Schweitzer Fachinformationen
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Sie sind mittelmäßige Dichter oder eitle Gynäkologen, die schlechte Bilder malen. Betrüger, Machos, Heuchler, lebendig, impotent oder tot. Ihre Frauen sind vor allem das: ihre Frauen. Gefangen in dysfunktionalen Beziehungen, die oft kein Fegefeuer sind, eher kleinliche laue Höllen. Hinter den Fassaden wird ein erbitterter Kampf um Wahrnehmung und Selbstverwirklichung geführt, ereignen sich bizarre, demütigende Episoden.
Rumena Buzarovska seziert in elf Erzählungen Varianten des Patriarchats und legt mit spöttischer Lakonie und ätzender Scharfsicht allerlei Zwischenmenschliches frei.
Am Morgen stehe ich auf und sehe das Kännchen, in dem er immer sein Wasser gekocht hat. Daneben das Glas mit dem braunen Zucker und die Schachtel mit seinem grünen Tee. Ich mache sie auf, es sind noch drei Beutel drin. Die trinke ich noch, denke ich. Was ich dann mache, weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob ich die Schachtel wegwerfen soll oder sie behalte, weil es ja seine Schachtel mit grünem Tee ist.
Der Tee ist bitter. Ich mag ihn nicht. Ich weiß, man soll ihn ohne Zucker trinken, so hat er ihn getrunken. Wäre alles wie immer, würde ich Zucker hineingeben. Nein, dann würde ich Kaffee trinken, so wie jeden Morgen. Jetzt muss ich den Tee aufbrauchen. Er schmeckt nicht. Aber mir soll auch nichts schmecken. Heiß und bitter passt zu mir.
Gegen Mittag kommt meine Freundin Maria. Ich stehe auf und lasse sie rein, und wenn wir ins Wohnzimmer gehen, setzt sie sich auf meinen Platz. Sie scheint sich nie zu fragen, ob ich da gerade noch gesessen habe. Sie müsste doch die Wärme am Hintern spüren und sich fragen: Moment, hat hier meine Freundin gesessen? Ist das ihr Platz? Aber so ist Maria. Sie fragt sich nie etwas. Sie kommt im schwarzen Minikleid, dünne schwarze Strumpfhosen, Stiefel mit hohen Absätzen, Blazer, rote Bluse, lackierte Nägel, Lippenstift, Wimperntusche, Eyeliner, Glitzer auf den Lidern. Ihre Ohrringe funkeln aufdringlich und schaukeln, sobald sie den Kopf bewegt. Sie war beim Friseur. Sie war bei der Maniküre. Ihr Parfüm ist penetrant, so schwer und bitter, dass mir speiübel wird. Aber mir soll auch speiübel sein, und so rücke ich näher an sie heran.
»Ich habe dir Suppe mitgebracht«, sagt Maria.
»Ich bin nicht krank«, antworte ich. Ich weiß, dass ich grob bin, aber mir ist der Mann gestorben.
»Ich habe sie extra für dich gekocht. Du musst mehr essen.«
Ich sage nichts. Sie hätte sich nicht so aufdonnern müssen für mich. Ich stecke mir eine Zigarette an.
»Du solltest mal lüften«, sagt sie, als wäre es ihre Wohnung. »Es riecht komisch.«
»Du riechst komisch.«
Maria seufzt.
»Ich muss los. Ich komme morgen wieder.«
Es klingt wie eine Drohung.
Ich stelle mich ans Fenster und schaue ihr nach, wie sie auf ihren hohen Absätzen davongeht, ihr Hintern schwingt, ihr Haar weht. Sie kramt mit schlanken Fingern in der Handtasche. Bestimmt hört man das Rappeln von Schlüsseln, Schminksachen, Päckchen mit parfümierten Tüchern und Kaugummis. Sie holt den Autoschlüssel heraus. Die Blinker leuchten auf. Eine Frühlingsbrise fährt ihr ins Haar, bevor sie ins Auto steigt. Junges Laub und zarte Zweige rauschen auf. Als würde ihr alles zurufen: »Ciao Maria!« Sie parkt aus und fährt irgendwohin, wo sie mit ihren weißen Zähnen lachen, wo sie Spaß haben, ihr Leben genießen kann. Die Straße liegt da im Sonnenlicht. Ein junges Paar läuft vorbei. Sie halten sich an den Händen. Sie lachen. Sie küsst ihn auf den Hals. Dann gehen zwei Teenager vorbei. Sie reden laut und lachen auch. Alle sind sie halbnackt. Sie blinzeln in die Sonne. Sie sollten sich schämen, denke ich. Die Welt ist nicht stehengeblieben, dabei ist Sveto, meine Welt, doch unter der Erde am Verwesen. Sein Körper ist kalt, so wie als er im Sarg lag und ich ihn noch einmal berührte. Auf den Sarg drückt nun die Erde. Die Toten werden von den Würmern gefressen. Aber wie kommen die Würmer in den Sarg? Oder entstehen sie von allein aus dem Leichnam? Wie soll das gehen? Vor dem Haus bleibt ein Auto mit lauter Musik stehen. Die Musik ist fröhlich und ekelerregend. Ich trete vom Fenster zurück.
