Schweitzer Fachinformationen
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Im Hauptquartier war es ruhig … ausnahmsweise, verdammt noch mal.
Die Kampfstiefel breitbeinig auf den Boden gepflanzt, den Arm voller Baupläne, verharrte Wick unter dem holzverkleideten Torbogen zwischen der Küche und dem Esszimmer. Mit geschärften Sinnen horchte er angestrengt. Nichts. Kein Gelächter. Keine polternden männlichen Stimmen, keine Pfiffe, kein gutmütiges Frotzeln waren zu hören. Er spähte nach links in den kurzen Gang, der um den steinernen Kamin in das Wohnzimmer führte. Der große Plasmabildschirm war dunkel. Irgendwelches Klackern von Billardkugeln war auch nicht zu vernehmen. So gut wie überhaupt kein Geräusch, nur das leise Knistern der Flammen in dem riesigen Kamin, aus dem der Geruch von brennendem Holz zu ihm drang.
Nichts und niemand.
Spitze. Es war amtlich.
Ruhe war eingekehrt und damit das beruhigende Wissen, dass er jetzt reichlich Zeit für sich allein vor sich hatte. Jedenfalls für die nächsten paar Stunden, innerhalb dieser wunderbaren Ruhephase, wenn der späte Vormittag in den frühen Nachmittag überging.
Danach würde die Hölle losbrechen. Aber bis seine Waffenbrüder aus den Federn krochen und sich bereitmachten für den Tag, hatte er Black Diamond – das Quartier, das er mit den anderen Drachenkriegern teilte – ganz für sich allein. Gott sei Dank. Er brauchte den Frieden und die Stille. Etwas Ruhe und Erholung könnte er auch vertragen, um die radikalen Veränderungen innerhalb des Nightfury-Clans im Verlauf der letzten Monate zu verkraften. Das Hauptquartier war früher ein Rückzugsort gewesen, eine Zuflucht, wenn sie mal wieder eine Nacht gegen die Razorback-Arschlöcher, die er Feinde nannte, gekämpft hatten.
Zu dumm, dass alle guten Dinge ein Ende hatten.
Ein Paradebeispiel gefällig? Die weibliche Invasion.
Himmelherrgott, verdammt noch mal, das war schlicht Wahnsinn hoch zwei. Wer hätte gedacht, dass drei Menschenfrauen eine derartige Unruhe verbreiteten? Oder Männern so leicht den Kopf verdrehten? Er jedenfalls nicht. Andererseits, was zum Teufel wusste er schon? Wick ging Frauen in der Regel weiträumig aus dem Weg. Er wusste nie, was er sagen oder wie er sich verhalten sollte in ihrer Nähe. Und nachdem er den Zirkus beobachtet hatte, den seine Kumpels veranstaltet hatten während der letzten paar Monate, und den man nur IRRSINN nennen konnte, wusste er, dass seine Strategie schlichtweg brillant war.
Weiblichen Wesen aus dem Weg zu gehen – ganz besonders solchen mit hoher Energie – war die bessere Lösung. Eine notwendige Maßnahme, die man auch Selbstschutz im weitesten Sinne nennen konnte … egal. Auf keinen Fall würde er wie seine Brüder enden: eng verbunden und auf bedauernswerte Weise entmündigt, während ihre Partnerinnen sie bewachten und den Ton angaben.
Wick stampfte über den Holzdielenboden zu dem Tisch, der die Mitte des Raums einnahm. Das polierte Mahagoniholz des Tisches glänzte unter dem Kronleuchter aus Kristall. Es war ein hübsches Möbelstück, französisch, achtzehntes Jahrhundert, aus einem eleganten Palais in Paris entwendet. Wie es hier gelandet war, quasi am anderen Ende der Welt, nur zwanzig Minuten von der Innenstadt Seattles entfernt, war kein Geheimnis.
Daimler. Der Numbai, der Mann für alle schwierigen Fälle der Nightfury, hatte einen guten Geschmack, was er regelmäßig unter Beweis stellte.
Was perfekt war. Eine echte Besser-geht’s-nicht-Nummer.
Ohne Daimlers Hilfe wäre Wick nie und nimmer zu seiner Kunstsammlung gekommen, ganz zu schweigen von der Landschaft von Gauguin, die über dem Kaminsims hing. Seine stete Niedergeschlagenheit ließ nach, als er das Gemälde studierte. Wirbelnde Farben. Präzise Linien, die sich verbanden. Kühne Pinselstriche und Ausgewogenheit bestimmten das Bild, vervollständigten das Ganze – Kunst, durchtränkt von Geschichte, einfach rundherum wohltuend.
Beste Erzählkunst, von der Hand eines Meisters.
Wick legte die dicken Rollen auf den Tisch und riss sich von dem Gemälde los. Später. Er würde noch Zeit genug haben, seine Schlafzimmertür zu verschließen und seiner Leidenschaft zu frönen, aber … später. Die gegenwärtige Situation verlangte, dass er handelte und sich nicht in Tagträumen verlor.
Mit einer schnellen Handbewegung zog er das Gummiband von der ersten Rolle ab und breitete die Blaupause auf der polierten Tischplatte aus. Er runzelte die Stirn. Das war die falsche. Zuerst brauchte er den Gebäudegrundriss, keinen Plan der Elektro- und Rohrleitungen. Er griff zum nächsten Plan und wiederholte die Prozedur, breitete jede Rolle aus, bis der Tisch unter dem schweren Papier verschwand und …
Verdammt. Hätte er sich auch gleich denken können. Die letzte Rolle enthielt die Information, die er suchte, nämlich den aktuellen Bauplan. Nicht, dass er diese ganzen Informationen brauchte, um in eine derartige Einrichtung der Menschen einzubrechen – Swedish Medical war ein Krankenhaus wie jedes andere –, aber Gründlichkeit war die beste Vorbereitung, und egal was der Rest der Krieger dachte, Wick war immer vorbereitet.
