Schweitzer Fachinformationen
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Da wir, wie in Kapitel 1 dargelegt, auf dem Immobilienmarkt ein Warenüberangebot nicht halten können, um Wohnen bezahlbar zu machen und zu halten, benötigen wir auch einen anderen Mietmarkt und einen anderen Mietwohnungsbau, um bezahlbares Wohnen zu erreichen und langfristig zu sichern.
Wie ist unser Mietmarkt aktuell organisiert? Im Kern sehr einfach, nämlich ebenfalls nach Angebot und Nachfrage. Sinkt das Angebot und steigt die Nachfrage, steigt der Preis. Die einzige Bremse in dem System ist eine Kombination aus dem Abgleich mit anderen Mieten innerhalb einer festgelegten Gemarkungsgrenze (Mietpreisspiegel) und einer maximal zulässigen Steigerungsrate der Miete innerhalb eines bestimmten Zeitraums (Mietpreisbremse).
Das heißt, wir haben es auch beim Mietmarkt eigentlich mit einer Marktorganisation zu tun, wie bei allen anderen Märkten auch. Das Problem an der Sache ist: Wir sind keineswegs frei in der Entscheidung, ob wir wohnen wollen oder nicht, und ferner ist der Boden, auf dem dieser Markt stattfindet, auch noch begrenzt.
Auch das Mietrecht war nicht immer so geregelt, wie es heute geregelt ist. Sehen wir uns das nachfolgend näher an.
Die mietrechtlichen Regelungen des Deutschen Reichs wurden 1900 ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Das Mietrecht war allerdings nur sehr allgemein formuliert und galt zunächst für alle Mietobjekte gleichermaßen. Wer also irgendetwas anmietete, egal ob ein Haus, ein Grundstück, eine Kutsche oder auch ein Pferd, unterlag den gleichen Regelungen dieses allgemeinen Sachenmietrechts. So wurden in ihm zum Beispiel auch Regelungen zur Übernahme von Fütterungskosten für gemietete Tiere aufgeführt.
Erstmals während des Ersten Weltkriegs gab es dann Versuche, den Mietmarkt einzuhegen. Drei Regelungen vor allem waren es, mit denen man das versuchte: Die "Bekanntmachung, betreffend Einigungsämter" von 1914, die "Bekanntmachung zum Schutze der Mieter" (erste Mieterschutzverordnung) von 1917 und die zweite "Bekanntmachung zum Schutze der Mieter" von 1918 (zweite Mieterschutzverordnung). Eine dritte Mieterschutzverordnung folgte dann noch 1919.
Mieteinigungsämter sollten bei Mietstreitigkeiten außerhalb der Gerichtsbarkeit zwischen den Beteiligten vermitteln, was letztlich nur mäßig gelang, weshalb die Ämter sehr bald über die Vermittlung hinaus zusätzliche Befugnisse bekamen. Es gab solche Ämter vereinzelt schon vorher, aber erst mit den reichsweiten Regelungen fanden sie auch breitere Anwendung.
Erst 1922 folgte dann erstmals ein eigenständiges Mietrecht durch das "Reichsmietengesetz". Mit dessen Bestimmungen wurden alle Mieten in Deutschland an den Referenzmieten von 1914 orientiert, also der letzten Mietsituation vor dem Ersten Weltkrieg, der sogenannten Friedensmiete. 1923 folgte das "Gesetz über Mietenschutz und Mieteinigungsämter". Die Idee der Einigungsämter wurde dabei nochmals aufgegriffen. Das Gesetz war ursprünglich bis 1926 befristet, wurde aber immer wieder verlängert und überlebte schließlich sogar den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg.
Mit Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zur Besatzung und Teilung Deutschlands. Man schätzt, dass bei Kriegsende im Westen ein Bedarf von etwa sechs Millionen Wohnungen existierte.
Die Westalliierten verfügten in ihren Zonen daher strikte Maßnahmen, auch mit Wohnungszwangszuweisungen für Flüchtlinge.
Das war die Situation, auf die die Politiker der jungen Bundesrepublik 1949 trafen. Mit Konrad Adenauer bekam die Republik zudem einen Bundeskanzler, der praktisch alle politischen Phasen des Mietrechts, vom Deutschen Reich über die Weimarer Republik bis hin zum "Dritten Reich" als aktiver und zuletzt zurückgezogener Politiker miterlebt hatte. In seiner Lebenszeit war die Mietwohnung als Massenphänomen auch überhaupt erst aufgekommen und machte ein Mietrecht und Überlegungen zur Gestaltung von Mietpreisen erforderlich. Es ist durchaus wichtig zu verstehen, mit welchen, auch persönlichen Erfahrungshintergründen das frühe Mietrecht in der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut wurde.
Zunächst blieb der Mietmarkt in der Bundesrepublik Deutschland ab 1949 weiterhin stark reglementiert. Man übernahm weitgehend die Regelungen der Weimarer Republik, und es gab damit weiter einen faktischen Mietendeckel für Bestandswohnungen. Wer das heute fordert, wird schnell als linksradikal verdächtigt. In Wahrheit war dieses Regulierungswerkzeug einfach nur wesentlicher Bestandteil der Lebenserfahrung einer ganzen Politikergeneration, die es schon aus der Weimarer Zeit kannte.
