Schweitzer Fachinformationen
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Mehrere kleine Lichtpunkte bewegen sich im Dunkeln von der Alp Furgglen in Richtung Rainhütte, folgen zuerst dem Weg, um dann nach gut 500 Metern diesen zu verlassen, und steigen über das offene und steile Gelände Richtung Furgglenfirst hinauf. Die Punkte, deren unruhige Bewegungen auf Stirnlampen hinweisen, scheinen nicht zusammenzugehören, aber alle das gleiche Ziel anzusteuern. Sie bewegen sich in kleinen Gruppen von zwei bis fünf Personen, in verschiedenen Abständen und nach dem Verlassen des Weges auf nur geringfügig verschiedenen Routen.
Die Alp Furgglen, auf dem Weg zwischen Rainhütte und Bollenwees und nur rund 700 Meter Luftlinie vom Berggasthaus entfernt, besteht aus zwei kleinen Alphütten und dem 2014 neu erbauten Laufstall. Über 20 Milchkühe und rund 100 Rinder sowie einige Ziegen werden hier gesömmert. Auf der Nachbarsalp wird die Milch zu Käse verarbeitet, die anfallende Schotte und die Buttermilch werden den rund 30 Schweinen verfüttert. 1903 hatte eine Alpgenossenschaft die drei Furgglen Alpen vom verstorbenen Innerrhoder Kantonsrichter Broger übernommen, um einen außerkantonalen Verkauf, dem bereits der Rheintaler Sämtis mit dem Verkauf ins St. Galler Rheintal zum Opfer gefallen war, zu verhindern.
Doch nicht die Alp selbst, sondern eine Öffnung in der Felswand, die 1907 entdeckte »Furgglenhöhle«, scheint das Ziel der Lichtpunkte zu sein. Ein Ort, wo sich vor allem in der Ferienzeit und während der Winterzeit tagsüber immer wieder Gruppen von kleinen und großen Höhlenforschern tummeln. Der Einstieg in die Höhle ist dank eines geräumigen Hauptganges mit nur einer kurzen Engstelle, durch welche sich die Besucher einzeln zwängen müssen, und einigen Felsstufen nicht allzu schwierig und lässt sie ohne Probleme in den »Sayonaradom«, in eine der größeren Hallen, vordringen.
Und dort trifft nun auch die altersmäßig durchmischte Gruppe im Licht ihrer Stirnlampen zusammen und gruppiert sich um einen älteren groß gewachsenen Mann mit beinahe schulterlangem grauen Haar und einem mächtigen, grauweißen Bart, der schweigend wartet, bis sich die Ankömmlinge im Halbkreis um ihn postiert haben. Trotz seines schwarzen Umhangs ist er im Licht der zahlreichen Stirnlampen vor dem feucht glitzernden Felsen gut zu erkennen - nicht zuletzt auch dank der Tatsache, dass er seine Lampe gelöscht hat, um seine Zuhörer nicht zu blenden.
Langsam hebt er seine Arme seitlich in die Höhe und begrüßt die nächtlichen Wanderer mit einem eindringlichen: »Friede sei mit euch!«
»Friede sei mit dir«, murmeln einige der Besucher, verstummen aber sofort, als der Mann vor ihnen seine Stimme wieder erhebt.
»Danke, dass ihr hier seid. Dass so viele gekommen sind, um diese Zeit, an diesen abgelegenen Ort, zeigt, wie wichtig auch euch unsere gemeinsame Sache ist. Diesen Ort habe ich bewusst gewählt, ein Kraftort, ein Ort der Ruhe, der uns durch die zahlreichen Höhlenforscheraktivitäten eine gute Tarnung bietet und von dem kein Wort nach außen dringt. Und der uns ermöglicht, nach unseren Treffen noch in der >Bollenwees< einzukehren und den Eindruck zu erwecken, dass wir deswegen hier oben sind.«
Die Zuhörer bestätigen seine Aussage mit einem kurzen Lachen.
»Doch lasst uns zu dem kommen, weswegen wir hier sind«, fährt der Redner fort. »Wir alle wissen, welche Kraft hier in dieser Höhle heute zusammengekommen ist - eine Kraft, die gottgegeben ist und die einigen Auserwählten, die heute dabei sind, verliehen wurde. Eine Kraft, die diese für Gutes einsetzen, um Menschen und Tieren zu helfen. Und alle anderen, die nicht zu diesen Auserwählten gehören und trotzdem hier sind, wissen um die Bedeutung dieser Menschen, die ihre Tätigkeit im Stillen, von der Öffentlichkeit unbemerkt, ausüben.
Doch heute werden dem Gebetsheilen, das Teil unserer Geschichte und Kultur ist, immer mehr Misstrauen und Vorbehalte entgegengebracht. Nicht zuletzt, weil viele Menschen keine Nähe mehr zu Gott haben und deshalb nicht glauben können, dass er uns solche Kräfte verleiht!«
Ein zustimmendes Raunen geht durch die Reihen.
»Und deshalb wird unser Wirken oft der schwarzen Magie zugeschrieben. Doch nur weil wir uns vereinzelt beim >Diebesbannen< auch böser Kräfte bedienen, heißt das nicht, dass wir Schlechtes tun. Denn die Wirkung, dass der Dieb erst wieder Wasser lösen kann, wenn er das Diebesgut zurückgegeben hat, dient aus Sicht der Bestohlenen einem guten Zweck!
