Schweitzer Fachinformationen
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»Du hast Gurke und Grünkohl zu einem Smoothie geschreddert?«, fragte Max Quercher ungläubig.
»Das ist gesund«, antwortete Regina aus der Küche.
»Ja, aber auch eklig.«
»Du salzt dich am Morgen auch nicht ab. Dann müssen wir das eben mit einem grünen Smoothie wieder wettmachen.«
Regina von Valepp lächelte. Aber es war alles andere als ein liebenswürdiges Lächeln. Für Max Quercher waren gemeinsame Frühstücke mit seiner Freundin eine Herausforderung, sowohl kulinarisch wie auch zwischenmenschlich. Schliefen sie bei ihm, gab es Kaffee und Semmeln, vielleicht einen Honig aus biologischem Anbau. Anders war es, wenn er bei Madame nächtigte. Dann brach am Morgen mit aller Macht der Wellness-Taliban aus ihr heraus. Sie lebten noch immer in getrennten Häusern. Sie fand, dass er eine Lebenskrise durchmachte, und er fand, dass sie Gesundheit zu einer neuen Religion erhoben hatte. Selbst Lumpi, die Hundedame, blieb auf ihre alten Tage davon nicht verschont. Regina kredenzte ihr biologisch dynamisches Fressen mit »Grünzeug drin«, wie er es leise verächtlich nannte, dessen Preis dem Wochenlohn eines Spargelstechers entsprach.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht trank Quercher die grüne schleimige Brühe. Vor ihm stand noch ein kalorienarmer Quark mit Chia-Samen und glibberigen Goji-Beeren.
Regina setzte sich neben ihn und schlug eine Wirtschaftszeitung auf. »Ist gut für die Verdauung. Im Alter fällt das Männern ja schwer. Und es ist gut für die Prostata. Da sind auch viel Proteine drin.«
»Ja, Waterboarding spült ja auch die Gehörgänge gut durch, viel gesünder als Ohrenstäbchen.«
Sie sah über ihre Zeitung hinweg. »Jedenfalls wirst du heute zur Abwechslung keine Blähungen haben. Wir sind übrigens zum Abendessen verabredet.«
»Ich hatte dir einen Termin geschickt, den hast du angenommen.«
»Sind das diese seltsamen Kästchen auf dem Computerbildschirm, rechts oben?«
»Ja, willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wir essen bei Isolde von Scheven.«
Quercher verdrehte die Augen. Er wusste, was auf ihn zukam. Von Scheven war überzeugte Tierfreundin und Vegetarierin. Das hieß: Monologe über geschundene Tiere und dazu fades Gemüse, meist völlig zerkocht. Das Problem mit dem Adel war, fand Quercher, dass zu lange andere für ihn gekocht hatten. Die eigenen Hände zu gebrauchen, war noch nicht lange Standard in diesen Kreisen. Aber das behielt er für sich. Denn seine erprobte Devise war: Maximal eine Front pro Tag mit der Blaublutfreundin - alles andere grenzte an Selbstmord. Mehrfrontenkriege mit der Geliebten endeten in schlimmen Niederlagen beziehungsweise Friedensvorschlägen seinerseits. Er konnte nicht ansatzweise so stur wie Regina sein.
»Isolde hat erst ihre Sitzung mit dem Vorstand der Schutzkommission. Danach essen wir nur einen kleinen Happen und du leihst deinen kompetenten Verstand ihrem Sohn. Sei so lieb. Ich habe es ihr versprochen.«
Quercher verdrehte genervt die Augen. »Geht es etwa immer noch um das RAF-Attentat? Mein Gott, was soll ich denn dazu beitragen? Das ist doch schon vom LKA, vom BKA und von was weiß ich wem ausführlich auseinandergenommen worden.«
»Was weißt du denn sonst noch darüber?«, fragte Regina.
»Na ja, ich war damals ja noch gar nicht bei der Polizei und kenne die Geschichte eigentlich nur von Ferdi, der war zu der Zeit schon beim LKA . oder war es der Verfassungsschutz? Egal. Ich war jedenfalls sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Die von Schevens haben seinerzeit noch in der Villa in Finsterwald gewohnt, nicht wie jetzt im Tal. Er gehörte zu den sogenannten gefährdeten Personen, weil er in der Atomindustrie irgendwie ein hohes Tier war. Solche Leute hat die Rote Armee Fraktion ständig im Visier.