Die frühe Regierung Adenauer, ab 1949, ging insgesamt ganz anders an die Lösung der Wohnprobleme, als wir es heute tun. Sie wählte eine Kombination aus der unterschiedlichen Betrachtung von Marktteilnehmern und deren Finanzierung. Besitzern bestehender Gebäude wurde, wie erwähnt, die Möglichkeit von Mieterhöhungen genommen. Mietpreisspekulation aufgrund von Verknappung sollte nicht möglich sein. Das war politisch auch breiter und überparteilicher Konsens, ähnlich wie es schon 1911 breiter und überparteilicher Konsens war, dass leistungslose Immobilienwertzuwächse abgeschöpft werden sollten.
Investoren von Neubauten hingegen erhielten unter der frühen Adenauer-Regierung drei Optionen: Die erste war der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau. Er wurde damals noch von der Bundesebene gesteuert. Wer diese Mittel in Anspruch nahm, musste sich zu einer Miete von, je nach Lage, Größe und Ausstattung, bis zu einer D-Mark, maximal aber 1,10 D-Mark pro Quadratmeter verpflichten. Die zweite Option war der steuerbegünstigte Wohnungsbau, also der gemeinnützige Wohnungsbau. Wer diese Option wählte und günstige Mieten gewährte, die nur die tatsächlichen Kosten deckten (die sogenannte Kostenmiete), gedeckelt auf maximal 1,50 D-Mark pro Quadratmeter, dem gewährte der Staat umgekehrt Steuervergünstigungen. Und die dritte Option war der frei finanzierte Wohnungsbau. Wer diesen wählte, hatte keinen Anspruch auf Förderung und war umgekehrt auch nicht an die benannten Miethöhenvorgaben gebunden.
Das heißt, drei ganz wesentliche Dinge hat die Adenauer-Regierung anders gemacht, als wir es heute tun: Sie hat erstens Mietpreisspekulation mit einem Verknappungsgut nicht akzeptiert. Mieterhöhungen im Wohnungsbestand, so wie heute, waren nicht einfach möglich. Zweitens hat sie den sozialen Wohnungsbau über die Bundesebene, als Bundesaufgabe, sehr eng vernetzt mit den Ländern, vorangetrieben und hat sich dabei auf die Objektförderung konzentriert (Investition in die Gebäude), nicht auf die Subjektförderung (Leistungen für Mieter zur Mietzahlungsunterstützung). Drittens hat sie den gemeinnützigen Wohnungsbau in großen Dimensionen vorangetrieben durch ein interessantes, groß angelegtes Steuermodell, bei dem Steuerzahlungen durch gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften, die nur eine Kostenmiete nahmen und ihre Einnahmen wieder in den Wohnungsbau reinvestierten, weitgehend entfielen.
Vor dem Rechtswerkzeug einer Mietendeckelung im Bestand hatte dabei niemand in der Regierung Angst, denn eine solche gab es, wie erwähnt, im Erfahrungshorizont der damals tätigen Politiker ja schon lange. Das Vorgehen der Regierung Adenauer hat den Mietwohnungsmarkt mit diesem Werkzeug auch nicht gefährdet, sondern im Gegenteil, es hat einen bezahlbaren Mietwohnungsmarkt überhaupt erst ermöglicht. Einen spekulativen Mietwohnungsmarkt aufzubauen, wie das spätere Regierungen getan haben, wäre keine Kunst gewesen. Die Kunst war, einerseits einen bezahlbaren Bestandsmietenmarkt zu halten und gleichzeitig neuen bezahlbaren Wohnraum aufzubauen.
Zwischen 1949 und 1960 wurden etwa 3,3 Millionen Wohnungen öffentlich finanziert gebaut und etwa 2,7 Millionen privat. In gerade einmal einem Jahrzehnt waren das über sechs Millionen Wohnungen. Das schaffen wir heute nicht einmal im Ansatz.
Die Tragik ist, dass die Regierung Adenauer von ihrem eigenen Erfolg eingeholt wurde und in den 1960er-Jahren offensichtlich dachte, sie könne den Mietwohnungsmarkt nach den Anfangserfolgen dem freien Markt überlassen. Die "Wohnungszwangswirtschaft" - eine übrigens denkwürdige Begrifflichkeit noch aus der Weimarer Republik, "Wohnungsstabilisierungswirtschaft" wäre sicher treffender gewesen - wurde, auch unter erheblichem Protest innerhalb der CDU, auf- und Mieten wurden freigegeben. Man war aber immer noch vorsichtig und entließ die Städte und Landkreise nur sukzessive in die Freiheit. Was viele nicht wissen, Münchens Mietpreise waren bis in die 1970er-Jahre reguliert, die Westberlins sogar bis in die 1980er-Jahre. Dort, wo die Preise früher in die Freiheit entlassen wurden, kam es umgehend zu teils starken Mietpreisanstiegen. Selbst Änderungskündigungen zum Zweck der Mietpreissteigerung waren damals möglich, und es wurde eifrig Gebrauch davon gemacht. Damit war das gesamte Mietrecht wieder in einer Situation wie vor den Regulierungsversuchen während des Ersten Weltkriegs und in der Weimarer Republik. Schon Anfang der 1970er-Jahre war klar, dass es so nicht weitergehen konnte, und man versuchte,...
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