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Kapitel 1
Es gab so einiges, das Ryder Brooks an Seconds to Juliet hasste.
1. Er durfte nicht seine eigene Musik spielen.
2. Die Musik, die er machen durfte, war übersteuerter, widerlich süßer Teenie-Pop.
3. Den anderen Jungs in der Band schien das alles vollkommen egal zu sein.
Aber das absolut Allerschlimmste waren die Pressekonferenzen.
Im Tourbus - den sie stolz The One nannten, nach ihrer ersten Hit-Single, die er geschrieben hatte - war es einfach, sich die Kopfhörer aufzusetzen und Coldplay oder Nirvana aufzudrehen, um die Jungs zu übertönen. Sich vor Shows in seiner Garderobe zu verstecken, war ebenfalls einfach. Auch mit heißen Groupies abzuhängen und sich nach den Shows mit ihnen zu vergnügen, war leicht. Aber bei Pressekonferenzen musste er präsent sein, musste mitmachen, mit hechelnder Zunge, wie ein Schoßhund.
Er musste sich benehmen, als wäre Seconds to Juliet das Blut, das durch seine Adern strömte. Als würde er die Band atmen und sogar pissen. Scheiße durfte er ja nicht sagen.
Sie waren zwei Wochen zuvor zu ihrer ersten großen Hallen-Tournee aufgebrochen, und Ryder begriff allmählich: Größere Konzerte bedeuteten auch mehr Publicity-Scheiß - Publicity-Mist.
»Ryder«, rief eine junge Journalistin mit blondem Pferdeschwanz, die von einem dieser Online-Teenie-Gossip-Kanäle kam. »Erzähl uns, warum du Kiss This geschrieben hast.«
Sie hatte ein süßes Lächeln und einen netten Körper, aber das lenkte ihn nicht davon ab, dass bei jeder Pressekonferenz mindestens ein Journalist genau diese Frage stellte.
Hatten die denn noch nie was von Google gehört?
Natürlich durfte er auch keine ehrliche Antwort geben: Weil jeder, der hinter dieser Sucht-den-Superstar-generierten-Band-von-einer-Geldmaschine steckt, hinter diesem Affront gegen jeden guten Musikgeschmack, hinter diesem Promi-Fake, mir buchstäblich meinen schneeweißen Arsch küsst. Er durfte wahrscheinlich auch nicht Arsch sagen. Und heute schon gar nicht.
Er blickte von der Bühne hinunter auf Lester »LJ« Pearl - Manager, Zuchtmeister, Aufseher. Seinen Bierbauch hinter einer Aktenmappe versteckt, den kahlen Kopf mit einer S2J-Baseballkappe getarnt, verfolgte er das Interview wie immer wachsam, damit Ryder auch ja den Jungen spielte, den seine Fans haben wollten.
Ryder wusste, was sein Blick bedeutete: Sei der Ryder, mit dem ich Geld machen kann.
Bedauerlicherweise hatte LJ an diesem Tag etwas, das Ryder wirklich haben wollte, sodass der Anreiz diesmal größer war, die Rolle gut zu spielen.
Ryder räusperte sich und schluckte. Sein dunkelblondes Haar fiel ihm über die Augen, als er sich über das Mikro beugte. Seine Oberarme spannten sich unter den Ärmeln des weißen T-Shirts und ließen sein Tattoo hervorblitzen, ein Tribal, das seinen Bizeps umschloss. »Es soll jemandem sagen: >Geh weg, das hier ist mein Leben<. Jemandem, der einen .« Er hielt inne. Selbst in seiner Rolle als »Bad Boy« konnte er nicht beschissen sagen. Die Moms der Fangirls unter dreizehn kauften keine Alben und Poster und verdammten Action-Figuren von Typen, die beschissen sagten oder Kacke oder Arsch oder irgendeins der anderen Wörter, die er den ganzen Tag lang sagen wollte. »Jemandem, der einen gelinkt hat«, beendete er seinen Satz schließlich und bedachte den blonden Pferdeschwanz mit dem Lächeln, das alle Mädchen verrückt machte.
Er war sicher, LJ vor Erleichterung seufzen zu hören.
Die anderen Jungs in der Band nickten. Ryder glaubte, dass er ihnen Angst machte, oder zumindest wollte er das gern glauben. Das wäre besser als die mögliche Alternative. Dass sie ihn duldeten wie einen Bruder, den man eigentlich nicht besonders mochte. Dass sie fanden, auf ihn passten eigentlich so ziemlich alle Ausdrücke, die sie nie laut aussprechen durften.
Er kämpfte gegen das Gefühl an, dass sein Magen sich umdrehte. Was scherte es ihn überhaupt, was diese Typen dachten? Er war schließlich nicht freiwillig mit ihnen in einer Band. Sie waren während der Realityshow Rockstars Live zusammengewürfelt worden. Er hatte vorgespielt, in der Hoffnung auf eine Solokarriere, auf eine Chance, seine alkoholabhängige Mutter endgültig hinter sich zu lassen.
Aber das war eine ganz andere Geschichte.
Der blonde Pferdeschwanz quiekte, obwohl Ryder dieselbe Antwort schon x-mal gegeben hatte. Wie immer würde das iPhone der Reporterin seine Worte aufzeichnen und sie dann über seine Fans ausgießen, die sie auswendig lernten wie ein Gebet, das sie vor dem Schlafengehen aufsagen mussten.
