Schweitzer Fachinformationen
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Wie war es schön, gestern. Laura war ganz spontan zu Besuch gekommen. Eigentlich hatte er sich auf einen langweiligen Abend eingestellt, vielleicht ein wenig aufgepeppt mit dem herrlichen spanischen Roséwein aus dem letzten Urlaub, aber ansonsten vollkommen ereignislos. Und dann hatte seine neue Freundin an der Tür geklingelt.
Ursprünglich wollte sie sich mit ihren Mädels in irgend so einem In-Lokal treffen, aber daraus war nichts geworden. Stattdessen war sie zu ihm gekommen.
Paul lächelte versonnen, als der Bus vor ihm hielt und die Türen sich schnaufend öffneten. Er nahm den Platz gleich links hinter dem Fahrer und tauchte wieder in die Erinnerungen ein.
Laura hatte ihn noch nicht einmal angelächelt, als sie sich an ihm vorbei in die Wohnung gedrückt hatte. Sie war geradewegs auf das Schlafzimmer zugegangen, hatte sich aufs Bett gesetzt und dort Schuhe und Jacke ausgezogen.
"Den Rest musst du selbst auspacken", sagte sie verführerisch, als er wie angewurzelt an der Tür stand und sie beobachtete.
Ein unangenehmer Knall holte ihn aus seinen Erinnerungen. Etwas war gegen den Bus geflogen. Ein roter Blutfleck erschien am Rand der Scheibe, direkt über der unteren Gummieinfassung. Paul beugte sich vor und sah einen kleinen Vogel auf dem Asphalt liegen.
"Das war eine Meise. Das arme Ding", sagte eine Stimme hinter ihm. Paul drehte sich um und schaute in das zerknitterte Gesicht einer alten Frau. "Da hat der arme Vogel wohl nicht aufgepasst."
"Ja, bedauerlich", antwortete Paul und machte eine betroffene Miene, ehe er sich wieder umdrehte. Nur beiläufig nahm er den Mann wahr, der auf der anderen Seite schräg neben ihm saß. Er trug eine runde Brille, ein Khakihemd und einen ordentlich gestutzten Oberlippenbart. Und er grinste boshaft und schien sich über die alte Frau lustig zu machen. Idioten gab es doch überall.
Paul streckte die Beine aus und beobachtete eine Weile den Verkehr vor ihm. Er merkte, wie entspannt er war. Seit Laura vor zwei Monaten in sein Leben getreten war, schien für ihn buchstäblich nur noch die Sonne. Laura war keck, verwegen, experimentierfreudig und eine gute Zuhörerin. Damit entsprach sie so ziemlich seinem Idealbild einer Frau. Nur ihr strenger Seitenscheitel und die etwas zu kurzen Haare störten ihn ein wenig, aber vielleicht konnte er sie im Laufe der nächsten Monate, oder sogar Jahre, allmählich davon überzeugen, eine andere Frisur auszutesten. Er war da im Prinzip ganz zuversichtlich.
Ein energisches Klopfen gegen seine Schulter holte ihn erneut aus seinen Überlegungen.
"Haben Sie nicht gehört?", fragte eine strenge Stimme. Paul schaute hoch in das magere Gesicht einer Frau, die ihre besten Jahre auch schon im Fotoalbum nachschlagen konnte.
"Entschuldigung, nein. Ich war in Gedanken."
"Ihre Fahrkarte bitte."
Mechanisch griff Paul in die Innentasche seiner leichten Jacke. Das erwartete Gefühl, gleich ein lederbeschlagenes Etui in die Finger zu bekommen, blieb jedoch aus. Paul suchte in der Hosentasche, aber auch dort fand sich nur der Fünfzigeuroschein, den er vorhin extra eingesteckt hatte, sonst nichts. Wahrscheinlich hatte er die Geldbörse zu Hause auf dem Wohnzimmertisch liegen lassen.
"Ich fürchte, ich habe mein Portemonnaie vergessen."
Hinter ihm begann jemand, gehässig zu lachen. Der Mann im Khakihemd zeigte mit dem Finger auf ihn.
"Was für eine bescheuerte Ausrede, du Arsch."
Paul glaubte, sich verhört zu haben. Hatte diese Brillenschlange ihn wirklich Arsch genannt?
"Ich habe eine Jahreskarte, das werden Sie bestimmt abgleichen können", sagte er an die Kontrolleurin gewandt.
"Ja, selbstverständlich", gab die Frau freundlich zurück. "Trotzdem muss ich Ihre Daten aufnehmen."
"Glauben Sie ihm kein Wort", schaltete sich erneut der unangenehme Mann ein. "Der blufft nur und wird garantiert eine falsche Adresse angeben." Freudig klopfte er auf die Schenkel. "Holt lieber gleich die Polizei."
Paul spürte, wie er allmählich wütend wurde. Mit dieser vorlauten, etwas dicklichen Person würde er es ohne Probleme aufnehmen können. Die Kontrolleurin jedoch schüttelte nur kurz den Kopf und reichte ihm ein Formular.
"Achten Sie nicht auf den Schelm. Ich glaube Ihnen. Tragen Sie hier einfach Ihre Adresse ein."
Paul nahm den Formularblock und einen Stift entgegen und bedankte sich. Als er ihr den ausgefüllten Bogen zurückgab, schnaufte es hinter ihm erneut.
"Jetzt kommt der Arsch mit seinem Trick durch", sagte der Mann grollend.
Paul reichte es. Er drehte sich um und hob den Zeigefinger.
"Sie sollten besser Ihre Ausdrucksweise überdenken", knurrte er.