An besagtem Morgen wurde er wie immer von seinem Fahrer abgeholt. Beim Einsteigen hat ihn jemand angesprochen und daraufhin erst ihn und dann den Fahrer abgeknallt. Die Sache ist nie aufgeklärt worden. Die Täter haben jedoch aus irgendeinem Grund von Schevens Aktentasche mitgenommen. Das war dann im Nachgang des ganzen Dramas das große Mysterium. Aber ich habe mich nie intensiver mit dem Fall auseinandergesetzt, die RAF, die man für die Drahtzieher hielt, war nie meine Baustelle. Linke Volltrottel mit Hang zum Größenwahn. Da gefielen mir die Araber einfach besser.«
»Der junge von Scheven hat neue Indizien, schau sie dir doch einmal an.«
»Und wo besprechen wir das?«, ätzte Quercher. »Im Bernsteinzimmer? Das hat er bestimmt auch gefunden.«
Regina musste leider lachen, ließ jedoch nicht locker. »Du musst ihrem Sohn wenigstens zuhören. Ich bitte dich darum.«
»Regina, die letzten Attentate wurden nie aufgeklärt. An der Stelle haben wir von der Staatsmacht uns nicht mit Ruhm bekleckert. Aber mittlerweile hat jeder drittklassige Journalist seine eigene Theorie zu dem gesamten RAF-Komplex. Was soll ich denn da bitte machen? Etwa meinen Exkollegen nachspüren?«
»Er hat Beweise und du kannst sie dir anschauen. Wenn dein Expertenauge das beurteilt hat, sind alle beruhigt.«
Er erhob sich stöhnend, ignorierte Reginas prüfenden Blick. Der Morgen, das war für Quercher längst das Stalingrad des Alters. Das lag sicher nicht nur an Reginas Gesundheitskreuzzügen. Auch er selbst war nicht unschuldig. Seit seiner Frühpensionierung beim LKA hatte er Verschiedenes ausprobiert: einen Job bei einer Sicherheitsberatung für eine der zahlreichen Firmen seiner Freundin bis hin zu gelegentlichem Arbeiten in der Schreinerei seines Freundes Lercher, die wenige Meter von seinem Haus entfernt lag. Der Holzkauz und sein Kollege Hans hatten ihn mit viel Geduld über Hilfsarbeiten zu einem anständigen Mitarbeiter für das Grobe herangezogen. Inzwischen durfte er alles machen, nur von der Kreissäge musste er sich fernhalten. Das war insofern natürlich ein Witz, als dass ausgerechnet Lercher, der Meister, im letzten Jahr mit seiner linken Hand in das Sägeblatt gekommen war und wochenlang krankgeschrieben war.
Mit diesen Tätigkeiten hatte Quercher den Winter überstanden. Aber letztendlich war das alles keine langfristige Lösung. Er war Ermittler, etwas anderes konnte er nicht.
Zudem war er wegen seines Hauses auf Salina unvorhergesehen in Schwierigkeiten geraten. Der italienische Staat hatte Quercher von einem Tag auf den anderen mit irrwitzigen Steuerforderungen konfrontiert, denen er nicht nachkommen konnte. Deswegen hatte er das Haus in einer Nacht-und-Nebel-Aktion unter Wert verkaufen müssen, saß aber immer noch auf einem Haufen Schulden. Er redete nicht darüber. Aber Regina wusste über Ferdi Pollinger, Querchers ehemaligen Chef und heutigen Freund und Nachbarn, davon. Sie wollte Quercher helfen, doch er ließ es nicht zu. Er konnte zwar auf die Ersparnisse und die Bezüge aus der Frühpensionierung zurückgreifen, aber das reichte bei Weitem nicht aus für seinen Lebensabend. »Es sei denn, er fällt in zwei Jahren tot um«, wie Ferdi mitleidslos konstatiert hatte. Doch Querchers Arbeit in der Schreinerei warf so gut wie nichts ab.
Regina hatte die >Midlife-Crisis-Praktika< ihres Lebensgefährten mit Argwohn betrachtet, sich aber eines Kommentars enthalten. Männern, die an Erkältung litten und in Selbstmitleid badeten, ließ man besser etwas Zeit, um vor sich hinzubrüten. Das totgeschwiegene Geldproblem aber hing trotzdem permanent wie eine dunkle Wolke über ihm. Das schien für Außenstehende wie ein Jammern auf hohem Niveau wirken, aber Querchers Verständnis von Stolz und Würde war so flexibel wie der Stamm einer Eiche.
Ihre Beziehung erinnerte überhaupt an das Auf und Ab des byzantinischen Weltreichs, fand Pollinger. Der musste heute von Quercher nach München zu einer Regeluntersuchung im Krankenhaus rechts der Isar gefahren werden. Vor Jahren hatte man ihm dort die Hälfte seines Magens entfernt. Seitdem war der Krebs in Remission. Ferdi Pollinger war felsenfest überzeugt davon, dass das an den geheimnisvollen Kräften des Heilwassers der Quellen in Wildbad Kreuth lag, das er nicht weit von hier, am südlichsten Zipfel des Tals, bezog und tagtäglich mit Eifer trank.
»Der Ferdi ist sicher aufgeregt wegen des Termins. Du musst heute lieb zu ihm sein«, ermahnte ihn Regina, das Gesicht immer noch hinter der Zeitung versteckt.
Quercher sah hinaus in den Regen, dachte an die bevorstehende Fahrt mit Pollinger nach München, das Warten in den Fluren des Krankenhauses und wünschte sich in diesem Moment so etwas wie Nähe, wenn er schon seinen alten Freund auf diesem Trip begleiten musste. Mit einem Satz rutschte er über den Tisch, schubste den Quark beiseite, stieß die Zeitung weg, umgriff Reginas Gesicht und küsste sie.
»Bäh, du schmeckst nach Gurke und Kohl", presste sie angewidert hervor und wollte sich wegdrehen.
Mit einer Hand fasste er hinter sich in die Schüssel mit Quark und schmierte der inzwischen kreischenden Regina die weiße Pampe ins Gesicht, um sie anschließend abzulecken. Lumpi, die bis dahin von ihrem Körbchen aus interessiert zugeschaut hatte, trollte sich, als sich Quercher und Regina auf dem sündteuren Teppich mit allerlei Nahrungsmitteln und Sex vergnügten.
Bei Quercher zumindest schien das zu funktionieren: Weder hörte er, wie Reginas Smartphone auf dem Granit der Küchenarbeitsplatte zu vibrieren begann, noch nahm er wahr, wie sie mit einem kurzen, besorgten Blick Richtung Handy sah.
Pollinger ließ auf sich warten. Quercher hatte wie verabredet pünktlich um elf Uhr vor dem Haus gestanden und gehupt. Der Regen...
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