Regina. Sie hatten Angst vor Neid, vor Unverständnis für ihre überbordende Lebensweise, die für sie, eingelullt in ihren Kreisen, doch selbstverständlich war. Kritik von den unteren Schichten war unerwünscht. Man gab jederzeit gerne eine kleine Spende für die Minderprivilegierten, stellte sich auch für einen Fototermin an die Gmunder Tafel, gab mit einem reinen Lächeln Essen aus, doch wirkliche, nachhaltige Nähe galt es zu vermeiden.
Nach der Gerichtsreporterin erhob sich ein Mann, der Quercher fatal an die Figur Graf Zahls aus der Sesamstraße erinnerte. Hager, Hakennase, Mephisto-Frisur.
Quercher kannte ihn. Das war einer der Locher-Brüder. Mehrfache Millionäre, die hier im Tal in den vergangenen Jahren kräftig ihr Geld in Beton verwandelt hatten, zum Vorteil des eigenen Egos, zum Nachteil des Tals, wie viele Einheimische fanden, die aber dennoch ihre Grundstücke zum Verkauf gestellt hatten.
»Wir haben einen einst gefeierten Journalisten in unseren Reihen. Einer, der sich, kaum hatte er dem linksliberalen Mainstream den Rücken zugekehrt, neuen Ideen zuwandte, von den einst treuen >Freunden< verspottet und letztlich mit einem Quasiberufsverbot belegt wurde. Matthias Miszschick!«
Alle hatten begeistert applaudiert, auch Regina, als ein älterer Mann ohne Hals, aber mit Brille den Raum betrat, sich an den Sesseln und Stühlen vorbeischlängelte, am Ende der Tafel positionierte und seine Ideen aus dem Stegreif vorbrachte. Leise und eindringlich, was das Publikum auf eine beunruhigende Weise unmittelbar mitzureißen schien, begann er seine Rede.
»Ein führender EU-Politiker wie Peter Sutherland träumt von der Abschaffung der Nationalstaaten. Für eine Bundeskanzlerin sind Deutsche bereits nur jene, >die schon länger hier wohnen<. Das Volk, von dem >Schaden abzuwenden< sie geschworen hat, ist also nur ein vorüberziehender Nomadenstamm und die Flüchtlingskrise ein Streit um Weideplätze.«
Alle lachten, Quercher hatte auf seinen Teller gesehen und verstohlen nach seinem Telefon gesucht.
»Ein EU-Papier bezeichnet >Flüchtlinge< als >Neuansiedler<. Warum wohl?« Er trank einen Schluck aus seinem Weißweinglas, ehe er fortfuhr.
Quercher hatte Regina, die ihm gegenübersaß, eine WhatsApp geschrieben. Hast du deinen Ariernachweis dabei?
»Führende Vertreter der Kirchen in Deutschland haben auf Bitten ihrer muslimischen Gastgeber bei einem Besuch auf dem Tempelberg das Kreuz von der Brust...
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