Ich zünde mir eine Zigarette an und starre auf Marias Suppe. Hühnersuppe, als wäre ich krank. Für Sveto habe ich oft Hühnersuppe gemacht. Er mochte sie sehr. Ich habe immer einen riesigen Topf gemacht, und er hat zweimal täglich drei Teller gegessen, mittags und abends. Manchmal bekam er dann Bauchschmerzen von so viel Suppe. Du machst die beste Suppe der Welt, hat er immer gesagt. Und dann bat D. mich einmal, ihm etwas zu essen mitzubringen. Sveto war auf der Arbeit. Ich füllte etwas von Svetos Suppe ab und brachte sie D. Dann machten wir das, was wir immer machten. Zu Hause sah ich, dass er mir geschrieben hatte. Dass die Suppe superlecker war. Dass ich nächstes Mal mehr mitbringen soll, er sei ein Mann mit großem Appetit. Eine Woche verging und ich kochte wieder Suppe für Sveto. Diesmal machte ich gleich mehr, und die Hälfte füllte ich für D. ab, in zwei Einmachgläser. Abends schrieb er mir: Du hast wieder zu wenig Suppe mitgebracht. Bring das nächste Mal einen ganzen Topf, schrieb er. Das schrieb er mir dann jede Woche. Und so machte ich einmal einen großen Topf Suppe, als Sveto auf der Arbeit war, und füllte vier Einmachgläser ab. Im Topf blieb nur ein kleiner Rest zurück. Als ich am Abend nach Hause kam, wartete Sveto im Wohnzimmer auf mich. »Meine Liebe, so wird das nichts mit uns«, sagte er. »Warum hast du mir so wenig Suppe gekocht?«
Meine Mutter ruft an. Ich weiß, dass sie vorbeikommen will, um mich mit ihrem Blödsinn zu drangsalieren. Jedes Mal, wenn sie kommt, versucht sie mich aufzuheitern, meine Gedanken von dem, was mir zugestoßen ist, abzulenken. Also redet sie irgendetwas über ihre Freundinnen, über die Kinder meines Bruders, manchmal sogar über Politik. Es macht mich wahnsinnig. Trotzdem gehe ich ans Telefon und sage, dass sie kommen kann. Vielleicht begreift sie irgendwann, dass ich weder sie noch sonst irgendjemanden sehen möchte.
Sie kommt am frühen Abend. Ich erkenne sie an ihren Schritten. Sie marschiert wie ein Soldat. Ihre Schritte könnten einen aus dem tiefsten Schlaf erwecken, aus dem Tod allerdings nicht. Sogar auf der Beerdigung ist sie so marschiert. Nicht einmal da hatte sie ein Gespür dafür, wie man sich benehmen sollte. Sie klingelt ein paarmal an der Tür, immer kurz, abgehackt und aufdringlich. Ich beschließe, noch etwas auf der Couch herumzutrödeln, um sie vor der Tür warten zu lassen. Vielleicht begreift sie auf diese Weise, dass ich nicht besonders erpicht bin auf ihren Besuch. Sie fängt wieder an zu klingeln, und damit sie mir nicht länger auf die Nerven geht, stehe ich auf und öffne ihr.
»Hier stinkt es nach Zigaretten«, sagt sie, kaum dass sie eingetreten ist, und reißt Fenster und Balkontür auf.
»Lass das«, sage ich, obwohl ich weiß, dass es sinnlos ist. Immer wenn sie kommt, benimmt sie sich, als wäre sie hier zu Hause, räumt um und putzt und öffnet Türen und Fenster.
»Du musst weniger rauchen«, sagt sie, nachdem sie alles aufgerissen hat, und wendet sich mir zu. In die Wohnung ergießt sich jetzt das Licht der untergehenden Sonne. Lindenduft strömt herein. Und die Natur lebt einfach weiter, denke ich wütend, obwohl Sveto im Grab liegt.
»Gar nichts muss ich«, sage ich und zünde mir eine neue Zigarette an.
Sie setzt sich neben mich und seufzt.
Dann fängt sie an, mir von ihrer Freundin Mira zu erzählen. Wie ihr Chef sie behandelt hat. Wie er ihr nicht einmal für die Hochzeit ihres Sohnes einen freien Tag geben wollte, und als er ihn ihr endlich doch gab, wollte er es nicht als Urlaub zählen oder so. Ich höre ihr nicht zu, wie immer. Ich beobachte ihren Mund. Jahrelang hat sie geraucht, und von dem ständigen Saugen an den Zigaretten hat sie Falten bekommen. Die sind vor allem an der Oberlippe sichtbar, wenn sie sie schürzt, um die Laute »o« und »u« auszusprechen. Der orangefarbene Lippenstift, der ihr nicht steht und ihren gelblichen Teint verstärkt, ist ihr in die Falten gelaufen. Wenn sie den Mund weiter aufmacht, um die Laute »a« und »e« auszusprechen, sehe ich ihre ältliche Zunge, den weißen Belag, als ob sie krank wäre. Eigentlich müsste ihr Mund stinken. Ich sehe, dass ihr am Oberkiefer ein Stück vom Dreier abgebrochen ist. Die anderen Zähne sind gelb verfärbt und die mit Kronen sind dunkel geworden. Das Zahnfleisch zieht sich langsam zurück. Es sieht alt und krank aus.
»Du musst mal zum Zahnarzt«, unterbreche ich sie.
Meine Mutter starrt auf ihre im Schoß gefalteten Hände, die mit Altersflecken gesprenkelt sind. Sie sagt nichts.
»Und kauf dir mal neuen Lippenstift, einen besseren. Der hier läuft dir in die Falten. Weißt du eigentlich, wie dein Mund aussieht?«, sage ich. Ich weiß, dass ich grausam bin, aber es ist mir egal, dass sie mich zur Welt...
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