Er nahm es den Nightfury nicht übel, dass sie ihn dennoch für eine tickende Zeitbombe hielten. Wick wusste, dass seine Fick-dich-Attitüde schuld an dieser Einschätzung war. Wahrscheinlich sollte er mal was dagegen tun … Schritte unternehmen, seinen Ruf aufzupolieren und seinen Waffenbrüdern zu versichern, dass er nicht unter einem Todeswunsch litt. Das Problem? Jemanden vollzulabern war nie sein Ding gewesen. Etwas rücksichtslos, schnell und sauber durchzuziehen schon eher. Die anderen Krieger würden ihm entweder folgen. Oder nicht.
Das lag ganz bei ihnen.
Wick legte die Stirn in Falten angesichts der Zeichnung vor ihm, verfolgte mit seiner Fingerspitze einen der eingezeichneten Krankenhausflure. Mit einem »Hm« blätterte er eine Seite zurück. Das Dach des Gebäudes wurde sichtbar. Versehen mit einem Landeplatz für Rettungshubschrauber, war das Dach die beste Wahl. Auf einer offenen Fläche zu landen wäre nicht nur nützlich, sondern auch bequemer. Je mehr Platz er hatte, um heranzufliegen, zu landen und seine Drachenflügel anzulegen, desto besser. Zu wenig Platz konnte er nun mal nicht leiden. Beengtheit – allein der Gedanke daran – erzeugte ihm eine Gänsehaut, und …
Wick unterdrückte einen Schauder und verdrängte die Erinnerung, stopfte sie in das schwarze Loch in seinem Hinterkopf. Sich zu erinnern war nie eine gute Idee. Die Vergangenheit war Vergangenheit. Es hatte keinen Sinn, sie wieder auszukramen und Dinge aufleben zu lassen, die man am besten ruhen ließ.
Wick konzentrierte sich wieder auf die von Menschen angefertigte Bauzeichnung und plante den Kurs, merkte sich den Grundriss, überlegte, welches der brauchbarste Weg durch die labyrinthischen Korridore des Krankenhauses war. Sein Ziel war die Intensivstation. Oder vielmehr die verletzte Frau, die momentan bewusstlos in der Abteilung für Schwerverletzte lag.
Jamison Jordan Solares.
Wick verzog leicht den Mund. Jamison. Seltsamer Name für eine Frau, aber irgendwie gefiel er ihm.
»Jamison«, murmelte er, sprach ihn Silbe für Silbe aus, prüfte den Klang.
Hmm. Ihr Name hörte sich gut an, kam ihm leicht über die Lippen, flatterte durch die Stille, gab seiner selbstgewählten Einsamkeit etwas Würze. Wick schüttelte den Kopf, aus seiner Freude wurde Selbstironie. Ihr Name spielte keine Rolle. Genauso wenig wie sie, jedenfalls für ihn. Seine Aufgabe beschränkte sich darauf, sie aus der Intensivstation zu entführen, sicher ins Hauptquartier zu schaffen und Mac zu übergeben. Und das alles, um dem neuesten Mitglied des Nightfury-Clans eine Schuld zurückzuzahlen.
Die meisten Männer hätten wohl »vergiss es« gesagt. Hätten sich darüber hinweggesetzt, dass man eine Schuld begleicht.
Er nicht.
Mac hatte Venom das Leben gerettet, einem Mann, den Wick mehr als alle anderen schätzte. Ohne ihn …
Wicks Kehle verengte sich. Mist. Er wollte nicht über was wäre, wenn nachdenken. Venom war sein bester Freund, der einzige Mann, der ihn so, wie er war, akzeptierte, sein Retter in mehr als einer Hinsicht. Und ob es ihm gefiel oder nicht, ein derart großes Geschenk nahm man nicht einfach so hin. Es war für ihn eine Frage der Ehre, zum Dank etwas Gleichwertiges anzubieten, sodass … Keine Frage. Er würde die Schuld begleichen, indem er dem neuesten Mitglied seiner Gruppe auch ein Geschenk machte: Er würde ihm bringen, was die von Mac erwählte Frau sich wünschte und dringender brauchte als alles andere: ihre jüngere Schwester, sicher und gesund zurück im Schoß der Familie.
Das Knifflige daran war, wie er die schwer verletzte Jamison aus dieser Einrichtung der Menschen herausschaffen konnte, ohne dass die Arschlöcher, die sie bewachten, es merkten. Eine Herausforderung. Endlich. Etwas Kompliziertes, was eine solide Planung und einiges an Dreistigkeit erforderte. Wick summte, und seine Vorfreude stieg, als er sein Handgelenk drehte und auf seine MTM-Militär-Armbanduhr sah.
Noch sieben Stunden bis zum Sonnenuntergang.
Sein Mund verzog sich. Scheiße, aber er konnte es wirklich kaum erwarten, dass die Nacht anbrach. Sie aus dem Krankenhaus zu entführen und gleichzeitig einen Haufen ahnungsloser Menschen auszutricksen versprach, ein echter Spaß zu werden.
Venom stand im Esszimmer von Black Diamond und sah seinem besten Freund beim Schlafen zu. Wick hatte sich auf einen Lehnstuhl gefläzt und war über dem Tisch zusammengesunken. Unter...
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