Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
1
George Clooney stand am Himmelstor und verhandelte mit Petrus über seine Rückkehr aus dem Tod ins Leben. Als Petrus, verkörpert von John Malkovich, die Kaffeemaschine sah, die Clooney unter dem Arm trug, war der Deal perfekt. Der Womanizer vom Dienst durfte zurück auf die Erde und blieb der Menschheit noch eine Weile erhalten.
Worüber sich deren weibliche Hälfte wahrscheinlich am meisten freute.
Mir war es wurscht.
Lässig griff ich nach der handlichen Fernbedienung und zappte mich weiter durch die geschätzten tausend Programme, die Manni über seinen sauteuren Digitalreceiver empfing – einschließlich einiger Pay-TV-Sender, deren Themenschwerpunkte ein ganz neues Licht auf seine Interessen warfen: Ein History-Kanal war dabei, der rund um die Uhr irgendwelche Soldaten zeigte, die in Schwarz-Weiß über Schlachtfelder rannten. Ein Disney-Kanal, wo ich all die alten Entenhausener wiedertraf, die mich in meiner Jugend erfreut hatten: Massenhaft Variationen über das Thema »Donald und die Backenhörnchen« oder »Donald und die Ameisen«. Und schließlich das Gebiet, das am besten zu Manni passte: gleich drei Erotik-Kanäle, zum Teil mit Klassikern aus den Siebzigern wie »Deep Throat« sowie einer Menge Streifen mit Stars wie John Holmes und Desiree Cousteau.
Manni bewies Geschmack. Immerhin konnte man da noch richtige Frauen sehen, ohne Plastikimplantat und aufgespritzte Lippen. Keine bis zur totalen Sterilität ausgeleuchteten Rammeleien, sondern frivoles Treiben in vielen Spielarten, und das sogar mit Ansätzen von Filmhandlung. Eingebettet in ein Ambiente aus Flokatiteppichen und lila Blumentapeten im Pop-Art-Stil.
Mannis Haus hatte noch viel mehr zu bieten als einen Flachbildfernseher von der Größe einer Plakatwand. Es gab einen Computer, an dem man durch Webseiten so schnell blätterte wie durch die Illustrierte beim Zahnarzt. Eine Bar mit allem Schnick und Schnack für die Herstellung raffinierter Cocktails. Eine Einbauküche, die immerhin gut aussah, von der ich aber nur besagte Kaffeemaschine und die Mikrowelle benutzte – Letztere vor allem, um mir Tiefkühlpizzen aufzutauen. Im Gefrierschrank hatte ich Unmengen davon gehortet.
Draußen erwartete mich ein Garten mit parkähnlicher Rasenfläche, drinnen, am Ende der Wendeltreppe, die vom Wohnzimmer in den ersten Stock hinaufführte, ein Gästezimmer, das ungefähr halb so groß war wie meine ganze Wuppertaler Wohnung.
Was mich betraf, hätte ich in diesem Moment an keinem anderen Ort der Welt sein wollen. Ich war im Paradies, und ich hatte nichts anderes zu tun, als darauf aufzupassen, dass es niemand klaute.
Seit drei Tagen war ich Haushüter statt Detektiv.
Manni, durch irgendein undurchsichtiges geschäftliches Manöver zu Geld gekommen, kajolte irgendwo auf den Malediven herum und hatte fest vor, frühestens in drei Wochen zurückzukommen.
Einundzwanzig Tage. Tausend Sender. Ich rechnete kurz und kam auf knapp fünfzig Sender am Tag. Bei zehn Stunden Fernsehen machte das fünf pro Stunde. Ich brach die Kalkulation ab. Schließlich sollte es ja nicht in Arbeit ausarten.
Ich übersprang ein paar Telefonsexkanäle, streifte Astro-TV, wo eine dicke Dame Karten legte, und verweilte ein wenig bei einer Wiederholung der ZDF-Hitparade, wo ein Schönling mit Plüschfrisur, blauem Samtjackett und einem riesigen Fliegenpropeller an der Gurgel gerade seinen Auftritt hatte. Das Mikro, das er sich vor die Lippen hielt, war ebenfalls von gewaltiger Größe. Ein graues Kabel entsprang ihm. Der Sänger hatte es dekorativ zu einem Kreis geschlungen.
Freddy Breck. Das musste mindestens fünfunddreißig Jahre her sein …
Bei Marianne Rosenberg, Katja Ebstein oder Vicky Leandros hätte ich ja eine Weile zugehört, aber jetzt drückte ich auf »Mute«, und in dem Moment der Stille, in dem der Star der Schlagercharts der Siebziger stumm weitersang, hörte ich, wie sich von der Hauptstraße her ein Fahrzeug näherte.
Mannis Haus stand etwas abseits der schnurgeraden Straße zwischen Mettmann und Wülfrath. Rundherum blickte man weit über Felder und sanfte Höhen, darüber spannte sich der blaue Himmel. Jedenfalls tagsüber, wenn die Sonne schien. Jetzt zeigte die Digitalangabe am Receiver dreiundzwanzig Uhr sechsunddreißig.
Ich ging hinüber in die Küche, deren Fenster zur Auffahrt hinausging. Ein Blick genügte, und ich erkannte, dass zwei Scheinwerfer herankamen.
Das Sträßchen stieß schnurgerade etwa zweihundert Meter von der Landstraße auf das Haus zu. Es war von Büschen gesäumt und endete auf einem kleinen Vorplatz mit weißem Kies direkt vor der Haustür.
Durch das geschlossene Fenster war der Motor des Wagens zu hören – und die Reifen, die auf den Steinen knirschten.