Wir Gebetsheilenden in Innerrhoden sind ohne Ausnahme von Gott mit der Fähigkeit zum Heilen begnadet. Denn die von Jesus seinen Jüngern zugesprochenen Gaben sind auch heute noch nicht ganz erloschen - doch nur Menschen, die fest im christlichen Glauben stehen, vermögen Gleiches zu tun wie wir!«
Lydia Fuchs sucht die Hand von Anton, zieht ihn zu sich hin und flüstert ihm zu: »Hast du gehört, Toni, auch wir haben die Möglichkeit, mit unseren Gebeten zu helfen!« Toni Bischofberger nickt stumm und drückt fest die Hand seiner Freundin. Wie die anderen, die heute Abend in der Furgglenhöhle anwesend sind, haben sie über Freunde, die sich ebenfalls zu einem starken Glauben an Gott bekennen, von diesem geheimen Treffen erfahren. Und von der Idee, dass Klaus Fritsche, in ganz Innerrhoden als »Chläus« bekannt, eine Gemeinschaft der wirklich Gläubigen gründen wolle. Wobei es auch Lydia klar ist, dass »wirklich gläubig« nichts anderes als fundamentalistisch bedeutet, sie aber tunlichst vermeidet, dieses Wort in den Mund zu nehmen.
Chläus ist nicht nur wegen seines Aussehens im ganzen Halbkanton und über dessen Grenzen hinaus bekannt, sondern auch durch sein missionarisches Auftreten. Oft referiert er stundenlang in der Fußgängerzone in Appenzell über Gott und die Bibel und fordert die Passanten, die sich meist mehr über den Auftritt amüsieren, als die Botschaft wirklich aufzunehmen, auf, sich zu Gott zu bekennen.
Chläus lässt sich von dieser Ignoranz jedoch nicht beirren und führt seine Mission weiter - nicht nur in Appenzell. Auch in anderen Dörfern taucht er immer wieder auf, oft in Gasthäusern und auch in den Berggasthäusern des Alpsteins, wo er eindringlich seine Botschaft verkündet. Und wo er auch auftaucht, wird er gerne gesehen, ist Teil des Innerrhoder Alltags. Und ein Original.
Obwohl die meisten Bewohnerinnen und Bewohner von Appenzell Innerrhoden wissen, dass Chläus auch ein erfolgreicher Geistheiler ist, der, von der Öffentlichkeit unbemerkt, schon sehr viel Gutes geleistet hat, redet man nicht darüber. Doch man gibt seinen Namen gerne weiter, wenn jemand Hilfe braucht.
Chläus ist einer von rund 30 Gebetsheilern, die heute noch in Appenzell Innerrhoden leben und die mithilfe von Gebeten die Schmerzen oder das Fieber nehmen oder das Blut stillen oder versuchen, schwere Verbrennungen und Entzündungen zum raschen Ausheilen zu bringen, ohne dass auf der Haut Narben zurückbleiben - wobei die Krankheit selbst nicht geheilt werden kann. Dieses »Brand löschen« gehört zu ihren Heilfähigkeiten wie das Bekämpfen von Warzen und hartnäckigen Ekzemen. Wobei bei dermatologischen Krankheiten die Heilung nur Erfolg haben kann, wenn der Mond während der Behandlung abnehmend ist und die Patienten die Warze oder das Ekzem während des Heilprozesses nicht anschauen.
Einige Heilende sind auch in der Lage, Gelbsucht, Gicht und Muskelschwund zu behandeln oder Hilfestellung bei psychischen Problemen wie Prüfungsangst oder Heimweh zu leisten - das »Nehmen« des Heimwehs gilt als Innerrhoder Spezialität.
Die Heiltätigen sind ausnahmslos medizinische Laien, die alte, überlieferte volksmedizinische Praktiken anwenden unter Verwendung von zum Teil geheimen Heilsprüchen und Segensformeln, von denen einige bereits im Spätmittelalter auftauchten. So wird eine Behandlung oft mit einer Fürbitte wie »Es helfe Jesus Christ, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen« abgeschlossen.
Die Gebetsheiler sehen ihre Art zu heilen als Anstoß zur Selbstheilung, indem sie die blockierten Selbstheilungskräfte der Erkrankten freisetzen. Völlig unerwartete Heilerfolge bei Patienten und Patientinnen, die auf die geheime Gebetstherapie zurückzuführen sind, bringen Ärzte und Pflegepersonal immer wieder zum Staunen, weil sich diese wissenschaftlich nicht erklären lassen. Da es sich beim Gebetsheilen jedoch um eine Geheimkunst handelt, für deren Ausübung weder eine Bewilligung notwendig ist noch ein Honorar gefordert wird, ist das Thema in der Innerrhoder Geschichts- und Heimatkundeliteratur inexistent.
Ihre persönlichen und positiven Erfahrungen mit Gebetsheilung und das Gefühl, als tief fromme Christen in ihrem Glauben eine Kraft zu finden, welche sie von anderen Menschen unterscheidet, haben bei Lydia und Anton zum innigen Wunsch geführt, diese Tätigkeit auch auszuüben. Denn als Tonis Mutter nach der erfolgreichen Behandlung einer Verbrennung auf seinem Unterarm auch Lydias Mutter den Gebetsheiler weiterempfahl, nachdem sie vom Heimweh deren Tochter während eines Sprachaufenthaltes in England erfahren hatte, tauschten die beiden bei einem zufälligen Treffen ihre persönlichen Erfahrungen aus. Und hatten dabei nicht nur Interesse an diesem Thema, sondern auch aneinander gefunden.
»So wollen wir uns zusammenschließen und beten, dass wir unsere Kräfte auch weiterhin für Gutes nutzen, mit unseren Gebeten die Auserwählten unterstützen und über unsere Gebete in weiteren Menschen die Fähigkeiten wecken können, anderen zu helfen«, fasst Klaus Fritsche seine längere Abhandlung über Glauben und Heilen zusammen. »Unsere...
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