»Sie können das abspielen, wann immer Sie wollen, wenn Sie« - er hielt inne - »eine Inspiration brauchen«, ergänzte Ryder mit heiserer Stimme.
Von der anderen Seite des langen Tisches aus bemerkte Ryder, dass Miles die Augen verdrehte, aber so, dass nur sein bester Freund Trevin es sehen konnte. Miles war talentiert, aber er trug für seine Fans viel zu dick auf. Ryder nahm an, dass es Sinn machte, immerhin war Miles derjenige, den alle Mädchen wollten. Und LJ erwartete, dass alle anderen in der Band es genauso machten wie er.
Ryder war anormal, der Außenseiter.
Die Reporterin wandte sich an Miles und fragte ihn, wie er es schaffe, in so großartiger Form zu bleiben. Ryder warf wieder einen verstohlenen Blick in seine Richtung. Miles strahlte eine derartige Zufriedenheit aus, dass Ryder fast schlecht wurde. Miles wirkte immer glücklich, aber seit er verliebt war, benahm er sich, als wäre er auf Drogen.
Auch das hielt Ryder für eine riesige Täuschung - Liebe.
»Wer ist jetzt dran?«, fragte Trevin, lehnte sich zurück und beäugte die hungrige Menge.
Trevin war ein ganz anständiger Typ. Mit seinen achtzehn Jahren schien er zu verstehen, was für ein Zirkus das alles war. Der große, dunkle Koreaner war der Liebling der älteren Mädchen. Von den meisten hielt er sich jedoch fern, sodass Ryder die Auswahl unter den Fangirls von Miles und Trevin hatte.
»Erzählt mehr über die Welttournee«, brüllte eine andere junge Journalistin, während die Blitzlichter der Kameras aufleuchteten.
Die Welttournee.
LJ Pearl redete über nichts anderes mehr. Wir haben Amerika erobert und jetzt erobern wir die Welt. Ryder wollte definitiv die Welt erobern, aber mit seiner eigenen Musik. Nicht mit der Musik, die er für S2J schreiben und spielen musste.
Nicht, dass er eine Wahl gehabt hätte.
»Drei Monate, dreißig Länder, in Australien endet die Tour«, sagte Trevin.
Die Journalistin runzelte leicht die Stirn. Trevins Reife konnte ihn manchmal etwas hölzern wirken lassen. Ryder dachte darüber nach, ihn zu retten, aber er hatte bereits eine Frage beantwortet, genau wie Miles. Jetzt war einer der anderen Jungs an der Reihe.
»Ich freue mich am meisten auf Japan«, plapperte Nathan los, ließ sein Babyface-Lächeln aufblitzen und hielt inne, damit die Kameras seine großen braunen Augen möglichst gut einfangen konnten. »Mangas mag ich am liebsten.«
Nathan war gerade sechzehn geworden - er sollte wahrscheinlich nach neun Uhr abends nicht mehr draußen sein, geschweige denn mit einer Band auf Tour gehen.
»Was ist mit dir, Will?«, rief eine andere Journalistin.
»Ich bin aufgeregt«, antwortete dieser, den Blick auf seine Hände geheftet, die er im Schoß gefaltet hatte.
Wow, ganze drei Wörter. Das war mehr, als die Leute sonst aus ihm herausbekamen.
Ryder fragte sich, warum LJ Will nicht so nervte wie ihn. Vielleicht, weil Wills zusammengepresste Lippen und die gesenkten Lider seine Rolle als »der Schüchterne« noch unterstrichen.
Aber warum musste dann Ryder überhaupt so tun, als wäre ihm das alles so wichtig? Er war der Bad Boy, da musste er doch wohl der Rebell sein?
Ja, hörte er LJs Stimme in seinem Kopf, aber ein mitfühlender Rebell. LJ predigte ihm immer, dass seine arrogante Haltung es den Fans schwer mache, sich mit ihm zu identifizieren.
Warum sollten seine Fans auch anders sein als alle anderen?
Aber so war es eben. Das war das Blatt, das ihm das Schicksal ausgeteilt hatte. Er war in einer verfluchten Boyband. Einer sehr erfolgreichen Boyband. Einer, die mit Nummer-eins-Hits die Charts stürmte, deren Konzerte ausverkauft waren und deren Bilder die Cover aller Zeitschriften zierten.
Er hatte gedacht, er könne den Zirkus eine Zeit lang aushalten, aber je länger er dabei war, desto mehr erwartete man von ihm, dass es ihm tatsächlich gefiel, und die Jungs verließen sich immer stärker auf ihn. Und nachdem er sein Leben lang im Stich gelassen worden war, wollte er das umso weniger jemand anderem antun.
Ryder sah zu LJ hinüber. Er hatte irgendwann doch um Hilfe gebeten, und LJ hatte sich reingehängt, indem er ihm eine Nachhilfelehrerin besorgt hatte, die garantiert diskret war und nicht schreiend und weinend davonlief wie die anderen davor. Ryder verschliss Nachhilfelehrerinnen wie manch anderer Mädchen. Zum Teufel, er verschliss Mädchen genauso wie seine Nachhilfelehrerinnen.
Wie er LJ kannte, hatte er wahrscheinlich irgendeine alte Dame gefunden, die quietschende Schuhe mit Keilabsätzen, so dick wie Käseecken, trug.
»Was darf man von eurem nächsten Album erwarten?«, fragte eine andere Journalistin.
Ryder lehnte sich zurück und unterdrückte ein Grinsen. Sollten die anderen Jungs doch bei dieser Antwort...
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