Das Auto kam zum Stehen, aber niemand stieg aus.
Wer konnte das sein?
Manni hatte mir ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass niemand wusste, dass er hier wohnte.
Auch ich hatte meinen Aufenthaltsort geheim gehalten. Der Anrufbeantworter in meinem Büro erklärte jedem, der meine Nummer wählte, dass ich für drei Wochen nicht zu erreichen sei. Ich hatte im Moment keine Aufträge nötig. Manni ließ mich in seinem Haus wohnen und zahlte mir zusätzlich einen Hunni täglich. Ich sollte nur verhindern, dass jemand einbrach.
Ob genau das jetzt geschehen würde?
Ohne Licht zu machen, huschte ich ins Gästezimmer. Dort hatte ich im Wäschefach des Schranks meine Neun-Millimeter-Beretta deponiert. Ich tastete mich an der glatten Oberfläche des Fünf-Meter-Ungetüms entlang, zog die Waffe aus dem Fach und steckte sie ein. Dann machte ich mich auf den Weg zum Keller. Als ich an der Diele vorbeikam, nahm ich den Schlüssel der Außentür mit, der hier griffbereit an einem Haken hing.
Ich streckte die Hand zum Lichtschalter aus und zögerte. Es war besser, alles dunkel zu lassen. Vorsichtig tastete ich mich an den Wänden entlang.
Manni hatte mich, als ich den Job antrat, natürlich herumgeführt. Meiner Erinnerung nach war es hier ziemlich aufgeräumt. Ein einziger Raum war verschlossen. Manni hatte mir erklärt, dass dort die Dinge drin waren, die mich nichts angingen.
Es hatte mir einen kleinen Stich versetzt, als er das gesagt hatte; schließlich hielt ich mich für einen Menschen, zu dem man Vertrauen haben konnte. Letztlich war es mir aber egal. Mir war klar, dass Manni es nur mit irgendwelchen krummen Dingern geschafft haben konnte, an das Geld für dieses Haus und seine Reisen zu kommen. Vor drei Jahren war er noch ein armer Schlucker gewesen, der kleine Handreichungen bei meinen Ermittlungen leistete und dafür hin und wieder mal einen Schein zugesteckt bekam. Dann hatte er als Computerfachmann gearbeitet, aber ziemlich schnell entdeckt, dass man mit schwarz heruntergeladener Musik und anderen Dingen ganz gut verdienen konnte.
Wahrscheinlich befanden sich hinter der Tür die Festplatten mit dem digitalen Diebesgut. Oder irgendwelche Server, auf denen das Zeug lag.
Während ich weiter vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte und mir sehnlichst wünschte, endlich die Außentür zu erreichen, lauschte ich angestrengt in die Dunkelheit.
Schritte. Draußen auf dem Kies.
Etwas Helles erschien. An den Kellerfenstern wanderte der Kegel einer Taschenlampe entlang. Mein Herz klopfte bis zum Hals.
Ob ich die Polizei rufen sollte? Aber noch war ja nichts geschehen. Erst mal das Auto checken. Und die ganze Sache von draußen beobachten. Dann die 110 wählen und die Einbrecher, wenn es welche waren, in Ruhe draußen erwarten.
Endlich erreichte ich die Außentür. Einige lange Sekunden wartete ich in völliger Reglosigkeit. Es kam mir vor, als entfernten sich die Schritte. Und so wagte ich es, die Tür zu öffnen.
Sie führte in den Garten hinter dem Haus. Jetzt war er nichts als eine riesige dunkle Fläche, über die der nächtliche Wind strich. Der Himmel war von Sternen übersät, und ich roch den typischen sommerlichen Duft des Bergischen Landes: eine Mischung aus Erde, gemähtem Gras und einer kleinen Note Landwirtschaft.
Ein paar Stufen führten hinauf zu dem weitläufigen Rasen. Zweitausend Quadratmeter, hatte Manni gesagt. Ich hatte nur geantwortet, dass hier unbedingt ein Swimmingpool hinmüsste. Manni hatte genickt und erklärt, das sei alles in Planung. Dafür müsste ich mich noch ein bisschen gedulden. Nächstes Jahr vielleicht.
Aus seinen Worten hatte ich herausgehört, dass er mich dann wieder zum Haushüten engagieren würde. Keine schlechte Aussicht.
Voraussetzung war, dass ich die Sache nicht vermasselte.
Und prompt fiel mir ein, dass ich einen Fehler gemacht hatte.
Erstens: Ich hatte die Taschenlampe vergessen und würde weiter hier im Dunkeln herumstolpern müssen. Wenn ich auf den Einbrecher stieß, würde ich ihm keinen blendenden Lichtkegel ins Gesicht schicken können.
Zweitens: Ich hatte nach meinem Aufbruch in den Garten die Außentür nicht verschlossen.
Wenn ich jetzt ums Haus ging, und der Einbrecher kam aus der anderen Richtung, konnte er die Gelegenheit nutzen und einfach hineingehen.
Ich schlich zurück. Kaum hatte ich die Kellertür erreicht und den Schlüssel aus der Hosentasche genommen, näherten sich wieder die Schritte.
Es war besser, aufs Ganze zu gehen. Noch mal die Stufen vom Keller hinauf, so leise wie möglich. Da sah ich das Licht der Taschenlampe. Der Kerl hatte sie vor sich auf den Boden gerichtet, wahrscheinlich, um nicht über irgendwas zu stolpern. Der Nebeneffekt war, dass er mich nicht bemerkte.
Ohne zu zögern, rannte...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.