Den Mann schien das wenig zu beeindrucken, er öffnete die Manschettenknöpfe seines Hemdes und krempelte die Ärmel umständlich zweimal um.
"Wenn du willst, kann ich dich auch zum Invaliden knüppeln", gab er zurück. "Dein scheißrotes Blut gibt bestimmt einen prächtigen Kontrast auf meinem Hemd."
Ehe Paul etwas erwidern konnte, mischte sich die Kontrolleurin ein. "Jetzt ist aber mal gut. Spielen Sie sich hier nicht so auf. Haben Sie überhaupt eine Fahrkarte?"
Der Mann hielt ihr grummelnd ein Stückchen Papier hin. Paul wandte sich ab und blickte durch die Frontscheibe des Busses. Obwohl er durchtrainiert und auf jede Art der körperlichen Auseinandersetzung gut vorbereitet war, machte ihm die Aggressivität dieses Typen angst. Wer wusste schon, was für kranke Fantasien in so einem Menschen schlummerten. Wie praktisch, dass er an der nächsten Haltestelle raus musste.
Beim Aussteigen vermied er vorsichtshalber jeglichen Blickkontakt. Trotzdem hörte er, wie der Mann ihm etwas hinterherrief.
"Du scheiß Sozialschmarotzer!"
Paul atmete erleichtert aus, als auf den Gehweg trat und die Türen des Busses sich wieder schlossen.
***
Wie schnell einem die gute Laune verhagelt werden konnte. Musste er ausgerechnet heute auf diesen übellaunigen Typen treffen? Paul versuchte, sich durch das Erlebnis nicht herunterziehen zu lassen. Immerhin plante er etwas ganz Wundervolles: Ein Abendessen mit den erlesensten Zutaten. Laura würde Augen machen und diesmal bestimmt nicht zuerst ins Schlafzimmer stürmen, sondern sich an den Tisch setzen. Angezogen oder nicht.
Der Delikatessenladen, auf den Paul es abgesehen hatte, lag nur noch ein paar Minuten entfernt. Es war ein Tipp seiner Nachbarn gewesen, die eine Leidenschaft für gutes Essen hegten, was man ihnen auch ansah. Während Miriam trotz ihrer beachtlichen Fülle auf gewisse Weise trotzdem sehr erotisch wirkte, überwog bei Gerd eindeutig das Fett. Nichtsdestotrotz waren die beiden supernett, Nachbarn, wie man sie sich nur wünschen konnte. Und das, was sie kochten, schmeckte wie der sprichwörtliche Himmel auf Erden.
Immer, wenn etwas übrig blieb, klingelten sie bei Paul und fragten, ob er die Reste wollte. Anfangs hatte er sich gehässigen Gedanken hingegeben, er konnte einfach nicht verstehen, wie so dicke Menschen freiwillig Essen hergaben, aber durch die charmante Art der beiden war er schnell von ihnen eingenommen gewesen.
Seit sich Laura immer öfter bei ihm aufhielt, bekam er nicht mehr so viele exquisite Speisen durch die Tür gereicht. Wahrscheinlich wollten Miriam und Gerd nicht zu aufdringlich wirken. Es mutete vielleicht auch etwas merkwürdig an. Wer nahm schon Essen von den Nachbarn an, nur weil er zu faul zum Kochen war?
Doch als er sie letzte Woche nach einer Idee für ein Überraschungsmenü gefragt hatte, waren sie sofort Feuer und Flamme gewesen und hatten für ihn ein exzellentes Mahl zusammengestellt, das auch jemand, der den Herd nur ab und zu einschaltete, zubereiten konnte.
Paul suchte in der Gesäßtasche nach dem Zutatenzettel, den Miriam für ihn geschrieben hatte. Einen Moment war er überzeugt, dass er ihn ebenso wie das Portemonnaie vergessen hatte. Dann wäre die ganze Fahrt umsonst gewesen. Doch schließlich bekam er den gefalteten Zettel zu fassen und zog ihn heraus, gerade als er die Tür des Delikatessenladens durchschritt.
Es roch angenehm nach Kräutern und Gewürzen. Gerd hätte bestimmt in Sekundenschnelle sagen können, was genau da so duftete, aber für Paul reichte die Beschreibung exotisch vollkommen aus. Sein erster Blick fiel auf das riesige Weinregal, das die gesamte hintere Wand des Geschäftes einnahm. Wie froh er war, dass Miriam ihm auch den passenden Wein aufgeschrieben hatte. Diese unglaubliche Auswahl wirkte auf ihn eher abschreckend als einladend.
Eine junge Frau kam lächelnd auf ihn zu. "Kann ich Ihnen helfen?"
"O ja, ich habe hier eine Liste ..." Paul reichte ihr den Einkaufszettel und die Frau studierte ihn einen Moment.
"Das wird aber ein prachtvolles Essen", sagte sie dann anerkennend.
"Das hoffe ich."
Sie ging zu einem Tresen und legte die Liste in einen Korb. "Ich werde Ihnen die Sachen zusammenstellen. Haben Sie bitte noch einen Augenblick Geduld, da ist noch ein Kunde vor Ihnen."
Paul nickte und schaute sich um. Er hatte niemanden gesehen, als er reingekommen war. Die Verkäuferin trat zu einem Regal mit erlesenen Dosensuppen und sprach jemanden an, der sich direkt dahinter befinden musste. Eine Hand reichte ihr zwei cremefarbene Suppen, die sie zur Kasse trug. Als der andere Kunde hinter dem Regal hervortrat, traute Paul seinen Augen nicht.
Vor ihm stand der Typ aus dem Bus!
Sein Khakihemd hing an einer Stelle aus der Hose, aber die aufgekrempelten Ärmel hatte er zwischenzeitlich...
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